(Registrieren)

Medientage München - Journalism Summit: Political Correctness - oder wie liberal ist unsere Meinungsdemokratie wirklich? / Die Freiheit der Narren? - Verwaist unsere demokratische Kultur? (FOTO)

Geschrieben am 29-10-2018

München (ots) -

Einen sachlichen Gegenpol zu aufgeheizten Debatten zu setzen, mehr
die Lebenswirklichkeit der Menschen zu reflektieren und Ereignisse
beziehungsweise die Geschichten dahinter zu erklären: Das sind die
Aufgaben, denen sich Journalisten heute verstärkt stellen müssten.
Zum Abschluss der MEDIENTAGE MÜNCHEN appellierten die Teilnehmer des
Journalism Summit mit Nachdruck an sich selbst und ihre Kollegen,
sich nicht von aufgeheizten Debatten treiben zu lassen und verengten
Sichtweisen Vielschichtigkeit entgegenzusetzen. Der Journalism Summit
wurde in diesem Jahr von der NDR-Journalistin Anja Reschke moderiert.

Jeder Narr und Propagandist könne heute einen eigenen
YouTube-Channel gründen und Follower sammeln. Bedeutet
Meinungsfreiheit wirklich die Freiheit von drei Millionen
Internetnutzern, "jeden Mist ins Netz zu knallen"? So einfach wollte
es sich der stellvertretende ORF-Chefredakteur Dr. Armin Wolf nicht
machen, auch wenn er die Debatte über Political Correctness als
übertrieben bezeichnete. Er kritisierte in seinem Impulsvortrag, dass
sich die Milieus, in denen Journalisten leben, zunehmend von der
Lebenswelt ihres Publikums entfernen. Wolf bedauerte, dass sich viele
Medien letztlich nicht mehr kontroversen Debatten stellen würden -
anders als die Wochenzeitung Die Zeit im Juli dieses Jahres, nachdem
eine Gegenüberstellung von Pro und Contra zur privaten Seenotrettung
von Flüchtlingen heftige öffentliche Kontroversen ausgelöst hatte.
Wolf lobte diesen Versuch und merkte an: "Demokratischer Diskurs ist
kein Safe Space." Meinungsfreiheit bedeute ganz klar, sich auch mit
anderen Meinungen zu befassen. Allerdings sehe er auch das Problem,
dass öffentliche Debatten häufig jeden Anstand vermissen lassen,
rassistische Begriffe nicht mehr hinterfragt würden und ein Teil des
Publikums sich in eine Filterblase begeben habe, an der sachliche
Argumente schlichtweg abprallten.

Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur von Die Zeit, wehrte
sich gegen eine "Übermoralisierung" der Debatte über den
angesprochenen Artikel, räumte aber Mängel in der inhaltlichen
Gestaltung des Titels und der Contra-Position zur privaten
Seenotrettung ein. Klaus Brinkbäumer, Der Spiegel, sieht kein Problem
darin, heftige Debatten zu führen, warnte aber davor, leichtfertig
mit Sprache zu provozieren. Akte der sprachlichen Verrohung hat
Isabel Schayani, als sie von den Ausschreitungen in Chemnitz im
September 2018 direkt vor Ort berichtete, selbst erleben müssen. Die
TV-Journalistin des Westdeutschen Rundfunks sagte, sie habe für sich
die Konsequenz gezogen, "sprachlich abzurüsten", Zweifel zuzulassen
und nicht mehr "darauf gebürstet" zu sein, eindeutig zu sein.

Dass Journalisten kontroverse Themenaspekte wie negative
Nachrichten über Flüchtlinge ausblenden würden, um rassistischer
Hetze keine Nahrung zu geben, verneinten die Teilnehmer des
Journalism Summit. Ganz im Gegenteil: Ulrich argumentierte,
Fehlentscheidungen entstünden oft dadurch, dass Journalisten Angst
hätten, nicht alle Aspekte aufzuarbeiten und dominante Themen andere,
nicht minder wichtige wie beispielsweise das Bienensterben,
überlagerten. Klaus Brinkbäumer hielt es für legitim, wenn sich
Journalisten aufgrund einer unklaren sachlichen Untermauerung von
Informationen entscheiden, Themen in diesem Augenblick noch nicht in
die Berichterstattung aufzunehmen. Mittlerweile hätten bereits viele
Redaktionen aus ihren Fehlern gelernt: "Die blinden Flecke der
Berichterstattung an sozialen Brennpunkten" seien mittlerweile
weitgehend geschlossen.

Auch Daniel Drepper verzichtet dann auf ein Thema, wenn es nicht
ausreichend mit Fakten belegt werden kann: Hintergründe zu
recherchieren, objektiv zu bleiben und den Lesern auch die Quellen
von Informationen zu erklären, seien zentrale journalistische Ansätze
seiner Redaktion, betonte der BuzzFeed-Chefredakteur. So will Drepper
auch "alternativen Fakten" und emotionalisierten Debatten begegnen.
Journalistische Haltung resultiere aus einer Achtung von
Menschenrechten. Bewusste Verzerrungen der öffentlichen Diskussion
sollten kritisch fundiert in den jeweiligen Kontext eingeordnet und
bewertet werden, forderte Drepper.

