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Waterloo / Kommentar zur Insolvenz von Wirecard von Stefan Kroneck

Geschrieben am 25-06-2020

Frankfurt (ots) - "Sauve qui peut", hieß es 1815 auf französischer Seite nach Napoleons verlorener Entscheidungsschlacht. Waterloo ist der Inbegriff der absoluten Niederlage. Das trifft auf Wirecard zu. Den Aktionären droht bei einer Pleite ein Totalverlust. Die 1999 gestartete Firma, die sich anschickte, die Finanzdienstleistungsbranche aufzumischen, ist nach einem Kurssturz faktisch kaum noch etwas wert. Zur Erinnerung: Wirecard brachte am Markt mal 24 Mrd. Euro auf die Waage - mehr als die Deutsche Bank und die Commerzbank zusammen.

"Rette sich, wer kann", lautet nun das Motto infolge des Insolvenzverfahrens des unter einem mutmaßlichen Bilanzbetrug und einem irreparablen Reputations- und Glaubwürdigkeitsschaden zusammengebrochenen Zahlungsabwicklers. Die Gelackmeierten sind vor allem die rund 5.800 Mitarbeiter, die womöglich ihre Arbeitsplätze verlieren werden. Payment-Großkunden wie Aldi können ohne größeren Schaden auf Wettbewerber umsatteln. Dumm gelaufen ist es für jene Institute wie die beiden Frankfurter Großbanken, die als Kreditgläubiger ihre Forderungen abschreiben müssen.

Für den Standort Deutschland ist die Causa kein Ruhmesblatt. Bei Wirecard handelt es sich um den ersten Untergang eines Dax-Mitglieds. Nicht mal ganze zwei Jahre nach dem Aufstieg in die deutsche Börsenoberliga steht die Firma, die seinerzeit die Commerzbank abgelöst hatte, vor dem Aus. Die größte EU-Volkswirtschaft, die es als eines der wenigen Industrieländer schaffen könnte, mit einem großen blauen Auge aus der Coronakrise herauszukommen, hat sich mit dem Kriminalfall des Fintechs mit Sitz in Aschheim bei München lächerlich gemacht.

Das Desaster ist zu einem Politikum avanciert. Auf der Suche nach Mitschuldigen wackelt auch der Stuhl von BaFin-Präsident Felix Hufeld. Dabei war es der Gesetzgeber selbst, der die Zuständigkeit der Finanzaufsicht auf die Banktochter begrenzte, gilt doch der Konzern als Technologieunternehmen. Wirecard fällt somit in den Zuständigkeitsbereich des Regierungsbezirks Oberbayern im weiß-blauen Freistaat.

Die ins Visier der Strafermittler geratenen Personen, darunter Ex-Vorstandschef Markus Braun, werden sich vor Gericht verantworten müssen. Es ist zu hoffen, dass die Verfahren mehr Licht in die dubiosen Machenschaften bringen, nachdem die Finanzaufsicht dies nicht konnte. Aber auch mit einer erweiterten Kompetenz hätte die Überwachungsbehörde die Missstände womöglich nicht verhindern können. Denn wo vorsätzlich getrickst wird, fällt es schwer, rechtzeitig gegenzusteuern.

(Börsen-Zeitung, 26.06.2020)

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