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Umfrage zur Erinnerungskultur: Deutsche möchten erinnern, verlieren aber zunehmend den Bezug zu ihrer Geschichte / Studie "MEMO Deutschland" zeigt Parallelen zwischen NS-Zeit und heute auf (FOTO)

Geschrieben am 11-04-2019

Berlin (ots) -

Etablierte Zugänge zur Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus
wie Gedenkstättenbesuche bleiben relevant, doch für eine historisch
korrekte und zivilcouragierte Erinnerung an die NS-Zeit müssen neue
Ansätze geschaffen und bestehende Wege neu erschlossen werden. So das
Ergebnis der repräsentativen Studie "MEMO Deutschland -
Multidimensionaler Erinnerungsmonitor" des Instituts für
interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der
Universität Bielefeld. Die Telefonbefragung unter 1.000 Personen
wurde bereits zum zweiten Mal von der Stiftung "Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft" (EVZ) gefördert.

Erinnerung an die NS-Zeit: Grundlage für eine zivilcouragierte
Gesellschaft

Mehr als ein Drittel der Befragten (35,9 %) nehmen Parallelen
zwischen aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland und der
NS-Zeit wahr. Zugleich wird deutlich, dass sich die Befragten weit
über den Kontext Schule hinaus eigeninitiativ auf verschiedenen Wegen
mit der jüngeren deutschen Geschichte befassen und dass dies mit der
selbstberichteten Zivilcourage der Interviewten einhergeht.

"Eine Zivilgesellschaft, die sich aktiv erinnert und Geschichte
nicht verdreht, kann Bedrohungen der Demokratie besser begegnen", so
Professor Dr. Andreas Zick, Direktor des IKG und einer der
Studienleiter. "Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit ist eine
wichtige Quelle für Zivilcourage. Die Daten zeigen: Diejenigen, die
sich intensiver damit beschäftigen, setzen sich auch stärker gegen
die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen und Gruppen in
Deutschland ein."

Gedenkstättenbesuche fördern kritische Auseinandersetzung

Etwa die Hälfte der Interviewten (47,4 %) berichtet, mindestens
einmal, ein Großteil sogar mehrmals, eine Gedenkstätte besucht zu
haben. Solche Gedenkstättenbesuche, so ein weiteres Studienergebnis,
motivieren die Befragten, sich intensiver mit der Geschichte, aber
auch mit aktuellen gesellschaftlichen Themen zu beschäftigen.
Deutlich unterstreicht die Studie aber auch die Bedeutung neuer,
medialer Zugänge: Über 90 % der Befragten nutzen Dokumentar- und
Spielfilme als Einstieg in das Thema, über die Hälfte (59,6 %)
berichtet, sich im Internet zu informieren.

"Gedenkstätten als authentische Orte der Erinnerung an die NS-Zeit
spielen eine entscheidende Rolle und müssen, auch für die
historisch-politische Bildung, gestärkt werden", so Dr. Andreas
Eberhardt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung EVZ. "Zugleich sind
zeitgemäße, digitale Formen der Vermittlung gerade für junge Menschen
von großer Bedeutung. Die Stiftung EVZ erprobt in ihrer
Projektförderung und im Rahmen des Bundesprogramms 'Jugend erinnert'
diesen Weg hin zu einer zukunftsorientierten Gedenkkultur."

Familiengeschichten anfällig für Umdeutung und Verdrängung

Mit Blick auf die Rolle der eigenen Vorfahren zur NS-Zeit ergab
die Studie, dass in den in Deutschland lebenden Familien vor allem
Geschichten von Opfern (35,9 %) und Helfer*innen (28,7 %)
weitergegeben werden, während das Wissen um Täter*innen unter den
direkten Vorfahren vergleichsweise gering ist (19,6 %). Die Hälfte
(50,0 %) der Befragten geht außerdem davon aus, dass ihre
Familienmitglieder nicht zu den "Mitläufer*innen" des NS-Systems
gehörten. Zwar finden es zwei Drittel (65,9 %) sinnvoll, sich mit der
NS-Vergangenheit der eigenen Familie zu befassen, doch wird in der
Hälfte der deutschen Familien (50,1 %) nie oder nur selten darüber
gesprochen.

Dr. Jonas Rees, Projektleiter der Studie am IKG: "Auch im Kontext
Nationalsozialismus zeigt sich die Anfälligkeit von
Familiennarrativen für Tendenzen der Umdeutung und Verdrängung. Wir
finden deutliche Diskrepanzen zwischen der Wahrnehmung der deutschen
Bevölkerung in der NS-Zeit und dem Wissen um die eigene
Familiengeschichte. Gleichzeitig stellen wir gerade bei jüngeren
Befragten eine stärkere gesellschaftskritische Perspektive auf die
NS-Zeit fest. Damit einher gehen die Chance auf und der Wunsch nach
einer reflektierten Auseinandersetzung mit der Täterschaft der
eigenen Vorfahren und der Deutschen insgesamt."

Über die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ):
Die Stiftung EVZ wurde im Jahr 2000 gegründet, um
Zwangsarbeiter*innen während der NS-Zeit zu entschädigen. Seit 2001
leistet die Stiftung zudem humanitäre Hilfe für Überlebende, fördert
die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und stärkt
zivilgesellschaftliches Engagement in Mittel- und Osteuropa. Näheres
zu den Handlungsfeldern der Stiftung sowie Hintergrundinformationen
zu den Umfrageergebnissen, Fotos und Infografiken finden Sie auf
www.stiftung-evz.de/presse.

Quelle: "MEMO Deutschland - Multidimensionaler Erinnerungsmonitor"
- repräsentative Befragung von 1.000 Personen im Alter von 17 bis 93
Jahren. Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität
Bielefeld und Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", April
2019.



Pressekontakt:
Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ)
Kathrin Wiermer
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0) 30 25 92 97-24
Fax +49 (0) 30 25 92 97-11
E-Mail: wiermer@stiftung-evz.de
www.stiftung-evz.de

Original-Content von: Stiftung EVZ, übermittelt durch news aktuell


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