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Wohnungslose haben ein Recht auf menschenwürdige Unterbringung / Immer mehr Wohnungslose leben für lange Zeit in kommunalen Unterkünften mit schlechten Standards

Geschrieben am 04-12-2019

Berlin (ots) - Wohnungslose Menschen in Deutschland müssen immer länger in
Unterkünften leben, die eigentlich nur für eine kurze Unterbringungszeit gedacht
und oft nur minimal ausgestattet sind. "Was ursprünglich als Übergangslösung
konzipiert war, wird zunehmend zur längerfristigen Unterbringungsform. Da müssen
dann auch die Bedingungen in den Unterkünften stimmen, was nicht immer der Fall
ist. Hier muss Deutschland nachbessern", erklärte die Direktorin des Deutschen
Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, bei der Vorstellung des jährlichen
Berichts über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland am
Mittwoch in Berlin. Das Menschenrecht auf Wohnen, wie es im Sozialpakt der
Vereinten Nationen formuliert sei, ziele darauf ab, dass der Staat allen
Menschen in seinem Land eine angemessene Unterkunft ermöglicht, so Rudolf.

Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind vielfältig: zu wenig bezahlbarer Wohnraum,
niedriges Einkommen verbunden mit Mietschulden oder Gewalt in der Partnerschaft.
Besonders schwierig ist es unter anderem für Menschen, die aus Psychiatrie,
Suchtkliniken oder Jugendeinrichtungen entlassen werden, und für ältere
Menschen. Die Kommunen sind zur Unterbringung "unfreiwillig obdachloser"
Personen verpflichtet (sogenannte ordnungsrechtliche Unterbringung). Statistiken
der Länder machen deutlich: Mehrere zehntausend Menschen in Deutschland waren im
Jahr 2018 gezwungen, diese Form der Unterbringung in Anspruch zu nehmen, ein
Drittel lebt dort länger als zwei Jahre.

Für den Bericht hat das Institut Behörden, freie Träger und Wohnungslose befragt
und festgestellt, dass längst nicht alle Kommunen ihrer Pflicht zur
ordnungsrechtlichen Unterbringung nachkommen. Auch bei der Unterbringung selbst
bestehen erhebliche Unterschiede: Manche Kommunen stellen ganz normale Wohnungen
bereit, andere Mehrbettzimmer in Sammelunterkünften. Teilweise sind die
hygienischen Bedingungen gut, teilweise sind die Unterkünfte an der Grenze zur
Verwahrlosung. Das ist besonders problematisch, wenn Wohnungslose dort nicht nur
ein paar Tage, sondern teilweise Jahre leben müssen. Zudem mangelt es an
Fachkräften der Sozialarbeit, die die Menschen dabei unterstützen, wieder in
eigenen Wohnraum zu kommen.

"Wohnungslose Menschen brauchen besseren Zugang zu Unterkünften, bessere
Standards in den Unterkünften und umfassende qualifizierte Beratung", sagte
Rudolf. Ihre Forderung: "Bund, Länder und Kommunen müssen die Ausstattung und
Versorgung in der ordnungsrechtlichen Unterbringung an die längere
Aufenthaltsdauer anpassen. Dies ist aber nur ein Baustein, um die Situation
wohnungsloser Menschen zu verbessern. Ziel staatlichen Handelns sollte es in
erster Linie sein, Wohnungslosigkeit zu vermeiden beziehungsweise zu überwinden
und damit auch die Aufenthaltsdauer in der ordnungsrechtlichen Unterbringung
wieder zu verkürzen." Die Politik habe den Auftrag, das Recht auf angemessenes
Wohnen zu verwirklichen und müsse deshalb für die Schaffung von genügend
Wohnraum sorgen, auch für Menschen mit wenig Einkommen. Wohnungslose und von
Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen sollten vorrangig Zugang zu diesen Wohnungen
erhalten.

Menschenrechte als Qualitätsmerkmal von Kitas stärken

"Kitas sind ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft. Hier werden die Grundlagen für
das Zusammenleben gelegt. Doch auch Vorurteilsbildung beginnt bereits in der
frühen Kindheit", erklärte Rudolf. Kinder im Kita-Alter seien bereits mit
sozialer Ungleichheit, Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert. Sie brauchen deshalb
pädagogische Fachkräfte, die sie vor Diskriminierung und Verletzung schützen und
die ihnen die eigenen Menschenrechte erfahrbar machen. Fachkräfte, die ihnen den
Respekt vor dem anderen und dessen Rechten vermitteln und sie darin
unterstützen, sich gegen Rechtsverletzungen zu wehren. "Menschenrechtsbildung
muss deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung von Erzieherinnen und
Erziehern sowie in der Kindheitspädagogik werden", sagte Rudolf weiter. Das
Institut hat dazu die zentralen bildungspolitischen Leitdokumente für die
Ausbildung aus Bund und Ländern ausgewertet und Interviews an Fach- und
Hochschulen geführt. "Unsere Recherchen zeigen, dass das Thema Menschenrechte
bislang nicht als expliziter Auftrag für die pädagogischen Fachkräfte formuliert
wird und bei der Weiterentwicklung des Qualitätsbegriffs für die frühkindliche
Bildung eine zu geringe Rolle spielt", bilanzierte Rudolf.

Wirtschaft und Menschenrechte: Abhilfe für Betroffene verbessern

Nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen Staaten und
Wirtschaftsunternehmen dafür sorgen, dass Personen, deren Menschenrechte durch
Unternehmen verletzt wurden (zum Beispiel durch die Zerstörung eines Tempels für
den Bau eines Hotels, eine Zwangsumsiedlung für Tagebau oder die Nichteinhaltung
von Brand- und Arbeitsschutzbestimmungen in Fabriken), Abhilfe erhalten -
gerichtlich wie außergerichtlich. Wohin können sich Personen im Ausland wenden,
deren Menschenrechte durch deutsche Unternehmen direkt oder indirekt
beeinträchtigt sind, und was können sie an Lösungen durch solche Stellen
erwarten?

Das Institut hat den zentralen deutschen außergerichtlichen
Beschwerdemechanismus, die "Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze"
(NKS) sowie exemplarisch Beschwerdemechanismen in zwei Ländern untersucht. "Nach
Ansicht der von uns befragten Expertinnen und Experten in Indien und Uganda ist
die deutsche Nationale Kontaktstelle dort kaum bekannt. Sie muss für Menschen
aus dem Ausland, die sich beschweren möchten, in jedem Fall zugänglicher
werden", erklärte Rudolf.

Betroffene suchen eher Abhilfe vor Ort, wo die Unternehmen die Verstöße begangen
haben. Das gestaltet sich in der Realität schwierig, da es teilweise an
funktionierenden Gerichtssystemen mangelt, etwa weil Korruption herrscht. Laut
den befragten Expertinnen und Experten erlauben bestehende außergerichtliche
Stellen in Indien und Uganda keine wirksame Abhilfe: Sie sind für Teile der
Bevölkerung nicht zugänglich, beispielsweise in ländlichen Regionen oder für
Menschen, die nicht lesen und schreiben können. Zum Teil können die
Beschwerdestellen ihr Mandat aufgrund fehlender Ressourcen nur unzureichend
erfüllen, und selbst wenn sie Rechtsverletzungen feststellen, hilft der Staat
kaum, die Ansprüche beispielweise auf Entschädigung durchzusetzen.

Rudolf: "Die Bundesregierung sollte die deutsche Nationale Kontaktstelle für
Beschwerdeführende im Ausland zugänglicher machen und die Abhilfemechanismen vor
Ort stärken. Hier könnten Vor-Ort-Vorhaben der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit ebenso wie deutsche Botschaften unterstützen. Die
Bundesregierung sollte eine Außenstruktur mit Unterstützungsleistungen und
Beratung für Betroffene schaffen - spiegelbildlich zu der
Unterstützungsstruktur, die sie für Unternehmen aufbaut, um ihrer
menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen."

Der Auftrag

Das Gesetz über die Rechtsstellung und Aufgaben des Deutschen Instituts für
Menschenrechte von 2015 sieht vor, dass das Institut dem Deutschen Bundestag
jährlich einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Deutschland vorlegt.

Weitere Informationen

Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland 2018/2019. Bericht an den
Deutschen Bundestag gemäß § 2 Absatz 5 DIMRG
www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsbericht2019

Kurzfassung (deutsch) http://ots.de/7y87vv

Kurzfassung (englisch) http://ots.de/e5dOhY

Pressematerialien - Graphiken http://ots.de/76FkKs

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die unabhängige Nationale
Menschenrechtsinstitution Deutschlands (§ 1 DIMR-Gesetz). Es ist gemäß den
Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen akkreditiert (A-Status). Zu den
Aufgaben des Instituts gehören Politikberatung, Menschenrechtsbildung,
Information und Dokumentation, anwendungsorientierte Forschung zu
menschenrechtlichen Themen sowie die Zusammenarbeit mit internationalen
Organisationen. Es wird vom Deutschen Bundestag finanziert. Das Institut ist
zudem mit dem Monitoring der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und
der UN-Kinderrechtskonvention betraut worden und hat hierfür entsprechende
Monitoring-Stellen eingerichtet.

Pressekontakt:
Bettina Hildebrand, Pressesprecherin
Telefon: 030 259 359 - 14 Mobil: 0160 966 500 83
E-Mail: hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de
Twitter: @DIMR_Berlin

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/51271/4458270
OTS: Deutsches Institut für Menschenrechte

Original-Content von: Deutsches Institut für Menschenrechte, übermittelt durch news aktuell


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