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LVZ: zur Russland-Wahl Angst vor Russland?

Geschrieben am 03-12-2007

Leipzig (ots) - Von Kostas Kipuros
Wenn es stimmt, dass sich Geschichte zwei Mal ereignet - einmal als
Tragödie, das zweite Mal als Farce - dann hat Russland mit der
Duma-Wahl eine klassische Farce erlebt. Die Ähnlichkeiten mit den
Zeiten des längst beerdigt geglaubten sowjetischen Systems sind in
der Tat frappierend: keine Opposition, Unregelmäßigkeiten beim
Urnengang, staatlich kontrollierte Medien und die Allmacht einer
einzigen Partei. Doch Vorsicht vor voreiligen Schlüssen. Auch mit der
Duma-Wahl droht kein Rückfall Russlands in die Vergangenheit.
Die Linientreue der Wähler ist ehrlicher gemeint als etwa zu
Breschnews Zeiten. Putin genießt durchaus Popularität - weil er aus
der sowjetischen Konkursmasse einen Staat geformt hat, der einem
inzwischen beachtlichen Teil seiner Bürger einen akzeptablen Standard
beschert - und weil Russland unter der Ägide des Kremlchefs wieder zu
einem internationalen Akteur geworden ist. Auch das haben die Wähler
in Erinnerung an den Jelzinschen Ausverkauf nationaler Interessen
honoriert. Vor allem aber wirtschaftlich hat Putins Russland so wenig
mit der Sowjetunion zu tun wie Chinas Kommunisten mit Marx und
Engels. In beiden Fällen tobt sich unter einer pseudo-historischen
Fassade ungehemmter Turbokapitalismus aus, zu dem Russland auch durch
die Auflagen der Welthandelsorganistion getrieben wird. Kurz:
Russland ist heute eine Marktwirtschaft mit autoritären Zügen. Das
ist zweifellos - sowohl was die fehlende soziale Komponente als auch
unterdrückte demokratische Normen betrifft - weit von wünschenswerten
Zuständen entfernt. Aber muss deswegen die Welt in Angst vor Russland
leben?
Gewiss: Der Westen wird sich auf eine selbstbewusster auftretende
Politik einzustellen haben. Darauf deutet bereits die Suspendierung
des KSE-Kontrollrüstungsvertrages nach dem westlichen Nein zu einer
Neuverhandlung sowie die Weigerung Moskaus hin, den US-Raketenschirm
in Europa hinzunehmen. Auch die russische Energiepolitik wird in
Zukunft weitaus stärker an nationalen Interessen ausgerichtet. Daraus
ist Russland jedoch kaum der Vorwurf von Unberechenbarkeit zu machen.
Denn erstaunlich ist nicht die Formulierung russischer Interessen,
erstaunlich ist vielmehr, wie widerspruchslos die dramatischen
geostrategischen Umbrüche der letzten Jahre von Moskau hingenommen
worden sind.
Die Rückkehr zur interessengeleiteten Außenpolitik macht den Umgang
mit Russland sicher nicht bequemer, aber deswegen nicht unmöglich.
Europäische Außenpolitik sollte vor allem in Rechnung stellen, dass
Russland in Zukunft vor allem einen Trumpf ausspielen wird: die
Fähigkeit zur politischen, militärischen und energiepolitischen
Autarkie. Damit verringern sich zwar Möglichkeiten einer
Einflussnahme von Außen. Aber zugleich bremst es imperiale
Ambitionen. Denn interessengeleitete Politik heißt auch Verzicht auf
neo-imperialistische Experimente. Anders als sowjetischer
Expansionismus, der politisch begründet war, wird sich Moskau vor
allem auf eigene Ressourcensicherung und Selbstschutz orientieren.
Das macht Partnerschaft möglich. Es muss ja nicht gleich Freundschaft
sein.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
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Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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