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Gemeinsame Erklärung zum Kinderschutz in Deutschland

Geschrieben am 17-12-2007

Köln (ots) - Die Medienberichterstattung der vergangenen Wochen
und Monate schockierte die Öffentlichkeit immer wieder mit Meldungen
zu Kindesmisshandlungen, Kindesvernachlässigungen mit Todesfolge oder
zu Kindstötungen. So hat zuletzt der Tod von fünf Kindern einer
Familie durch die Hand ihrer Mutter Bestürzung ausgelöst.
Bürger/innen, Medien, Politiker/innen und Verantwortliche in der
Kinder- und Jugendhilfe fragen nach den Ursachen solcher Taten und
suchen nach Wegen, sie künftig zu verhindern. Die starke emotionale
Reaktion auf ein solch schwer fassbares Ereignis und die große
Aufmerksamkeit, die das Thema Kinderschutz aktuell erfährt, sind
nachvollziehbar: Es macht betroffen und muss auch alle betreffen,
wenn Kinder den Schutz, den sie für ihre Entwicklung benötigen, nicht
erfahren. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn intensiv geprüft
wird, was getan werden kann, um den Kinderschutz zu verbessern.

Emotionale Betroffenheit allein ist jedoch ein schlechter
Ratgeber, wenn es darum geht, Kindern in gefährdenden Situationen
Hilfe angedeihen zu lassen. Alle, die in der Kinderschutzarbeit tätig
sind, wissen, dass sie sich eben nicht in erster Linie von ihren
Gefühlen leiten lassen dürfen. Schutz und Hilfe für ein gefährdetes
Kind ist nur möglich, wenn seine Situation und die seiner Familie
kompetent analysiert werden und auf dieser Basis ebenso angemessen
wie konsequent gehandelt wird. Für eine solche fachlich begründete
Kinderschutzarbeit stehen die unterzeichnenden Fachorganisationen.

Die Politik beklagt immer wieder die angeblich steigenden Ausgaben
für die Kinder- und Jugendhilfe. Die tatsächlichen Ausgaben
stagnieren jedoch in den letzten fünf Jahren. Fakt ist, dass die
Herausforderungen und Aufgaben beim Ausbau der
Kindertageseinrichtungen, beim Ausbau familienunterstützender Hilfen
und Angebote, wenn sie von der Kinder- und Jugendhilfe bewältigt
werden sollen, Mehraufwendungen verlangen. Diese Problematik wird
zusätzlich verstärkt durch die Zunahme von Familien in Armutslagen.

Tagtäglich regen Jugendämter bei Familiengerichten im Schnitt in
ca. 30 Fällen Eingriffe in das Sorgerecht an und führen rund 70
Inobhutnahmen durch. Sie beraten und unterstützen Kinder, Mütter und
Väter bei der Bewältigung ihres Alltags, suchen die Familien vor Ort
auf, flankieren deren Erziehung durch Angebote außerhalb des
Elternhauses und gewähren stationäre Hilfen, wenn es zu Hause nicht
mehr geht.

Es kommt beim Kinderschutz vor allem darauf an, möglichst
frühzeitig einen Zugang zu gefährdeten und betroffenen Familien zu
bekommen, sie rechtzeitig zu unterstützen und ihnen einen Weg aus
einer für sie aussichtslos erscheinenden Lage zu bahnen. Die
Statistiken zeigen, dass dies der Kinder- und Jugendhilfe zunehmend
gelingt. Die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen, dass sich
die Zahl der Kinder mit "Anzeichen für Kindesmisshandlung" in den
Erziehungs- und Familienberatungsstellen sowie Kinderschutz-Zentren
in Deutschland seit 1993 mehr als verdoppelt hat (plus 114 %): Im
vergangenen Jahr wurden 4.980 Kinder in solchen
Gefährdungssituationen in den Beratungsstellen vorgestellt. Ebenso
ist ein Anstieg bei den Hilfen zur Erziehung zu verzeichnen. Konnten
2002 noch 111.486 Neufälle gezählt werden, waren es 2006 bereits
125.037 (plus 12 %). Der Anstieg ist deshalb ein erstes positives
Signal, weil die Kinder- und Jugendhilfe in der Regel - bis auf
wenige Ausnahmen - nur gemeinsam mit den Eltern etwas für die Kinder
erreichen kann und nicht gegen sie. Je mehr Mütter und Väter den
Eindruck gewinnen, dass sie "überwacht" werden, desto weniger sind
sie bereit, Unterstützung anzunehmen und desto eher entwickeln sie
Strategien, um Kontrollen zu entgehen. Damit erhöht sich das
Gefährdungsrisiko von Kindern. Dies ist ein folgenschwerer Kreislauf,
der durchbrochen werden muss.

