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Patentarzneimittel: Hohe Gewinnspannen der Pharmaunternehmen bei geringem Beitrag zur Versorgung / WIdO veröffentlicht Bericht zur Entwicklung des GKV-Arzneimittelmarktes 2019

Geschrieben am 16-07-2020

Berlin (ots) - Die Kosten der patentgeschützten Arzneimittel haben 2019 mit 21,0 Milliarden Euro erneut einen Höchststand erreicht. Damit entfallen nahezu die Hälfte der GKV-Arzneimittelkosten in Höhe von 43,9 Milliarden Euro auf diese Arzneimittel, die gleichzeitig aber nur 6,5 Prozent der Versorgung abdecken. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zum GKV-Arzneimittelmarkt 2019 hervor, der heute veröffentlicht worden ist. Die Entwicklung hin zu immer teureren Patentarzneimitteln, mit denen immer weniger Patientinnen und Patienten versorgt werden, geht mit konstant hohen Gewinnmargen der international agierenden Pharmafirmen einher: Die Gewinnmargen der umsatzstärksten Unternehmen erreichten 2019 weltweit im Schnitt 24,7 Prozent und nahmen damit im Ranking der Branchen den Spitzenplatz ein. "Die hohen Preise für patentgeschützte Arzneimittel ermöglichen der Pharmaindustrie hohe Gewinne auf Kosten der Beitragszahlenden. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird die Entwicklung der Preise für die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft noch bedrohlicher", sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Im Jahr 2019 lagen die gesamten Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei 249,3 Milliarden Euro und damit nach der amtlichen Ausgabenstatistik um 5,6 % über den Ausgaben des Vorjahres. Die Arzneimittelausgaben waren mit einem Anteil von 16,1 Prozent an den Gesamtausgaben der drittgrößte Ausgabenposten für die gesetzlichen Krankenkassen. Die Nettokosten des GKV-Arzneimittelmarktes sind 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 6,0 Prozent gestiegen und erreichten einen Wert von 43,9 Milliarden Euro. Wie in den Vorjahren ist dafür insbesondere der Trend zu hochpreisigen Arzneimitteln verantwortlich. Einen vergleichsweise geringen Einfluss hat dagegen die Anzahl der Verordnungen, die nur geringfügig angestiegen ist (1,1 Prozent). Eine Verordnung hat damit im Jahr 2019 durchschnittlich 63,55 Euro gekostet. Das waren 4,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

Konzentrationstendenzen im Arzneimittelmarkt: Immer mehr Geld für immer weniger Versorgung

Während die durchschnittliche Verordnung für ein Generikum 2019 33,92 Euro kostete, mussten für patentgeschützte Arzneimittel im Mittel 471,50 Euro an Nettokosten ausgegeben werden. Und auch in den Gesamtkosten spielt der Patentmarkt eine gewichtige Rolle. So lagen die Nettokosten für patentgeschützte Arzneimittel 2019 bei 21,0 Milliarden Euro, was einem Anteil von 47,8 Prozent am Gesamtmarkt entspricht. Dem gegenüber steht ein Verordnungsanteil nach Tagesdosen (absolut 2,9 Milliarden) von gerade einmal 6,5 Prozent. Dabei ist der Versorgungsanteil gesunken, und die Umsatzanteile sind gestiegen: Vor zehn Jahren konnten mit patengeschützten Arzneimitteln immerhin noch 11,8 Prozent der Tagesdosen mit 43,8 Prozent der Nettokosten erreicht werden. "Im patentgeschützten Markt werden immer höhere Preise für Arzneimittel zur Versorgung von immer weniger Patientinnen und Patienten aufgerufen. Diese Marktentwicklung ist besorgniserregend", so Schröder.

Gewinnmargen der Pharmaunternehmen weiterhin hoch

Die geringen und stetig sinkenden Verordnungsanteile bei hohen und weiter steigenden Kostenanteilen gehen mit außergewöhnlich hohen Gewinnmargen der international agierenden Pharmabranche einher. Die Top 21-Pharmaunternehmen der Welt legten im vergangenen Jahr noch einmal zu: Sie steigerten ihr operatives Ergebnis (EBIT, earnings before interest and taxes) im Vergleich zum Vorjahr und erreichten EBIT-Margen von im Schnitt 24,7 Prozent. Bereits 2018 war die gesamte Pharmabranche mit durchschnittlich 21,0 Prozent hoch rentabel. Sie übertraf damit nach Angaben von Ernst & Young selbst die Branchen der Telekommunikation und der Informationstechnologie, die 2018 EBIT-Margen von jeweils 14,0 Prozent verzeichneten.

Die 21 umsatzstärksten Pharmaunternehmen erreichen in Deutschland zusammen Nettokosten von knapp 20 Milliarden Euro zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Trotz ihres Anteils von 45,4 Prozent an den Kosten stellten sie aber nur 11,6 Prozent der Versorgung sicher. Die hohen Gewinne waren nicht zuletzt auf die drei umsatzstärksten Arzneimittel des Jahres 2019 zurückzuführen: Die Nettokosten der drei Blockbuster Eliquis (840 Millionen Euro), Xarelto (761 Millionen Euro) und Humira (697 Millionen Euro) erreichen einen Anteil an den Gesamtkosten für Arzneimittel von 5,2 Prozent bei einem Versorgungsanteil von 1,1 Prozent.

