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LVZ: Fataler Aktionismus

Geschrieben am 22-04-2008

Leipzig (ots) - Von Ellen Großhans
Sie werfen mit Steinen, zerbrechen Windschutzscheiben und blockieren
Straßen und Stromzufuhr: Seit Wochen gehen Menschen weltweit gegen
hohe Lebensmittelpreise auf die Straße. In Burkina Faso, Bangladesch
oder Haiti fühlt sich die arme Stadtbevölkerung in ihrer Existenz
bedroht, weil Essen für sie kaum mehr bezahlbar ist.
Allein diese verheerende Situation hätte aber kaum genügt, um
deutsche Politiker aus ihrem Tiefschlaf zu reißen. Weil aber auch bei
den Deutschen ein Loch im Geldbeutel gähnt und eine steigende Zahl
von Menschen befürchtet, sich bestimmte Lebensmittel in Zukunft nicht
mehr leisten zu können, reiben sich Seehofer & Co. plötzlich die
Augen. Hurtig werden Arbeitsgruppen gegründet und vermeintlich
einfache Lösungen aus den Schubladen gekramt.
Als wäre das Problem des Hungers auf der Welt praktisch über Nacht
aufgetreten, fordert Landwirtschaftsminister Seehofer unvermittelt
eine Agrarwende, die FDP will fairen Wettbewerb statt
Subventionstropf für die Landwirte und Entwicklungsministerin
Wieczorek-Zeul versucht sich mit einer besonders nachhaltigen
Strategie: Man solle die Biosprit-Produktion doch einfach so lange
einstellen, bis sich die Märkte wieder beruhigt haben, meint
Heidemarie.
Wenn es um Ernährung und Bioenergie geht, sind solche gegenseitigen
schnellen Schuldzuweisungen und der Aktionismus besonders fatal. Ein
Patentrezept gibt es hier nicht, die Entwicklungen sind teilweise
widersprüchlich, unübersichtlich und bedingen sich gegenseitig. So
trägt der mittlerweile in die Kritik geratenen Ausbau der
Biokraftstoffe in den westlichen Wirtschaftsnationen nicht allein
Schuld an der Verknappung und Verteuerung wichtiger Rohstoffe wie
Weizen oder Mais. Subventionen sind zum Erhalt von Arbeitsplätzen
oder der Kulturlandschaft durchaus berechtigt und eine rein nationale
Agrarstrategie hilft nicht im Kampf gegen die weltweite
Lebensmittelkrise.
Hier muss klar zwischen Nothilfen und langfristigen Strategien
getrennt werden. Kurzfristig gilt es, die Millionen von Menschen, die
von Hunger bedroht sind, durch Soforthilfen der Industrieländer zu
unterstützen. Langfristig sollte die Politik über ein differenziertes
Maßnahmenpaket nachdenken, das die Basis für einen faireren, globalen
Handel mit Agrarprodukten schafft.
Dazu zählt eine stärkere Kontrolle der Agrar-Heuschrecken an den
Börsen, der Abbau von EU-Exportsubventionen, die verstärkte Förderung
von kleinbäuerlicher Landwirtschaft und die Überprüfung der
europäischen Biosprit-Ziele. Die Entwicklungsländer müssen
langfristig in die Lage versetzt werden, einen Großteil ihres
Eigenbedarfs zu stellen und sich selbst zu ernähren. Eine höhere
Nahrungsmittelproduktion in Europa à la Seehofer nützt den von der
Ernährungskrise gebeutelten Ländern überhaupt nichts.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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