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Gekaufter Applaus: Datenleck zeigt Ausmaß manipulierter "Gefällt mir"-Angaben in sozialen Netzwerken

Geschrieben am 18-12-2019

Hamburg (ots) - Knapp 90.000 Fanseiten in sozialen Netzwerken haben von
bezahlten "Gefällt mir"-Angaben profitiert. Das geht aus einem Datensatz hervor,
den NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung gemeinsam ausgewertet haben. Betroffen sind
demnach die Seiten von Politikern, Parteien, Unternehmen und Prominenten bei
Facebook, Instagram, Google und Youtube. Aus dem Datensatz geht jedoch nicht
hervor, wie viele Likes gekauft wurden und wer das getan hat - ob die
Seiteninhaber selbst oder Dritte.

Der Auswertung zufolge profitierten Politiker und Verbände aller politischen
Parteien von manipulierten Likes: die FDP 17 Mal, die SPD 16 Mal, die CDU 13
Mal, die AfD 12 Mal. Und je dreimal die Grünen und die Linke. Insgesamt geht es
um 29 Orts- und Kreisverbände, fünf Landesverbände sowie zehn
Landtagsabgeordnete und einen Bundespolitiker. Die Bundesgeschäftsstellen der
Parteien erklärten, sie lehnten gekaufte Likes ab. Viele der angefragten Orts-
und Kreisverbände erwiderten, sie könnten sich den mutmaßlichen Like-Kauf nicht
erklären. Das jüngste Mitglied des Bundestags, der 27-jährige Roman Müller-Böhm
von der FDP, hat seit 2018 mutmaßlich für rund 40 Beiträge auf Facebook und
Instagram Likes gekauft. Auf Anfrage von NDR, WDR und SZ wollte er sich nicht
äußern.

Die Mehrzahl der Fanseiten- und Youtube-Kanäle in den Daten gehören kleinen und
mittelständischen Unternehmen: Fastfood-Restaurants, einer Autohausgruppe, einem
Kinderwunschzentrum oder einem Singlebörsen-Vergleich. Hinzu kommen sogenannte
Influencer, die mit der Präsentation von Produkten bei Youtube oder Instagram
Geld verdienen. Die meisten der von den drei Medien Angefragten sagten, sie
könnten sich die meist hundertfachen Likes-Käufe über mehrere Jahre hinweg nicht
erklären. Nur wenige räumten eine Manipulation ein. Das Unternehmen Paidlikes
erklärte, es schlage seinen Clickworkern gelegentlich auch bestimmte Seiten zum
Liken vor, ohne dass die Seiteninhaber davon wussten oder diese dafür gezahlt
haben. Die auf Onlinerecht spezialisierte Rechtsanwältin Scarlett Lüning sieht
in den Likes-Käufen von Unternehmen und Influencern einen möglichen Verstoß
gegen das Wettbewerbsrecht. Damit suggeriere man Beliebtheit und Qualität, die
nicht gegeben sei. Sie spricht von Irreführung. Der Kunde gehe davon aus, dass
das Produkt besser sei, als es tatsächlich ist.

Tobias Schmid, Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, kritisiert
den Kauf von "Gefällt mir"-Angaben vor allem durch Politiker: Man versuche so
auf die allgemeine Meinungsbildung Einfluss zu nehmen. Auch er sprach von
Irreführung. Mit dem Like-Kauf werde die Meinung im öffentlichen Raum
manipuliert.

Ein Facebook-Sprecher sagte: "Wenn wir Anbieter und Accounts identifizieren, die
anbieten, durch unechte Likes, Kommentare und Abonnenten die Popularität eines
Accounts oder Profils zu vergrößern, entfernen wir diese." Facebook habe deshalb
nach dem Eingang der Anfrage von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung der Firma
Paidlikes vorerst die technische Möglichkeit genommen, ihr Geschäftsmodell
weiter zu betreiben. Ein Sprecher von Google sagte mit Hinblick auf das zum
Konzern gehörende Video-Portal Youtube, man investiere weiterhin in
Technologien, um die künstliche Aufblähung der Reichweite eines Videos zu
verhindern.

Dass es gekaufte Bewertungen gibt, ist bekannt; nicht bekannt war bislang
jedoch, wer genau davon profitiert. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Ruhr-Universität Bochum konnten die Daten eines der größten Anbieter für
manipulierte Bewertungen, der Magdeburger Firma Paidlikes, auslesen, weil die
Seite offenbar nachlässig programmiert war. Das Unternehmen vermittelt Fanseiten
im Auftrag seiner Kunden an sogenannte Clickworker, Internetnutzer vorwiegend
aus Deutschland, die gegen Zahlung von Cent-Beträgen "Gefällt mir"-Angaben
vergeben. Paidlikes gibt an, seit 2012 mehr als drei Millionen davon verkauft zu
haben.

Das Magdeburger Unternehmen widersprach in einer Stellungnahme allen Vorwürfen.
Geschäftsführer Alexander Räss sagt, er sehe in der Sehnsucht nach Ruhm im Netz
ein legales und legitimes Geschäftsmodell. Den Vorwurf des Betruges könne er
nicht nachvollziehen. "Der nachhaltige Aufbau von neuen Fans, Followern oder
Reichweite ist nicht als unlauter zu werten, da die Vergabe von sozialen
Interaktionen auf Freiwilligkeit beruht", so Räss. Auch wenn die Clickworker
bezahlt werden, würde niemand gezwungen, bestimmte Seiten zu liken: "Möchten sie
aufgrund des dargebotenen Inhalts keine Interaktion abgeben, so können sie die
Kampagne ausblenden."

Sendehinweis: Über dieses Thema berichtet auch das ARD-Politmagazin "Panorama"
am Donnerstag, 19. Dezember, ab 21.45 Uhr im Ersten.

Pressekontakt:

Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Bettina Brinker
Tel.: 040 / 4156-2302
Mail: b.brinker@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/6561/4473318
OTS: NDR Norddeutscher Rundfunk

Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell


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