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Deutsche Umwelthilfe fordert Moratorium für Müllimporte nach Sachsen

Geschrieben am 03-04-2008

Berlin (ots) - Dresdner Umweltminister Roland Wöller (CDU)
verweigert Aufklärung über Abfallströme und gefährliche Stoffe -
Verbleib der aus Italien zur Müllerverarbeitung in Cröbern
importierten Abfälle wird nicht kontrolliert - Unabhängige Gutachter
sollen angebliche Zwischenlager untersuchen - Behandlung gefährlicher
Abfälle in der Verwertungsanlage in Pohritzsch im Zwielicht

Die Müllentsorgung in Sachsen bleibt auch zwei Monate nach dem
Beginn der Diskussion über obskure Abfallströme, unsachgemäße
Zwischenlagerung sowie umwelt- und gesundheitsgefährdende
Staubemissionen im Zwielicht. Die zuständigen Behörden mauern bei der
Aufklärung, verzichten weitgehend auf Kontrollen und gestehen
Missstände nur ein, wenn sie zuvor von Umweltaktivisten, Opposition
oder den Medien zweifelsfrei - zum Beispiel in Form von
Fotodokumentationen - belegt wurden. Darauf hat die Deutsche
Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und gleichzeitig ein
Import-Moratorium für gemischte Siedlungsabfälle aus Italien in
solche Bundesländer gefordert, die eine lückenlose Kontrolle der
Abfallströme und Verwertung solcher Müllimporte nicht nachweisen
können.

"Die regional zuständigen Behörden und das Umweltministerium in
Dresden werfen Nebelkerzen, flüchten sich in Notlügen und schrecken
im Einzelfall auch vor klaren Fehlinformationen nicht zurück",
erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Insbesondere zwei
Fälle aus dem Raum Leipzig Halle beschäftigen derzeit die
Umweltorganisation - die Zustände in der Verwertungsanlage der Firma
S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH in Pohritzsch und die
Abfallströme in und aus der mechanisch-biologischen
Abfallbehandlungsanlage (MBA) in Cröbern.

In der Verwertungsanlage in Pohritzsch wird nach Unterlagen, die
der DUH vorliegen, gefährlicher Müll behandelt, unter anderem Aschen
aus Verbrennungsanlagen und Abfälle, die auch Schwermetalle
beinhalten. Mitarbeiter der DUH hatten im Rahmen einer Besichtigung
der Umgebung der Pohritzscher Abfallbehandlungsanlage im Februar eine
massive Staubbelastung festgestellt. Die Umweltorganisation hat in
der Folge das Regierungspräsidium Leipzig auf die daraus entstehenden
potenziellen Gefahren für die Anwohner hingewiesen und um
einschlägige Probennahme in der Abfallbehandlungsanlage und in ihrer
Umgebung gebeten. Dies wurde vom Regierungspräsidium mit der
Begründung abgelehnt, dass die von der Firma behandelten Materialien
nicht stauben könnten. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der
Fraktion Bündnis90/Die Grünen vom 17. März 2008 behauptete auch der
sächsische Umweltminister Roland Wöller, dass bei Kontrollen in
Pohritzsch "keine auffälligen Staubbelastungen" festgestellt worden
seien und es folglich für eine Staubprobennahme in der Umgebung
"keine Veranlassung" gegeben habe.

Doch diese und weitere zentrale Auskünfte des Regierungspräsidiums
und des Umweltministers sind nachweislich falsch. DUH-Mitarbeiter
konnten die Staubbelastung anhand einer Fotodokumentation belegen,
die die Umweltorganisation am 18. März 2008 an Minister Wöller
sandte, verbunden mit der wiederholten Bitte um Probennahmen vor Ort.
"In Pohritzsch wird problematischer Abfall behandelt, es staubt
nachweislich aus der Anlage in die Umgebung. In einer solchen
Situation, bei der es um mögliche Gefahren für die Anwohner geht,
müssen alle Karten auf den Tisch. Entgegen den Aussagen des
Regierungspräsidiums Leipzig und des Umweltministers zeigen unsere
Aufnahmen klar und deutlich, dass das von der S.D.R Biotec behandelte
Material Staub absondert. Die Verweigerung der zuständigen
Kontrollbehörde, Proben in der Anlage und ihrer Umgebung sowie in der
Kanalisation zu nehmen, ist nicht hinnehmbar", kritisierte Resch. Im
Umweltausschuss des Landtags setzte sich die Aufklärungsblockade am
vergangenen Montag (31. März) fort. Die Ausschussvorsitzende Uta
Windisch (CDU) ließ in der Ausschusssitzung Fragen zur
Abfallbehandlungsanlage in Pohritzsch erst gar nicht zu.

