(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Stolz und Vorurteil, Kommentar zu Griechenland von Detlef Fechtner

Geschrieben am 30-06-2015

Frankfurt (ots) - Die Griechenland-Saga erinnert an Geschichten,
wie sie sich vor zwei Jahrhunderten die britische Edelfeder Jane
Austen ausgedacht hat. Denn deren Bestseller - "Verstand und Gefühl"
oder "Stolz und Vorurteil" - handeln vom steten Wechsel zwischen
Annäherung und Brüskierung - im Kern also von Akteuren, die sich im
Spannungsfeld gestelzter Distanz und partnerschaftlicher Abhängigkeit
schwer miteinander tun. Ziemlich so wie Griechenland und seine
Euro-Partner.

Spätestens der gestrige Tag hat davon Anschauungsunterricht
gegeben: Im Stundentakt schlug eine Seite etwas vor und die andere
etwas aus. Dabei drängte sich der Eindruck auf, dass es längst nicht
mehr um die Frage geht, was für Bürger und Volkswirtschaften gut ist.
Sondern darum, was den handelnden Personen in der ersten Reihe hilft,
ihr Gesicht zu wahren und die Schuld fürs Scheitern auf der anderen
Seite des Verhandlungstischs abzuladen. Kurzum: Der gestrige Tag
schien vom Wettlauf geprägt, selbst das letzte Angebot vorzulegen, um
den Gesprächspartner als Neinsager bloßzustellen und den Schwarzen
Peter noch rasch weiterzureichen.

Tragischerweise ist damit zu rechnen, dass es auch beim Referendum
am Sonntag - wenn es denn tatsächlich stattfinden sollte - nicht um
rationale Argumente für einen Verbleib im Euro oder gegen
Sparauflagen der Kapitalgeber geht, sondern ebenfalls um Gefühle. Um
viel Stolz. Und um viele Vorurteile.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat daher völlig recht,
wenn er sich an die Bürger in Hellas wendet und sie auffordert, gegen
die Empfehlung ihrer Regierung zu stimmen. Wer darin eine unlautere
Einmischung in innere Angelegenheiten des griechischen Volkes
entdeckt oder sich gar über mangelnden Respekt vor Griechenland
beschwert, hat das Prinzip demokratisch verfasster Staaten
missverstanden. Selbstverständlich dürfen die Griechen entscheiden,
ob sie im Euro bleiben oder zur Drachme zurückkehren. Aber jedem
Euro-Partner ist es unbenommen, Ratschläge zu machen oder Warnungen
auszusprechen - erst recht, um manche schrägen Darstellungen der
Athener Regierung geradezurücken. Immerhin hat die ganze Sache ja
erhebliche Auswirkungen auf alle anderen Europäer.

Anders ausgedrückt: Wer findet, dass das alles eine ausschließlich
griechische Angelegenheit ist, der darf nicht andererseits ständig
milliardenschwere Solidarität einfordern. Schließlich ist Solidarität
nichts anderes als eine besonders massive Form der Einmischung.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

570432

weitere Artikel:
  • WAZ: Ein Digitalpaket mit Schlupflöchern. Kommentar von Sven Frohwein zu Roaming-Gebühren Essen (ots) - Die EU-Entscheidung, die Roaming-Gebühren für Handytelefonate im Ausland erst ab 2017 komplett abzuschaffen, ist im besten Sinne ein Kompromiss. Brüssel kommt damit gleichermaßen Verbrauchern als auch Telefonnetzbetreibern entgegen. Letzteren dürfte gefallen, noch zwei weitere Jahre Geld für diesen Zusatzdienst zu verlangen und dringend benötigte Mittel für den Netzausbau einzusammeln. Und die Nutzer freut, dass sie ab dem übernächsten Jahr EU-weit entspannt telefonieren können, ohne dabei ständig auf die Uhr schauen zu mehr...

  • WAZ: Eine Investition in die Zukunft. Kommentar von Michael Kohlstadt zum Arbeitsmarkt Essen (ots) - Auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich eine neue Entwicklung ab, die von Fall zu Fall sicher herausfordernd sein dürfte, am Ende aber einen Gewinn für alle darstellen wird: Zunehmend suchen Flüchtlinge und Migranten einen Job. Menschen, die bei uns Schutz suchen vor Verfolgung, vor Krieg. Gut 7900 Syrer sind allein im Mai in Nordrhein-Westfalen auf Stellensuche gewesen, mehr als doppelt so viele wie vor einem Jahr. Sie dürfen mit Einschränkungen nach drei Monaten in Deutschland und endgültig dann nach 15 Monaten arbeiten mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Martin Anton zu Arbeitsmarkt/Landzeitarbeitslose Regensburg (ots) - Eine Million Menschen in Deutschland sind konstant als Langzeitarbeitslose gemeldet. Dahinter verbirgt sich eine heterogene Gruppe, deren Mitgliedern mit allgemeinen Lösungsansätzen nicht geholfen ist. Verschiedene Programme zeigen, dass es kaum hoffnungslose Fälle gibt. So haben diese Programme ihre Berechtigung. Langfristig brauchen Langzeitarbeitslose aber vor allem intensive Betreuung und Möglichkeiten zur Fortbildung. Denn auch Menschen, die fünf oder sechs Jahre ohne Job sind, können wieder in den Arbeitsmarkt mehr...

  • PRG Alliance heißt neues Mitglied in Portugal willkommen Lissabon, Portugal (ots/PRNewswire) - PRG Alliance stellt stolz sein neues Mitglied vor: FX Road Lights in Portugal. Mit dem Zuwachs durch FX Road Lights weitet PRG Alliance seine globale Reichweite noch mehr aus, um seinen internationalen Kunden möglichst überall zur Verfügung zu stehen. Foto: http://photos.prnewswire.com/prnh/20150630/226890 [http://photos.prnewswire.com/prnh/20150630/226890] FX Road Lights wurde 2002 in Portugal als ein Unternehmen für Lichtgestaltung gegründet, um den Nachfragen eines wachsenden Markts mehr...

  • Houston Airport System plant für das durch die FAA genehmigte Raumfahrtzentrum Houston (ots/PRNewswire) - Das Houston Airport System (HAS) hat von der Federal Aviation Administration (FAA) die Lizenz für eine Abschussbasis erhalten, wodurch sich der Ellington Airport (EFD) als Abschussbasis für Raumfähren (Reusable Launch Vehicles; RLV) etablieren kann und damit zum 10. kommerziellen Raumfahrtzentrum in den Vereinigten Staaten wird. Foto - http://photos.prnewswire.com/prnh/20150629/226756 [http://photos.prnewswire.com/prnh/20150629/226756] Fast zwei Jahre nachdem die Mitglieder des Houston City Council mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht