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LVZ: zu Regierungskrise in Italien Italiens Niedergang

Geschrieben am 25-01-2008

Leipzig (ots) - Von Dominik Straub
Blickt man über die Alpen, kommt man unweigerlich ins Grübeln: Nur
noch schlechte Nachrichten von Radio Italia. Die Abfallberge, die
seit Wochen in Neapels Straßen verrotten. Die marode Alitalia, die
von Air France-KLM vor dem sicheren Konkurs gerettet werden muss. Die
Millionen Briefe, die seit Monaten nicht zugestellt werden und in
einem Post-Verteilzentrum bei Mailand vergammeln. Die Mafia, die mehr
Umsatz macht als Fiat, der größte Industriekonzern des Landes.
Und nun auch noch die Regierungskrise, die wohl das Ende der
politischen Karriere Romano Prodis bedeutet. Der Gestürzte ist
Vertreter einer rar gewordenen Spezies: Jener des gradlinigen,
unkorrumpierbaren italienischen Politikers. Der Sturz des aufrechten
Prodi symbolisiert den Kollaps eines Landes, dessen politische Elite
sich zu lange nur mit sich selbst beschäftigte und die nicht fähig
oder willens war, dem schleichenden Niedergang entgegenzuwirken. Die
Art und Weise, wie Prodi stürzte, ist symptomatisch für die
politische, moralische und kulturelle Krise, in der das System
Italien steckt.
Eigennutz und das Gefühl, über dem Gesetz zu stehen, charakterisieren
das Denken und Handeln großer Teile der politischen Elite. Die
Politik AG ist der größte Arbeitgeber des Landes: 160000
Berufspolitiker - Abgeordnete, Senatoren, Europaparlamentarier,
Regional-, Provinz-, Kreis- und Kommunalräte bedienen sich aus den
Honigtöpfen des Staates und kosten den Steuerzahler jährlich vier
Milliarden Euro - während für die Schulen und Universitäten, also für
Investitionen in die Zukunft, das Geld fehlt. Das System ist
praktisch unreformierbar geworden: Die mit ihren dunkelblauen
Dienstlimousinen allgegenwärtige politische Kaste - egal, welcher
Couleur - ist nicht bereit, freiwillig ihre eigenen Gehälter,
Privilegien und Einflussmöglichkeiten zu kappen.
Die Hoffnung der Italiener, dass nach dem Schmiergeldskandal von 1992
und dem Untergang der diskreditierten Democrazia Cristiana und von
Bettino Craxis Sozialistischer Partei eine neue Generation moderner,
mehr dem Gemeinwohl als ihrem eigenen Portmonee verpflichteter
Politiker in die erste Reihe treten werde, ist enttäuscht worden.
Silvio Berlusconi, der das Land 1994 und dann von 2001 bis 2006 wie
ein privates Unternehmen führte, hat den Eigennutz mit seinen
Gesetzen und Amnestien für Steuer- und Bausünder zur Staatsräson
gemacht. Romano Prodi, der von 1996 bis 1998 und von 2006 bis Januar
2008 jeweils etwas mehr als 600 Tage regierte, ist zweimal bei seinem
Versuch, die Verkrustungen aufzubrechen, am Widerstand der Kaste und
an den inneren Widersprüchen und kleinlichen Streitereien seiner
heterogenen Koalition gescheitert.
Die nächste Sendung von Radio Italiana wird nun wohl unter dem Titel
"Berlusconi III - Die Rückkehr" über den Äther gehen. Offen ist bloß
noch der Sendetermin - ob der Cavaliere schon im April durch
Neuwahlen nach altem Wahlrecht oder einige Monate später unter einem
neuen Gesetz zurück an die Macht gewählt wird. Ob aber ausgerechnet
Berlusconi die dringend benötigte politische Erneuerung und den
moralischen Aufbruch einleiten wird: Daran zweifeln auch die
treuesten Hörer von Radio Italiana.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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