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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Bayreuther Festspielen

Geschrieben am 24-07-2015

Bielefeld (ots) - »Wo Wagner draufsteht, muss vor allem Mensch
drin sein.« Hat Kirill Petrenko behauptet. In Bayreuth dirigiert er
demnächst wieder den »Ring«, Wagners berühmtes Fantasy-Epos im
Breitwandformat. So viel Mensch allerdings ist gar nicht drin im
»Ring«. Dafür umso mehr Götter, Riesen, Alben und Walküren.
Völkerkundler vertreten die These, jedes Volk ticke so, wie es sich
seine Götter denkt. Die Griechen ahmen ihren Oberhallodri Zeus nach,
bei den Ägyptern blickte man nie durch, wen man gerade vor sich
hatte, Mensch oder Schakal oder Käfer (Skarabäus), die Römer haben
sich praktischerweise gleich selbst zu Göttern erklärt, siehe
Näheres unter Augustus, und die Germanen, tja, wir Germanen sitzen
halt gern beim ewigen Schweinebraten. In Walhall. Oder im
Löwenbräu-Zelt. Am liebsten aber im Festspielhaus in Bayreuth. Wer
sich jedoch an Wotans Tafel niederlassen will, muss sich einen
Platz erkämpfen, denn warum sollte für das Völkchen der Wagnerianer
anderes gelten als für die ollen Germanen. Da gibt es Demütigungen
wie die gegenüber dem Zwerg Alberich, den die Götter gefesselt und
geknebelt vorführen: Eva Wagner-Pasquier, eine von zwei
Festspielchefinnen (noch), sollte von der Saisoneröffnung
ausgeschlossen werden - Hügelverbot! Oder man steigt aus gültigen
Verträgen aus, wie Wotan, der sich Walhall bauen ließ, die Maurer
aber mit Haxe und Freibier abspeisen wollte: Jonathan Meese, der
Nachtalbe der deutschen Kunst, wurde für den »Parsifal« eingekauft
und wieder fallengelassen. Meese, nicht faul, hätte, wie es Siegfried
mit Brünnhilde tut, die ganze Bayreuther Bande wachgeküsst, indem
er, wenn man ihn gelassen hätte, die Oper »bundesgartenschaumäßig«
(O-Ton) in eine riesige Blüte gepackt hätte. Christian Thielemann,
der zur Eröffnung am Pult steht, singt seine Standardarie »Ich bin
der Herr, dein Dirigent. Du sollst nicht andere Dirigenten haben
neben mir. Jedenfalls keine großen«. Wie immer in B-Dur, jener
Tonart, die laut Berlioz »noble mais sans éclat« ist: erhaben, aber
ohne Glanz. Im Hintergrund stimmen Bayreuths Chefmäzen Georg von
Waldenfels (»Hügelverbot? Stimmt gar nicht!«) und Eva
Wagner-Pasquiers Anwalt Peter Raue (»Stimmt ja wohl!«) ein paar
Dissonantseptakkorde an. Basso continuo: Petrenko, der poltert, er
könne wegen der »würdelosen Vorgänge« die Brocken hinwerfen. Tut er
dann aber doch nicht. Böse Zungen (Meese) behaupten, die Bayreuther
kämpften mit Intrigen und Eifersüchteleien gegen die sinkende
Relevanz der Festspiele an. Unsinn. Es geht immer um Richard
Wagners Kunst. Aber klassische Musik muss man verkaufen können.
Große Oper will inszeniert sein. Als Hauen und Stechen, noch bevor
sich der Vorhang hebt. Darin ist Bayreuth wirklich unübertroffen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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