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Eiskunstlauf-Ikone Katarina Witt: "Olympia-Bewerbung ist eine Mannschaftsleistung"

Geschrieben am 09-03-2015

Frankfurt am Main (ots) - München-Bewerbung war "der größte Stress
meines Lebens" / Paralympics in Deutschland als Chance für
barrierefreies Leben / Im Sport gelernte Hartnäckigkeit ist Fluch und
Segen zugleich

Vor 30 Jahren verteidigte Katarina Witt am 9. März in Tokio zum
ersten Mal ihren WM-Titel im Eiskunstlauf. Im Sporthilfe-Interview
äußert sich die Doppel-Olympiasiegerin und Mitglied der "Hall of Fame
des deutschen Sports" über die deutsche Bewerberstadt für die
Olympischen Sommerspiele 2024 und die am 23. März beginnende
Eiskunstlauf-WM in Shanghai.

Sie waren Vorsitzende und Gesicht der Bewerbung für die
Winterspiele 2018 in München. Nun entscheidet der DOSB über den
deutschen Bewerber für Sommerspiele 2024. Sie leben in Berlin. Hand
aufs Herz, wofür schlägt es in punkto Olympia 2024?

Ich habe mich da vergangene Woche bereits etwas weit aus dem
Fenster gelehnt, als ich sagte, Hamburg hätte wegen der Begeisterung
die Nase etwas vorn und profitiere von seiner Wirtschaftskraft, aber
Berlin sei die coole Weltstadt. Ich finde grundsätzlich diese ganze
Diskussion "Hamburg oder Berlin" sehr wichtig. Sie bringt viel mehr
in Gang, als das bei der Bewerbung für 2018 in Bayern der Fall
gewesen ist. Klar, ich lebe in Berlin, und es wäre toll, hier Spiele
zu haben, doch am Ende werden es nationale Spiele sein. Wir als
Deutschland bewerben uns, und egal wofür sich der DOSB entscheidet,
am Ende wird ganz Deutschland die Olympiastadt unterstützen, auch die
Stadt, die erst mal den Kürzeren zieht.

Nach der Entscheidung für eine Bewerberstadt soll es dort im
Herbst einen Bürgerentscheid geben. Aus Ihren Erfahrungen der
München-Kampagne: Was können die Verantwortlichen tun, damit noch
mehr Olympiabegeisterung aufkeimt, der "Funke überspringt", wie
überzeugt man die Gegner?

Wichtig ist der Dialog, aber er muss von beiden Seiten vernünftig
geführt werden. In Berlin gab es Diskussionsrunden, da konnte man
sich aber mit den Gegnern nicht vernünftig auseinandersetzen.
Heutzutage muss die Bevölkerung eingebunden werden, doch ob gleich
eine Bürgerbefragung notwendig ist, das frage ich mich. 2006 haben
wir gezeigt, dass wir unglaublich erfolgreiche Sportfeste feiern
können. Allerdings ist es schon ein wenig absurd, dass für eine
Weltmeisterschaft im Fußball keine Umfrage nötig ist, aber für
Olympische Spiele. Sicher, es nutzt nicht, viele Menschen als Gegner
zu haben, aber wenn eine Minderheit eine größere Aufmerksamkeit und
Durchsetzungskraft bekommt, ist das bedauerlich.

Der Doping-Opfer-Hilfe-Verein mit Ines Geipel meint, Deutschland
solle keine Olympischen Spiele austragen, solange es nicht bereit
sei, die Doping-Vergangenheit weiter aufzuklären. Können Sie diese
Sicht verstehen?

Ohne Zweifel ist dies ein weiterhin ernst zu nehmendes Thema und
ich gehe mal davon aus, dass die Bemühungen der Aufarbeitung nicht
nachlassen. Sicher gibt es immer auch Nachbesserungsmöglichkeiten.
Aber diese Argumentation wirkt wie eine Erpressung und ist ein wenig
kindisch: So wie "wenn Du Dein Gemüse nicht isst, gibt es auch kein
Dessert." Ich finde es nicht fair, gerade gegenüber 18-jährigen
Sportlerinnen und Sportlern, die auf Olympia hoffen. Was haben diese
jungen Talente mit der Generation der 80er oder 70er Jahre zu tun?
Das eine tun und das andere nicht lassen, ist doch viel besser.

Hätten Sie Lust, die Olympiabewerbung ein weiteres Mal zu
begleiten, Ihre Erfahrungen einzubringen?

Rückblickend war die München-Bewerbung eine ganz wunderbare
Erfahrung für mich. Einerseits in der kürzesten Zeit der größte
Stress, den ich jemals erlebt habe, diese anderthalb Jahre.
Andererseits ein einmaliges Erlebnis, so tief in die Sportpolitik, in
das Thema Olympia einzusteigen. Es wird nötig sein, ganz viele
Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten einzubinden und die
Begeisterung eines ganzen Landes zu wecken. Am Ende ist so eine
Bewerbung eine Mannschaftsleistung. Eine Fußballelf wird nicht
genügen, es benötigt eine Nationalmannschaft von 80 Millionen. Dem
Dirigenten dieses Teams wünsche ich jetzt schon viel Spaß (lacht).

Mit Ihrer Stiftung unterstützen Sie körperlich behinderte Kinder.
Wie sehen Sie die Rolle des Behindertensports bei der Bewerbung? Was
könnten Paralympische Spiele "daheim" bewirken?

Kommen Paralympische Spiele in ein Land oder eine Stadt, hilft das
allem, was im Leben barrierefrei sein sollte. In Deutschland sind wir
da schon ziemlich fortgeschritten, trotzdem fehlen nach wie vor für
Menschen mit körperlicher Behinderung viele Anbindungen im
öffentlichen Bereich. Zum Glück stoßen die Paralympics auch im
Fernsehen, von Spielen zu Spielen, auf immer mehr Begeisterung. Viele
Menschen bewundern dabei die Leistungen und lernen, behinderten
Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen im täglichen Leben mit
Normalität zu begegnen, nicht mit Mitleid.

In Shanghai steht die Eiskunstlauf-WM an. Sie sind viermalige
Weltmeisterin, wie genau erinnern Sie sich noch an die WM vor 30
Jahren 1985 in Tokio? Wissen Sie noch, zu welcher Musik Sie gelaufen
sind?

Ich musste erstmals meinen Titel verteidigen und lernte meine
Lektion, dass Verteidigung immer herausfordernder ist, als die
Eroberung. Zur Kurzkür bin ich die Malaguena gelaufen, etwas
Spanisches, da habe ich sozusagen schon mal die Spanierin in mir
getestet, bevor ich drei Jahre später als Carmen zum Olympiasieg
laufen durfte. Und in der Kür habe ich wohl meine Musik, die Mona
Lisa vom Olympiasieg 1984 beibehalten.

Inwiefern unterscheidet sich der Eiskunstlauf von 1985 von dem von
2015?

Zum Eiskunstlauf gehören immer das Künstlerische und die Emotion,
da hat sich nichts geändert. Davon lassen sich die Menschen heute
noch genauso wie vor 30 Jahren berühren. Im technischen Bereich und
in der Fertigkeit des Schlittschuhlaufs hat sich extrem viel
verändert. Der Schwierigkeitsgrad ist in allen Bereichen höher, ob
bei den Pirouetten, die variabler geworden sind, oder den
Sprungkombinationen. Ebenso die Schrittkombinationen sind
raffinierter. Es ist aber auch alles etwas atemloser geworden.
Manchmal denke ich, für Emotion ist keine Zeit mehr da. Nach dem
Rausch der Höchstschwierigkeiten ist der Zuschauer am Ende genauso
erschöpft wie der Läufer selbst. Früher 20 Sekunden posen und mit dem
Publikum flirten - daran erinnern sich die Leute manchmal mehr als an
vier verschiedene Vierfachsprünge, aber dafür gibt´s nicht mal mehr
Blech.

