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WAZ: Skandal bei der Vestischen Arbeit. Ein Revisionsbericht offenbart Schlamperei und mutmaßlichen Betrug bei der Vestischen Arbeitsagentur

Geschrieben am 21-02-2008

Essen (ots) - Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat bei der
Überprüfung der "Vestischen Arbeit" festgestellt, dass zwei von drei
Hartz-IV-Fällen nicht korrekt bearbeitet wurden. In 66,5 Prozent
aller Ende 2006 geprüften Vorgänge fanden die Revisoren fehlerhafte
Rechtsanwendungen, Rechen- und Übertragungsfehler oder fehlende
Dokumentationen. Zudem waren 60,8 Prozent der vorgelegten
Eingliederungsvereinbarungen fehlerhaft. Dies berichtet die in Essen
erscheinende Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) in ihrer
Donnerstag-Ausgabe.
Mit diesem Ergebnis stehe die Behörde im Vergleich zu weiteren
sieben bundesweit geprüften Sozialbehörden (ARGE) noch
vergleichsweise gut da, heißt es in dem Bericht: Ihre
Fehlerhäufigkeit lag noch höher. Das geht aus dem vertraulichen
Abschlussbericht der Innenrevision der BA hervor. Und auch ein
vermuteter Interessenkonflikt des Geschäftsführers der Vestischen
Arbeit wird darin beleuchtet.
Denn Geschäftsführer Ulrich Lammers (48) war nicht nur ab 2004
Leiter der Hartz-IV-Behörde, sondern stand bis August 2007 als
Geschäftsführer des Städtischen Altenheims Grullbad im Dienste der
Stadt Recklinghausen. Und die spielt eine ganz besondere Rolle:
Lammers war als leitender Beamter des Sozialamtes der Stadt Ende 2004
per Abordnung zum Chef der neuen, kreisweit arbeitenden Behörde
gemacht worden. Eine Folge: Die Stadt Recklinghausen erhielt deutlich
mehr Ein-Euro-Jobber als die übrigen neun kreisangehörigen Städte.
Ein Umstand, der auch den Sozialausschuss des Kreistages hellhörig
werden ließ.
Denn seine Doppelfunktion nutzte das CDU-Mitglied dazu, um bis zu 40
Ein-Euro-Jobber im Städtischen Altenheim arbeiten zu lassen. Es kam
zur Kündigung von Stammpersonal - darunter war auch der
Betriebsratsvorsitzende. Ein-Euro-Jobber übernahmen Tätigkeiten im
Pflegebereich, im sozialen Dienst und im haustechnischen Dienst.
PDS-Kreistagsmitglied Detlef Beyer-Peters bezifferte den
Wettbewerbsvorteil für das Altenheim auf rund 400 000 Euro jährlich.
Die sozialpolitische Sprecherin der SPD im Kreistag, Brigitte
Puschadel, hatte Ulrich Lammers zur Klärung der Vorwürfe im
Sozialausschuss befragen wollen. Doch Lammers kam nicht. Stattdessen
musste sein Vertreter ran. Und dieser präsentierte deutliche Zahlen:
Von 272 Ein-Euro-Jobbern, die Ende 2006 in den 57 Altenheimen im
Kreis Recklinghausen beschäftigt wurden, arbeiteten 156 in
Recklinghausen. Allein 40 davon im städtischen Altenheim Grullbad.
Vom gesetzlich angestrebten Ziel der Qualifizierung der
Langzeitarbeitslosen war das Städtische Altenheim laut Prüfbericht
Mitte 2005 meilenweit entfernt: Das Konzept für eine sechs Monate
laufende Maßnahme kam Monate zu spät, eine fachliche Anleiterin wurde
erst drei Monate nach Projektbeginn eingestellt.
Nicht nur dies ließ die Staatsanwaltschaft Bochum - sie ermittelt
gegen Ulrich Lammers und drei weitere Beschuldigte wegen des
Verdachts der Untreue - aufhorchen, sondern auch der Umstand, dass
die BA bei ihrer Revision noch mehr herausfand: Die Stadt
Recklinghausen erhielt von der Vestischen Arbeit volle
Kostenpauschalen für nicht besetzte Teilnehmerplätze beim städtischen
Entsorgungsbetrieb.
Schlamperei oder Absicht? Diese Frage stellt sich bei festgestellten
Unregelmäßigkeiten in der Vestischen Arbeit: In 83,3 Prozent der
überprüften Trainingsmaßnahmen wurden keine Teilnahmebeurteilungen
erstellt. Und in 85 Prozent der Fälle wurde von der Vestischen Arbeit
kein Ergebnisbericht angemahnt, heißt es weiter. Diese seien aber
wichtig für die weitere "Integrationsweg-Planung".
Landrat Jochen Welt (SPD) hatte aufgrund des vermuteten
Interessenkonfliktes des Geschäftsführers den Recklinghäuser
Bürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU) aufgefordert, die Situation
zu bereinigen und den Doppel-Geschäftsführer vom Amt des
Altenheim-Chefs zu entbinden. Die Stadt reagierte nicht.
Und auch Lammers weigerte sich gegenüber dem Kreis Recklinghausen,
den mit 500 Euro monatlich dotierten Nebenjob aufzugeben. Dabei hatte
er zu Beginn seiner Tätigkeit im Jahre 2004 eine Selbstverpflichtung
unterschrieben, die Funktion als Altenheim-Geschäftsführer
aufzugeben.
Für Astrid Neese, Leiterin der Agentur für Arbeit in Recklinghausen
ist der Fall klar: Angesichts der bekannten Fakten sei der
Geschäftsführer - unabhängig vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens -
nicht mehr im Amt zu halten.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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