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Westfalenpost: Zu dicht am Strafraum EU-Durchwursteln ist Königsdisziplin

Geschrieben am 20-06-2008

Hagen (ots) - Von Knut Pries

Eines muss man der EU lassen: Beim Durchwursteln ist sie eine
Klasse für sich. Auf die große Vertragskrise nach dem
fehlgeschlagenen irischen Referendum antworten die Staats- und
Regierungschefs mit Kleingedrucktem. Das Schwert, mit dem man dicke
Knoten zerschlägt, blieb wieder mal stecken. Statt dessen ist
hochelastisches Formulierungsgummi im Angebot, nach dem Motto: Sieht
nicht toll aus, hält aber den Lissabon-Vertrag noch gerade zusammen.
Wenn man Angela Merkel hört, ist das Wursteln geradezu die
Königsdisziplin europäischer Politik. Es ist wie nach einem
vergurkten Spiel der Nationalmannschaft. Da rauft man sich die Haare,
geht in sich und überprüft alles gründlich. Aber dann kommt das
nächste Spiel, und die Frage stellt sich schlicht und konkret: Wen
wechseln wir aus? Also: Voran kommt man nicht mit Gezeter und
Träumereien, sondern nur, wenn man in der Lage ist, den nächsten
Schritt zu tun.
Dieser staubtrockene Pragmatismus hat durchaus einiges für sich. Im
vorliegenden Fall ist er tatsächlich der einzige plausible Weg, eine
verzweifelt schlechte EU-Geschäftsordnung ("Nizza") durch eine
erkennbar bessere ("Lissabon") zu ersetzen. Auf der Strecke bleibt
freilich ein Ansatz, wie die Veranstaltung Europa wieder zur
Herzensangelegenheit derer gemacht werden kann, um die es geht. Nicht
unbedingt als Leidenschaft, wohl aber als grundsätzliches
Einverständnis. Auch in der Bundesrepublik sind die Menschen ihrem
Staatswesen und seinen Lenkern nicht in reiner Liebe zugetan. Gäbe
man ihnen die Gelegenheit, darüber abzustimmen, was sie von "der
Politik" halten, würde man nicht mehr Zustimmung ernten als die
irische Regierung mit ihrer Europa-Frage. Was aber natürlich nicht
hieße, dass die Bundesbürger lieber in einem anderen Gemeinwesen
leben würden.
Diese selbstverständliche Billigung der Verhältnisse ist dem
Unternehmen Europa abhanden gekommen. Es gab sie Jahrzehnte lang: für
die Überwindung alter Feindschaften nach dem Krieg, für die
Abschaffung der Grenzen, für den freien Binnenmarkt. Sie wurde
notleidend mit dem Projekt der gemeinsamen Währung, und sie ist
vollends abhanden gekommen mit der so genannten Ost-Erweiterung.
Seither ist Europa argumentativ in der Defensive - wenn es gut geht,
eine Notwendigkeit, aber Wert oder Anliegen nur mehr für eine
Minderheit. Der Gipfel hat einen Weg aus dem aktuellen Schlamassel
ins Auge gefasst. Doch die EU bleibt in der Defensive. Wie es bei der
EM heißt: Sie lassen sich zu sehr an den Strafraum zurück drängen.

Originaltext: Westfalenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/58966
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Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160


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