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Stromsektor steht vor dem Stresstest

Geschrieben am 14-10-2019

München (ots) - Der bis zum Jahr 2038 geplante Kohleausstieg sorgt
schon jetzt für akuten Handlungsbedarf. Werden die Rahmenbedingungen
im Energiesektor nicht rasch angepasst, drohen in den nächsten Jahren
Preisturbulenzen und perspektivisch Versorgungsengpässe. Zu diesem
Ergebnis kommt eine Analyse der Strategieberatung Oliver Wyman. Um
gegenzusteuern, braucht Deutschland rasch zusätzliche, flexible
Versorgungslösungen wie Gaskraftwerke oder Stromspeicher. Langfristig
ist ein völlig neues Marktmodell erforderlich: Die Politik muss
Energieversorgern Anreize geben, in Kapazitäten für die
Stabilisierung des Stromsektors zu investieren und einen Rahmen
schaffen, der die nächste Generation von Stranded Assets vermeidet.

Der Kohleausstieg wird zum Stresstest für Regierung und Versorger.
Eine Analyse der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt: Bis zum Jahr
2022 könnten die Strompreise in Deutschland stark ansteigen - von
rund 40 Euro pro Megawattstunde (MWh) im Jahr 2018 auf bis zu 65
Euro. "Die Zeit der niedrigen Strompreise ist vorbei", sagt Jörg
Stäglich, Partner bei Oliver Wyman in München. "Zugleich erhöht sich
durch den Kohleausstieg die Volatilität. Wir werden Preissprünge und
anschließende Korrekturen erleben." Zudem wächst die Gefahr von
Versorgungslücken, da vergleichsweise planbare Kohle- und
Kernkraftwerke aus dem Pool genommen werden. Die Prognose fußt auf
einem sogenannten dynamischen Merit-Order-Modell, das den deutschen
Strommarkt simuliert.

Bis zum Jahr 2038 will die Bundesregierung die Kohle-Verstromung
beenden. Der Ausstieg beginnt schon jetzt: Innerhalb von vier Jahren
sollen Anlagen mit einer Leistung von rund elf Gigawatt vom Netz
genommen werden - ein Viertel davon sind Braunkohlekraftwerke. "Da
2022 auch das letzte Kernkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden
soll, rechnen wir in dem Jahr mit dem höchsten Preisausschlag", sagt
Stäglich. Zwei für die Regierung wichtige Vorgaben der Energiewende
stehen so in Frage: die Bezahlbarkeit der Energie und die
Versorgungssicherheit. "Politik und Energiewirtschaft müssen rasch
handeln, um gegenzusteuern", mahnt Stäglich.

Veränderung des Erzeugungsmarktes

Ohne zusätzliche, flexible Leistung wird die Energiewende nicht zu
schaffen sein. "Aus einer rein wirtschaftlich rationalen Perspektive
müssten wir jetzt eine Renaissance der Gaskraftwerke erleben",
prognostiziert Thomas Fritz, Partner bei Oliver Wyman in Düsseldorf.
Größere Investitionen in Speicher sowie wasserstoffbasierte
Erzeugung, etwa Brennstoffzellen, ließen dagegen noch auf sich
warten, da sie bislang nicht ausreichend wirtschaftlich zu betreiben
sind. "Die zentrale Frage ist, inwiefern Gaskraftwerke
gesellschaftlich akzeptiert werden und ob Gas nicht in fünf bis zehn
Jahren die "neue Kohle" ist. In jedem Fall werden langfristig
Stromspeicher und Wasserstoff als Stabilisatoren essenziell für die
Versorgungssicherheit sowie für das Erreichen der Klimaziele sein",
so Fritz.

Auf längere Sicht gehen die Oliver Wyman-Experten davon aus, dass
sich die Strompreise auf einem Niveau von etwa 50 Euro pro MWh
einpendeln. "Wenn wir keinen regulatorischen Eingriff in den Markt
erleben, dann wird der Neubau von hocheffizienten Gaskraftwerken
zusammen mit moderat ansteigenden Rohstoffpreisen die Strompreise
mittelfristig wieder bremsen", sagt Dennis Manteuffel, Principal von
Oliver Wyman. Von den insgesamt höheren Preisen profitieren jedoch
die Energieversorger nicht: "Im Gegenteil: Mittel- bis langfristig
wird das erwirtschaftete Ergebnis sinken." Ursache dafür seien immer
kürzere Einsatzzeiten für konventionelle Kraftwerke aufgrund des
zunehmenden Ausbaus der Erneuerbaren.

Frühzeitig Roadmaps aufstellen

Versorger müssten diese Trends schon jetzt in die Planungen des
zukünftigen Kraftwerksparks einbeziehen. "Sie müssen klare Roadmaps
und Szenarien für den Umstieg auf Gaskraftwerke, Speicher und
Wasserstoff aufstellen", sagt Oliver Wyman-Berater Fritz. Dabei gilt
es, über den Strommarkt hinauszuschauen. "Versorger sollten Chancen
für ihre Gaskraftwerke insbesondere in Kombination mit Fernwärme
evaluieren und ein übergreifendes Strom- und Wärmekonzept
aufstellen." Auch Wasserstoff spielt hierbei eine wichtige Rolle. So
kann dieser zunächst in kleineren Mengen dem Gasnetz beigemischt
werden, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Langfristig ist eine
deutliche Ausweitung von Wasserstoff im Energiesystem ein denkbares
Szenario. "Letztlich hängt es von gesellschaftlicher Akzeptanz,
technologischem Fortschritt und Wirtschaftlichkeit ab, wie sich
Gaskraftwerke, Batterien, Wasserstoff und mögliche weitere
Technologien einpendeln", sagt Fritz.

Stäglich empfiehlt den Unternehmen eine enge Zusammenarbeit mit
der Regierung und Regulierungsbehörden. "Sie können so Unterstützung
finden, um in derzeit nicht wirtschaftliche, aber vielleicht
gesellschaftliche und politisch präferierte Technologien wie Speicher
oder Wasserstoff früher einzusteigen." Weiterer Vorteil: Sogenannte
Stranded Assets - zum Beispiel schon nach kurzer Zeit nicht mehr
benötigte Gaskraftwerke - müssen gar nicht erst gebaut werden,
erläutert Fritz. Am Ende profitieren Haushalte und die gesamte
Wirtschaft: "So ließen sich auch gesamtgesellschaftlich die Kosten
reduzieren."

Spätestens nach dem endgültigen Kohleausstieg Ende der 2030er
Jahre ist nach Ansicht der Oliver Wyman-Berater ein völlig neues
Marktmodell nötig. Entscheidend dabei: "Die Bereitstellung von
Reservekapazitäten oder sicher verfügbarem Strom hat einen expliziten
Wert - und das muss auch gewürdigt werden", so Manteuffel. Dass
Gaskraftwerke oder Speicher überhaupt unterhalten werden, müsse über
den regulatorischen Rahmen finanziell honoriert werden: "Denn ein
System mit hohen Anteilen Erneuerbarer Energie wird Gaskraftwerke
durch die resultierenden geringen Laufzeiten negativ beeinflussen -
auch wenn sie für einen funktionierenden Energiemarkt notwendig
sind".



Pressekontakt:
Katryna Nolan
Communications Coordinator DACH
Oliver Wyman
Tel. +49 89 939 49 357
katryna.nolan@oliverwyman.com

Maike Wiehmeier
Communications Manager DACH
Oliver Wyman
Tel. +49 89 939 49 464
Maike.wiehmeier@oliverwyman.com

Original-Content von: Oliver Wyman, übermittelt durch news aktuell


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