Pauschale Verurteilungen der Kinder- und Jugendhilfe und
namentlich der Jugendämter sind nicht hilfreich für die gemeinsame
Arbeit für einen verbesserten Kinderschutz.

Die unterzeichnenden Fachorganisationen appellieren an die
Verantwortlichen in der Politik, an die Bundeskanzlerin und an die
Ministerpräsidenten, die am 19. Dezember 2007 die Lage des
Kinderschutzes in Deutschland erörtern wollen, und an alle anderen,
die Verantwortung tragen, die Erkenntnisse der Fachwelt in die
Beratungen einzubeziehen. Wir mahnen Besonnenheit an. Es darf in
Deutschland kein Klima entstehen, das die Arbeit des Kinderschutzes
erschwert.

Die Konkretisierungen zum Kinderschutz, die im Jahr 2005 mit § 8a
SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) geschaffen wurden,
haben sich bewährt. Sie müssen fachlich weiter entwickelt werden. Aus
unserer Sicht besteht der Handlungsbedarf beim Kinderschutz derzeit
nicht auf der Ebene neuer bundesrechtlicher Vorschriften, sondern in
der praktischen Implementierung - also auch der Finanzierung - von
mit dem Gesundheitssystem vernetzten frühen Hilfen. Flankierend
müssen der beabsichtigte Ausbau der Kindertageseinrichtungen zügig
umgesetzt und die bestehenden Angebote der Kinder- und Jugendhilfe
für die Zielgruppen besser sichtbar und erreichbar werden.

Der intensive Qualifizierungsprozess, dem sich die Kinder- und
Jugendhilfe seit einigen Jahren stellt, um die Zugänge zu gefährdeten
Kindern und ihren Familien weiter zu verbessern und zugleich
fundierter einzuschätzen, wann bei Gefährdung des Kindeswohls auch
gegen den Willen der Eltern gehandelt werden muss, bedarf
kontinuierlicher Fortsetzung. Wir brauchen eine wirksamere Vernetzung
von Jugend- und Gesundheitshilfe und aussagekräftige Forschung. Wir
unterstützen das Anliegen der Bundeskanzlerin, Nachbarn und
Angehörige zu aktivieren, Signale von Gefährdungen ernst zu nehmen,
mit den Eltern über ihre Sorge zu sprechen oder ihre Wahrnehmungen
dem Jugendamt mitzuteilen. Familien in Not müssen bestärkt werden,
bei Fachstellen die benötigte Unterstützung anzunehmen.

Dass Medien und Öffentlichkeit nach Konsequenzen rufen, ist
berechtigt. Daraus darf jedoch kein gesetzgeberischer Aktionismus
resultieren. Im Mittelpunkt sollte nicht der gefühlte, sondern muss
der tatsächliche Schutz von Kindern stehen. Wichtiger als neue
Vorschriften sind konkrete Hilfen für Kinder, Mütter und Väter in
schwierigen Lebenssituationen. Hier ist Vieles durch die öffentliche
Debatte angestoßen worden.

Originaltext: Kinderschutz-Zentren
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/19999
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_19999.rss2

Pressekontakt:
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V.
Ansprechpartner: Klaus Menne, Geschäftsführer
Tel: 0911/9 77 14 - 0
Internet: www.bke.de

Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband
Ansprechpartner: Norbert Struck, Jugendhilfereferent
Tel.: 030/24636-0
Internet: www.paritaet.org

Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V.
Ansprechpartner: Hanne Stürtz, Geschäftsführerin
Tel.: 0 62 21/98 18-0
Internet: www.dijuf.de

Deutsches Jugendinstitut e.V.
Ansprechpartner: Andrea Macion, Referat für Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 089/62306-218
Internet: www.dji.de

Die Kinderschutz-Zentren
Ansprechpartner: Arthur Kröhnert, Bundesgeschäftsführer
Tel.: 0221-56975-3
Internet: www.kinderschutz-zentren.org

Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen
Ansprechpartner: Josef Koch, Geschäftsführer
Tel.: 069-633 986-0
Internet: www.igfh.de


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