Derweil hält der Import von Hausabfällen aus der italienischen
Müllnotstandsregion Kampanien unvermindert an. In der vorletzten
Woche genehmigte das Regierungspräsidium Dresden die Einfuhr weiterer
35.000 Tonnen gemischter Siedlungsabfälle bis 20. Mai 2008. Im
Genehmigungsbescheid wird als Bedingung vorgegeben, dass die in der
MBA Cröbern sortierte sogenannte heizwertreiche Abfallfraktion
"unverzüglich und ohne Zwischenlagerung einer thermischen Verwertung
zugeführt" werden müsse. "Umweltschutz auf dem Papier reicht aber
nicht", mahnte Resch und bezog sich dabei auf eine Aussage des
sächsischen Umweltministeriums, wonach eine Kontrolle der weiteren
Verwertung der heizwertreichen Fraktion bei der (zu 55 Prozent
kommunalen) Kreiswerke Delitzsch GmbH unüblich sei. Die Kontrolle, so
das Argument des Ministeriums, würde in die Angelegenheiten der
Ausübung von privaten Geschäften eingreifen. "Einem Unternehmen, das
in den vergangenen Monaten nachweislich systematisch gegen
Genehmigungsauflagen verstoßen und statt einer ordnungsgemäßen
Verwertung eine endlagerähnliche Zwischenlagerung praktiziert hat,
einen solchen Persilschein auszustellen, ist inakzeptabel. Wir
fordern einen sofortigen Importstopp von gemischten Siedlungsabfällen
in alle Bundesländer, bis lückenlos geklärt ist, welchen Weg diese
Abfälle und ihre Nachfolgeprodukte in Deutschland nehmen", so Resch.
Seit Juli 2007 können die zuständigen Länderbehörden Importe von
gemischten Siedlungsabfällen auf Basis neuen europäischen und
deutschen Abfallverbringungsrechts ohne Angabe weiterer Gründe
unterbinden.

Bereits Ende Januar hatte die DUH die unhaltbaren Zustände auf
einer von den Kreiswerken Delitzsch betriebenen Deponie im
sächsischen Spröda anhand von Fotos dokumentiert. Dort waren in
großer Zahl ursprünglich "ballierte" aber zwischenzeitlich völlig
zerstörte Ballen mit heizwertreichem Material klar zu sehen. Am Tag
nach der Veröffentlichung hatte das sächsische Umweltministerium
gegenüber Journalisten zunächst bestritten, dass die Bilder überhaupt
von der Deponie in Spröda stammten und darüber hinaus wahrheitswidrig
behauptet, die DUH habe dies eingestanden und die Bilder
zurückgezogen. Die DUH wurde sogar vom Ministerium schriftlich
aufgefordert "den Freistaat Sachsen nicht aus der Ferne zu
diffamieren". Noch am selben Tag forderte jedoch das
Regierungspräsidium Leipzig den sofortigen Abtransport der
beschädigten Ballen aus dem Zwischenlager Spröda und die
anschließende Verwertung. "Wenige Stunden nach der Verbreitung
offensichtlicher Falschinformationen durch das sächsische
Umweltministerium wurde der Abtransport angeblich gar nicht
existierender Abfälle veranlasst", sagte Maria Elander, die
Projektleiterin Kreislaufwirtschaft der DUH. Es schäle sich ein
Muster heraus, wonach in Sachsen nur zugegeben werde, was
zweifelsfrei dokumentarisch belegt sei. Gleichzeitig verzichteten die
Behörden hartnäckig auf Kontrollen, konkreten Hinweisen auf
Missstände werde nicht nachgegangen. Sie würden sogar ohne
Nachprüfung pauschal bestritten.

Die aus Italien zur Behandlung in die MBA in Cröbern verschobenen
gemischten Siedlungsabfälle werden dort gemeinsam mit anderen
Restabfällen verarbeitet. Für die Verwertung der daraus anfallenden
heizwertreichen Fraktion sind die Kreiswerke Delitzsch zuständig. Auf
Anfrage der DUH hat das sächsische Umweltministerium mitgeteilt, dass
diese Abfälle energetisch in verschiedenen Anlagen in Sachsen-Anhalt
verwertet werden und wurden. Nach Auskunft der Kreiswerke wurden im
Jahr 2007 insgesamt 26.986 Tonnen der heizwertreichen Fraktion
energetisch verwertet. Diese Zahl entspricht nach Informationen der
DUH jedoch nicht einmal einem Viertel der mutmaßlich angefallenen
Menge. Der Rest - etwa drei Viertel der 2007 aus Cröbern stammenden
Menge herzwertreicher Fraktion - wurde in die in anderen Deponien
angelegten sogenannten Zwischenlager verbracht. "Bundesländer, die
Müll aus halb Europa nach Sachsen importieren, müssen dann wenigstens
lückenlos belegen, wo und wie die Abfälle schadlos behandelt und
verwertet werden. Alles andere ist unzumutbar für Anwohner und
Bürger", schloss Elander.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe e.V., Bundesgeschäftsführer,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3 64 91 70,
E-Mail: resch@duh.de

Maria Elander, Deutsche Umwelthilfe e.V., Projektleiterin
Kreislaufwirtschaft, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin,
Tel.: 030 24 00 867-41, Fax: 030 24 00 867-19,
Mobil: 0160 533 73 76, E-Mail: elander@duh.de

Gerd Rosenkranz, Deutsche Umwelthilfe e.V., Leiter Politik&Presse,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 566 05 77,
E-Mail: rosenkranz@duh.de


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