Julia Bönisch, Chefredakteurin von sueddeutsche.de, zog aus der
öffentlichen Kontroverse um die Veröffentlichung einer umstrittenen
Karikatur von Dieter Hanitzsch über den israelischen Premierminister
Netanjahu in der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der darauf folgenden
Trennung der SZ von dem Zeichner folgenden Schluss: Journalisten
müssten in einer solch aufgeheizten Situation vor allem bewusst mit
den unterschiedlichen Aspekten eines Themas umgehen. Und:
Journalisten müssten wieder mehr als Erklärer wirken. Um Rezipienten
zu erreichen, die nicht mehr die klassischen Medien nutzen, will Gesa
Mayr, Chefredakteurin des Nachrichtenportals Watson.de, Menschen
gezielt "in ihren Lebenswirklichkeiten abholen". Dazu gehörten
Reportagen über das Leben von Obdachlosen ebenso wie Beiträge über
fehlende Plätze in Kindertagesstätten in Deutschland. Um die junge
Zielgruppe zu erreichen, habe Watson beispielsweise auch per
Instagram über die Ausschreitungen in Chemnitz berichtet. Insgesamt
sehe sie gute Ansätze im deutschen Journalismus, sagte Mayr. Sie
wolle den Austausch mit ihren Kollegen vorantreiben und so der
Entfremdung zwischen Journalisten und Teilen des Publikums
entgegenwirken.

Weitere Infos unter www.medientage.de



Pressekontakt:
Medientage München
Anja Kistler
Telefon: 089/68999250
Fax: 089/68999199
anja.kistler@medientage.de

Original-Content von: Medientage München, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

660488

weitere Artikel:
  • O-Ton (Audio): Im Herbst werden besonders viele Wildkatzen überfahren (AUDIO) Berlin (ots) - Friederike Scholz, Artenschutz-Expertin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) über den Straßentod von Wildkatzen anlässlich der Wanderungszeit von Jungtieren: Anmoderationsvorschlag: Mit der frühen Dunkelheit steigen die Wildunfälle. Doch nicht nur Rehe oder Wildschweine sind betroffen, auch die gefährdete Europäische Wildkatze ist besonders im Herbst oft Opfer von Wildunfällen. In den vergangenen Jahren wurden einige hundert überfahrende Wildkatzen gezählt, die Dunkelziffer liegt aber wahrscheinlich mehr...

  • Bülent Ceylan, Chris Tall, Paul Panzer und Martin Rütter blöffen in der neuen SAT.1-Comedy "Big Blöff" ab Freitag um die Wette - am Ende kassiert das Publikum (FOTO) Unterföhring (ots) - Sushi aus der Bauchfalte? Ein fliegendes Skateboard? Eine Vogelspinne als Lebenspartnerin? Die Comedians Bülent Ceylan und Chris Tall verbünden sich in der neuen SAT.1-Comedy-Show "Big Blöff" gegen Paul Panzer und Martin Rütter, um die Frage zu klären: Wer kann die anderen besser täuschen? Am Ende gewinnt immer das Publikum. "Big Blöff" ab Freitag, 2. November, um 20:15 Uhr in SAT.1. Die Show wird moderiert von Janine Kunze, Produzent ist Constantin Entertainment. Richtig oder falsch? Das rote Team, Bülent mehr...

  • Süßes oder Saures für Team Grün? Roland Trettl geht auf volles Risiko in der Halloween-Folge von "The Taste" am Mittwoch, 31. Oktober 2018, um 20:15 Uhr, in SAT.1 (FOTO) Unterföhring (ots) - Schrecklich-schöne Gefühlsachterbahn bei Roland Trettl: Erst strahlt er und freut sich in der vierten Folge von "The Taste" (31. Oktober 2018, 20:15 Uhr, SAT.1) über das Thema "Traditionelle Feste im Herbst" beim Team-Kochen. Als er aber die Karte für sein Team zieht, entgleisen ihm alle Gesichtszüge. Warum? Roland Trettl hat sein absolutes Hass-Herbst-Fest gezogen: Halloween. "Ein Fest, das ich sowas von komplett bescheuert finde!", meckert der Spitzenkoch. Wie soll man dazu einen Löffel kreieren, der Drei-Hauben-Spitzenkoch mehr...

  • It's GLOW-Time - 12.000 Besucher und Launch der dm-exklusiven Kooperationsmarke MOY von Stefanie Giesinger auf der GLOW by dm (FOTO) Karlsruhe (ots) - Am vergangenen Wochenende zeigte dm auf Europas größter Beauty Convention, dass das Unternehmen Profi in Sachen Beauty ist. Die "GLOW by dm" fand zum dritten Mal in der STATION Berlin statt und präsentierte auf 23.000 Quadratmetern den 12.000 Kosmetik-Interessierten zahlreiche Produktneuheiten, innovative Marken und die angesagtesten Social Media-Stars. "Mit unseren starken Partnern gestalten wir die Beauty-Welt aktiv mit. Die GLOW by dm ist ein guter Rahmen, um unseren Kunden die große Vielfalt unseres Schönheitssortiments mehr...

  • Faktencheck: Autoschäden durch Unbekannte - welche Vorsorge im Schadensfall hilft Saarbrücken (ots) - Diebstahl, Vandalismus und andere Schäden am eigenen Auto sind keine Seltenheit: Das zeigt die repräsentative forsa-Umfrage (1) im Auftrag von CosmosDirekt, dem Direktversicherer der Generali in Deutschland. - Fast jeder dritte Autofahrer (29 Prozent) hat an seinem Wagen schon einmal beschädigte Seitenspiegel vorgefunden - 13 Prozent wurden sogar schon einmal einzelne Autoteile geklaut. - Welche Policen Autofahrern im Schadensfall Kosten und Nerven sparen, erklärt Kfz-Versicherungsexperte mehr...

Mehr zu dem Thema Sonstiges

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

Sat1.de mit neuem Online-Spiele-Portal Sat1Spiele.de / SevenOne Intermedia baut Bereich Games weiter aus

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht