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Berliner Morgenpost: Boni-Republik Deutschland - Kommentar

Geschrieben am 16-02-2009

Berlin (ots) - Keine Frage: Wer ein Geldinstitut an den Abgrund
oder darüber hinaus spekuliert hat, darf nicht auch noch belohnt
werden, schon gar nicht mit öffentlichem Geld. Dennoch ist es
unredlich, allein die Banker-Boni zu kritisieren. Fakt ist: Wie im
Geldgewerbe werden auch in vielen anderen Bereichen Millionen
Arbeitnehmer mit mehr oder weniger fairen Belohnungssystemen unter
Dampf gehalten.
Ob die Beraterin am Sparkassenschalter, der Telefonist im Call Center
oder manche Medienmenschen: Ein guter Teil des Einkommens ist
leistungsabhängig, geknüpft an Erträge, Quoten, Schlagzahl. Das
Bonus-System hat sich in alle Bereiche unseres Lebens gefressen: Wer
shoppt, bekommt Punkte, wer Kunden vermittelt, meist bares Geld. Die
Jagd nach Meilen, Digits oder dem elften, kostenlosen Cappuccino ist
eine Art Volkssport.
Wir leben in der Boni-Republik Deutschland, vereint im Willen, an den
Geschäften anderer beteiligt werden zu wollen. Verwerflich ist das
nicht. Denn all die Boni, Punkte, Prämien sind freiwillige
Leistungen. Was Banker und Bürger trennt, sind die Größenordnungen:
Der eine bekommt Abermillionen, der andere nur den Massage-Igel. Die
Mentalität ist dennoch die gleiche: Der Mensch nimmt gern, was ihm
angeboten wird. Dazu nur mal ein winziges Gedankenspiel: Wer, der
jetzt Millionen-Boni kritisiert, hätte dieselben als
Investment-Banker abgelehnt?
Das Problem sind weniger die Boni-Kassierer als die Boni-Gewährer.
Eben da haben Politik, Wirtschaftsverbände, Wissenschaftler und
Medien in den letzten Jahren nicht genau genug hingeschaut. Die
Nachschläge waren nicht nur deutlich zu hoch bemessen, sie haben auch
völlig falsche Ziele belohnt. Die märchenhaften Summen, die weltweit
von Aufsichtsräten und auch den darin zahlreich vertretenen
Politikern genehmigt wurden, zeigen inzwischen einen fundamentalen
Denkfehler im Banken-Bonus-Systems: die Ungleichzeitigkeit.
Boni werden in der Regel am Jahresende ausgezahlt, für maximal 12
Monate Leistungszeitraum. Viele Entscheidungen wirken aber deutlich
länger nach, wie die Finanzkrise gerade wieder bewiesen hat. Der
flotte Profit von heute kann den Kollaps übermorgen auslösen.
Bonus-Systeme belohnen nicht nachhaltiges Wachstum, sondern den
schnellen Euro ohne Rücksicht auf Verluste.
Es ist an der Zeit, dem Bonus-Unwesen ein Malus-System
entgegenzusetzen: Boni werden nicht im Dezember ausgezahlt, sondern
erst nach fünf oder zehn Jahren. Der Bonus der fetten Jahre wird mit
Abzügen für magere Zeiten verrechnet. So würde Gier gezügelt und
langfristig gutes Wirtschaften belohnt.
Die Bundesregierung allerdings wird ein solches System kaum
durchsetzen können. Denn Politik basiert, darin dem
Investment-Banking sehr ähnlich, auf dem Prinzip kurzfristiger
Effekte ohne besondere Rücksicht auf die Zukunft: Entscheidungen
müssen nur halten bis zur nächsten Wahl.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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