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WAZ: Debatte über Familienpolitik - Zwei Minister als Hase und Igel - Leitartikel von Norbert Robers

Geschrieben am 29-04-2008

Essen (ots) - Echte Freunde werden Finanzminister Peer Steinbrück
und Familienministerin Ursula von der Leyen wohl nicht mehr. Das hat
weniger mit der unterschiedlichen Parteizugehörigkeit, sondern mit
der forschen Art der Christdemokratin zu tun. Mit den beiden
Ressortchefs funktioniert es wie beim Hase-und-Igel-Spiel:
Haushalts-Sanierungs-Minister Steinbrück hat alle Mühe, das Geld für
den neuesten familienpolitischen Vorschlag seiner Kabinettskollegin
zusammenzukratzen, da steht Ursula von der Leyen bereits wieder am
Start und ruft: Bin schon da, ich hab' 'ne neue Idee. Das ist
einerseits zu begrüßen, weil es ein Indiz dafür ist, dass die
Familienpolitik mit all ihren Facetten endlich im Zentrum der Politik
steht. Andererseits birgt dieser Hurra-Stil die Gefahr, dass jede
familienfreundliche Anregung praktisch unter gesellschaftspolitischem
Artenschutz steht. Leichtes Spiel also für die Ministerin, die den
Finanzchef vor sich hertreibt und in die Defensive drängt - diesmal
mit ihren Vorstellungen über ein gestaffeltes Kindergeld.

Je nach Staffelung kostet dieser Vorschlag zwischen 1,7 und 2,2
Milliarden Euro pro Jahr. Die Bundesregierung hat dieses Geld nicht.
Neue Schulden verbieten sich, weil eben jene Kinder, die man heute
damit fördert, morgen zur Rückzahlung verpflichtet wären. In diesen
Fällen weicht die Politik gerne aus und propagiert Umschichtungen.
Auf Deutsch: Kürzungen an anderer Stelle.

Der Vorschlag überzeugt aber auch inhaltlich nicht wirklich.
Erfahrungsgemäß ist das erste Kind das teuerste: Das spricht dafür,
das Kindergeld, wenn überhaupt, vom ersten Kind an zu erhöhen. Nur
mit einem Zuschuss von über 200 Euro je Kind könnte zudem die Lücke
zwischen dem Kindergeldbetrag und der höchsten steuerlichen
Entlastung durch Kinderfreibeträge geschlossen werden. Denn es sind
nur die Eltern mit höheren Einkommen - 63 000 Euro und mehr pro Jahr
-, die von den Freibeträgen profitieren. Zudem hätte von der Leyens
Idee, ab dem dritten Kind kräftig draufzusatteln, zur Folge, dass
eine einfache Arbeiterfamilie mit zwei Kindern, relativ betrachtet,
schlechter gestellt würde als eine ohnehin wohlhabende Familie mit
drei Kindern. Ist das gerecht?

Es gäbe andere Möglichkeiten, die Armut von und an Kindern zu
bekämpfen. Die Väter-Monate aufwerten, die Arbeitschancen von Frauen
gezielt fördern, mehr Betreuungsplätze schaffen. Kurzum: die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf konsequent verbessern. Das kostet
Geld. Im Gegenzug also ran ans Ehegattensplitting, einem Relikt aus
einer anderen Zeit.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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