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Westfalenpost: Kleine Sünderlein und große Fische

Geschrieben am 17-02-2008

Hagen (ots) - Legale und illegale Steuerspar-Modelle
Von Bodo Zapp
Der Besuch von Liechtensteins Regierungschef am Mittwoch in Berlin
wäre den Medien unter normalen Umständen eine Randnotiz wert gewesen,
bestenfalls. Inzwischen wissen wir: Normal im Sinne von "alles in
Ordnung" ist in der Skandalsache Liechtenstein nichts. Für viele,
allzu viele, ist es das gelobte Land des Steuerverstecks.
Der Fürstenfamilie gehört die Bank, die sich gerne als erste Adresse
für Tarnung und finanzielle Betrugsmanöver empfiehlt. Sie hat
hervorragende Anwälte, auch in Deutschland, die solche - aus ihrer
Sicht - "Fehlinterpretationen" des Geschäftsgebahrens aufs Schärfste
verurteilen. Jegliche Unterstützung bei Steuerfahndungen wird jedoch
nach wie vor strikt abgelehnt. Einhaltung des Steuergeheimnisses ist
oberstes Gebot in Liechtenstein. Wie es scheint, noch vor den zehn
Geboten.
Respekt!
Dass es deutschen Behörden jetzt offenbar gelungen ist, diese
Finanzfestung zu knacken: Respekt! Wie es genau gelaufen ist mit der
Enttarnungs-CD, dem Bundesnachrichtendienst und den Millionen für den
Informanten/Verräter, spielt eigentlich eine Nebenrolle. Wichtig ist:
Der Staat hat das Gesetz des Handelns in dem Krimi übernommen, an
dessen Drehbuch das Kanzleramt und der Finanzminister mitgeschrieben
haben.
Die Regie führende Staatsanwaltschaft Bochum hat mit der Festnahme
von Postchef Zumwinkel ein Signal gesetzt, dem ab heute noch viele
Paukenschläge folgen werden. Die Diskussion über die Moral der Elite
geht tief, weit über Urteile und Vorurteile gegenüber den Lenkern in
den Top-Etagen der Wirtschaft hinaus. Prominente Sportler,
Showgrößen, Mittelständler - allen, die finanziell aus dem Groben
heraus sind, wird jetzt fast alles zugetraut.
Schon ist vom Volkssport Steuerhinterziehung die Rede, was den
Betrugsnagel nicht auf den Kopf trifft. Es ist schon noch ein
Unterschied, ob jemand bei der Kilometerpauschale die Steuerwahrheit
etwas verbiegen will, oder ob in großem Stil Geld am Finanzamt vorbei
verschoben wird. Von denjenigen, die als Führungskräfte
Vorbildfunktion haben sollten, die auch gerne mit dem Finger auf
Hartz IV-Betrüger zeigen. Da kommt etwas ins Rollen, was einerseits
für mehr reine Luft sorgt, andererseits in der verallgemeinernden
Misstrauenshaltung der Gesellschaft nicht gut tut.
Warum tun die das? Kennt Gier keine Grenzen? Es ist wohl auch ein
Stück Missverständnis über die eigene Position dabei. Wer wegen
seiner Stellung in der Gesellschaft hoffiert wird, wer auf
Einladungslisten obenan steht, wer selbstverständlich in der ersten
Reihe sitzt und seinen Einsatz vom Staat mit Orden belohnt sieht, der
läuft Gefahr, sich über den Regeln stehend zu sehen.
16-Stunden-Arbeitszeit, Verantwortung für viele Arbeitsplätze - und
da soll man sich steuerlich wie Hinz und Kunz behandeln lassen?
Ob Herr Unternehmenschef, der die großen privaten Geldgeschäfte
seinen Beratern anvertraut, oder Herr Neureich, der Schwarzgeld
selbst nach Liechtenstein schafft: Keiner darf sagen, er habe das
Verbotene seines Versteckspiels nicht geahnt. Man kann die
Mitnahme-Mentalität verwerflich nennen: Einen funktionierenden Staat
mit intakten Straßen und guten Schulen wollen alle, nur beim Bezahlen
wollen sie sich drücken.
Keine Verwunderung
Dass der eine oder die andere dabei über Einkommen von Politikern
mitleidig lächelt, von Staatsanwalt-Gehältern ganz zu schweigen, darf
angenommen werden. Und ebenso, dass die Fahnder keinen Grund für den
Gebrauch von Samthandschuhen sehen.
Völlige Verwunderung über illegale Finanzgeschäfte ist fehl am
Platze. Ein Land, in dem komplizierte Firmenkonstruktionen aus
Gründen der Steuerersparnis gang und gäbe sind, in dem Kanzleien mit
der Ausfindung aller Schleichwege beschäftigt sind und als dumm gilt,
wer die Geld-Fluchtmöglichkeiten nicht nutzt, hält sich die
Überraschung in Grenzen. Jetzt neue, einfachere Steuergesetze zu
fordern, ist in der Sache nicht ganz falsch. Erst aber gilt es, die
Sünder zu fassen und zu bestrafen.

Originaltext: Westfalenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/58966
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Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160


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