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Börsen-Zeitung: Geldmarkt ohne Handel, Börsenkommentar "Marktplatz" von Martin Hampel

Geschrieben am 19-12-2008

Frankfurt (ots) - Was derzeit am europäischen Interbankenmarkt zu
beobachten ist, lässt sich wohl am trefflichsten als die Rückkehr von
katastrophalen zu äußerst üblen Verhältnissen beschreiben. Aber
immerhin: Die Zinssätze, zu denen Banken sich untereinander Geld
leihen, sinken. Präziser ausgedrückt: Die Sätze, zu denen Banken
behaupten, Geld an andere zu leihen, sinken. Denn die Volumina in den
Fristen oberhalb einer Woche sind nach wie vor absolut dünn, und wenn
gehandelt wird, dann zu höheren Zinsen als offiziell gemeldet. Das
liegt nicht unbedingt daran, dass niemand in der Lage ist, Geld zu
verleihen. Es liegt daran, dass sich niemand sicher sein kann, dass
der Kontrahent nicht pleitegeht und das verliehene Geld verschwunden
ist.

Dass genug Liquidität im Markt ist, zeigt die Einlagefazilität der
Europäischen Zentralbank. In dieser werden Nacht für Nacht
rekordverdächtige Summen von den Instituten geparkt, zu Sätzen, die
unter denen des Interbankenmarkts liegen. Die EZB, so die Logik, kann
immer zurückzahlen.

Das ist zwar richtig. Sie wird aber wie am Donnerstag angekündigt
den Zins in der Einlagefazilität senken, um sie gegenüber dem
Geldmarkt unattraktiver zu machen. Statt mit 2 werden die
EZB-Einlagen dann mit 1,5% verzinst. Ob das die Banken animiert, sich
wieder mit Geld zu versorgen, darf getrost bezweifelt werden.
Liquidität geht vor Rentabilität, und von der EZB kommt das Geld zwar
niedriger verzinst, aber dafür mit Sicherheit zurück.

Ein derzeit diskutierter Vorschlag ist die Einrichtung einer
Clearing-Stelle, die für den Interbankenhandel das Kontrahentenrisiko
eliminiert. Für eine solche Institution haben sich zuletzt einige
Banken starkgemacht. Idealerweise würde die Clearing-Stelle bei der
EZB angesiedelt, um eine kleinteilige Lösung via nationale Regelungen
und die damit einhergehenden Reibungsverluste zu vermeiden.

Die Idee ist einerseits bestechend einfach. Andererseits ist eine
wesentliche Frage nicht geklärt: Wie kommt man aus der Geschichte
wieder raus? Die Banken könnten sich an eine Clearing-Stelle
sicherlich prima gewöhnen. Doch eine Garantie für die Geschäfte im
Interbankenhandel kann nur eine Zwischenlösung sein. Ob aber ein
gesunder und schwungvoller Handel in Gang kommen würde, wenn im
Zweifelsfall niemand mehr für den Schaden haftet, ist offen.

Bei der EZB scheint man der Idee zwar nicht vollkommen abgeneigt
zu sein, wartet aber darauf, dass die Banken eigene Vorschläge zur
Lösung des Problems vorlegen. Dass bis dahin noch einige Zeit
vergehen wird, kommt der EZB zupass, wird im Markt vermutet. Denn bei
den moderat sinkenden Sätzen vor dem kritischen Jahresultimo und
einem neuen Satz in der Einlagefazilität könnte sich die Krise im
Interbankenhandel im kommenden Frühjahr ja vielleicht doch von einer
etwas milderen Seite zeigen und tiefgreifende regulatorische
Neuerungen wie eine Clearing-Stelle überflüssig machen.

Die schwierige Liquiditätssituation tritt vor dem nahen Jahresende
auch in anderen Bereichen deutlich sichtbar zutage. Die Euro-Rally in
der gerade abgelaufenen Handelswoche ist Marktteilnehmern zufolge zu
einem Gutteil der engen Liquidität und den dünnen Handelsvolumina
geschuldet. Vor dem Jahresende sind traditionell ohnehin mehr
spekulative Investoren am Start als etwa im Sommer. Die dünnen
Handelsvolumina bedingen, dass die Kursausschläge deutlicher sind,
wenn mal eine größere Position umgeschichtet wird. Die Verschiebungen
vom Dollar zum Euro haben die Gemeinschaftswährung also in dem
Jahresend-Marktumfeld besonders beflügelt. Das haben spekulative
Investoren genutzt, um an bestimmten Marken als Trendfolger
einzusteigen. Zu guter Letzt mussten diejenigen Anleger, die auf
einen steigenden Dollar gesetzt hatten, ihre Positionen glattstellen
- als die Gemeinschaftswährung dann von 1,37 bis auf 1,47 Dollar
kletterte, fielen die Stop-Losses der Investoren wie Dominosteine um.

Wie schnell sich solche Trends bei der aktuellen Liquiditätslage
umkehren können, wurde freilich zum Ende der gerade abgelaufenen
Handelswoche deutlich. Der Euro fiel binnen zweier Tage von 1,47
zurück unter die Marke von 1,39 Dollar.

(Börsen-Zeitung, 20.12.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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