Arzneimittelpreise weiter im Steigflug

"Vor fünf Jahren hat die Einführung der "1.000-Dollar-Pille" Sovaldi zur Behandlung von Hepatitis C mit einem Packungspreis von knapp 20.000 Euro noch Empörung ausgelöst. Mittlerweile sind sogar sechsstellige Arzneimittelpreise für Neueinführungen an der Tagesordnung", berichtet Schröder. In diesem Jahr kommen erstmals Arzneimittel mit Packungspreisen jenseits der Millionengrenze auf den deutschen Markt. Diese lassen die durchschnittlichen Packungspreise für Neueinführungen im Patentmarkt nochmals deutlich ansteigen. Die Neueinführungen der vergangenen drei Jahre kosteten im Mai 2020 im Mittel mehr als 27.000 EUR je Packung. Die Spitzenplätze der teuersten Arzneimittel werden aktuell von zwei Medikamenten belegt: Das Arzneimittel Zynteglo zur Behandlung einer seltenen Form von Blutarmut betrat im Mai 2020 mit einem Preis von 1,575 Millionen Euro pro Packung den Markt und sorgte beinahe für eine Verdoppelung des durchschnittlichen Packungspreises. Mit Zolgensma zur Behandlung der Spinalen Muskelatrophie ist seit Juli 2020 nun das teuerste Arzneimittel der Welt mit einem Preis von 1,945 Millionen Euro pro Packung in Deutschland am Start.

"Es sind unter anderem diese hohen Preise, die der Pharmaindustrie ihre hohen Gewinne ermöglichen. Bezahlen muss sie die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten. Der Gesetzgeber sollte angesichts der aktuellen Preisgestaltung der Pharmaindustrie im Patentsegment darüber nachdenken, wie Arzneimittel auch künftig für alle bezahlbar bleiben können", so Schröder.

Aktueller Bericht mit Daten, Analysen und Bewertungen

Der neue, mehr als 100-seitige Bericht zum GKV-Arzneimittelmarkt 2019 steht seit heute zum kostenlosen Download auf der Homepage des WIdO zur Verfügung. Er gibt einen umfangreichen Einblick in das Verordnungsgeschehen und beleuchtet die Hintergründe der aktuellen Entwicklungen. Neben dem Geschehen im Gesamtmarkt werden die zentralen Marktsegmente der Patentarzneimittel, Biologika und Biosimilars sowie der Orphan Drugs differenziert dargestellt. Auch die Liefersicherheit von Arzneimitteln, die Auswirkungen der Arzneimittelrabattverträge, die Zusammensetzung der Distributionskosten und die Marktdaten pharmazeutischer Hersteller werden dargestellt.

Der Bericht wird ergänzt durch umfangreiches statistisches Material zum Arzneimittelmarkt 2019. Es umfasst unter anderem detaillierte Ergebnisse der Komponentenzerlegung des Umsatzes, mit deren Hilfe die Bewegungen im Arzneimittelmarkt 2019 analysiert werden können. Dazu kommen Übersichten über Arzneiverordnungen nach Facharztgruppen sowie nach Altersgruppen und Geschlecht der Versicherten, die einen differenzierten Einblick in das Verordnungsgeschehen des Jahres 2019 geben. Darüber hinaus werden die methodische Herangehensweise und die verschiedenen Klassifikationen erläutert.

Melanie Schröder, Jonas Lohmüller, Carsten Telschow, Katja Niepraschk-von Dollen, Anette Zawinell, Jana Bauckmann: Der GKV-Arzneimittelmarkt. Bericht 2020

Weblink: http://ots.de/uBNzHY

Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO): Der GKV-Arzneimittelmarkt. Klassifikationen, Methodik und Ergebnisse 2020

Weblink: http://ots.de/r5wcA2

Flexible Analysemöglichkeiten:

Mit dem PharMaAnalyst des WIdO werden flexible Analysen über die verordnungs- und umsatzstärksten Arzneimittel sowie Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen der Jahre 2016 bis 2019 ermöglicht. Die Verordnungsdaten aller GKV-Versicherten bereitet das WIdO unter anderem für den Arzneiverordnungs-Report qualitätsgesichert auf. https://arzneimittel.wido.de/PharMaAnalyst

Mehr Infos unter https://www.wido.de/ .

Pressekontakt:

Wissenschaftliches Institut der AOK
Pressestelle
Peter Willenborg
Telefon: 030 34646 2467
Mobil: 0173 / 8607866
E-Mail: presse@wido.bv.aok.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/32063/4653656
OTS: Wissenschaftliches Institut der AOK

Original-Content von: Wissenschaftliches Institut der AOK, übermittelt durch news aktuell


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