Ihre Einschätzung zum deutschen WM-Team ohne das Paarlauf-Duo
Savchenko/Szolkowy?

Da dürfen wir keine Medaillenerwartungen haben, nachdem Aljona und
Robin getrennte Wege gegangen sind. Auch zuletzt hatten wir weder im
Eistanz noch bei Damen und Herren großartige Chancen, vorne
mitzumischen. Wir haben in Deutschland über Jahre hinweg den
Anschluss an die Weltspitze nicht geschafft. Das hängt sicher an
vielen Dingen. Beispielsweise findet die Sportart kaum im Fernsehen
statt, so fehlen dem Nachwuchs die Idole, der typische Kreislauf.
Deswegen unterstütze ich derzeit die märchenhafte Show "Disney On
Ice". Das ist Unterhaltung für Kinder und wenn sie dadurch sagen, ich
würde gern eine Eisprinzessin oder ein Eisprinz werden, ist dies
zumindest mal ein erstes Interesse. Vielleicht werden dann auch
Märchen wahr und eine neue Eiskönigin erobert das Siegertreppchen.

Neben Titeln und Ehrungen wie die Goldene Sportpyramide oder die
Aufnahme in die "Hall of Fame des deutschen Sports" - was haben Sie
Ihrer Sportkarriere noch zu verdanken?

Eigentlich alles. Sie ist der Grundstein für all jenes, was ich
jetzt mache. Der Leistungssport ist eine unglaubliche Schule, ob für
Disziplin, Zielstrebigkeit, das Nicht-Aufgeben. All das nimmt man mit
ins berufliche Leben. Mit Rückschlägen komme ich besser zurecht, weil
ich sie aus dem täglichen Training kenne. Man nimmt Kritik vielleicht
nicht ganz so persönlich wie andere. Man widmet sich mit genauso viel
Disziplin anderen Projekten und kann seine Konzentration
kanalisieren. Diese Hartnäckigkeit ist übrigens manchmal wie ein
Fluch, man hat einfach nicht gelernt, locker zu lassen. Ich bin
privat so, beruflich genauso, man strebt immer nach dem Besten. Doch
Olympia war gestern, ich könnte ja vielleicht endlich mal ein
bisschen lockerer werden!

Zur Person:

Katarina Witt (*3. Dezember 1965 in Staaken)

Katarina Witt ist neben Sonja Henie die erfolgreichste
Eiskunstläuferin in der Geschichte. Im Jahr 2010 erhielt sie die
Goldene Sportpyramide und wurde in die "Hall of Fame des deutschen
Sports" aufgenommen. Neben den beiden Olympiasiegen 1984 in Sarajevo
und 1988 in Calgary ist sie viermal Weltmeisterin und zweimal
WM-Zweite. Zwischen 1983 und 1988 gewann sie sechsmal in Folge die
Europameisterschaft. Ende 1988 startete der Weltstar eine
Profikarriere, drehte fortan preisgekrönte Filme und war mit allen
großen Tourneen der Welt unterwegs. 1994 nahm Katarina Witt in
Lillehammer noch einmal als Amateurin an Olympischen Spielen teil und
wurde Siebte. Erst im März 2008 beendete sie ihre sportliche Karriere
auf dem Eis mit einer Abschiedstournee. Das US-amerikanische
Time-Magazin betitelte sie einst als "schönstes Gesicht des
Sozialismus". 2005 gründete sie die Katarina-Witt-Stiftung. Katarina
Witt war Vorsitzende des Kuratoriums für die Bewerbung Münchens für
die Olympischen Winterspiele 2018. Das IOC vergab die Spiele in 2011
jedoch an Pyeongchang in Südkorea.

Die Fragen stellte Oliver Kauer-Berk.

Abdruck honorarfrei.

Quelle: Deutsche Sporthilfe



Pressekontakt:
Stiftung Deutsche Sporthilfe
Jörg Hahn
Otto Fleck-Schneise 8
60528 Frankfurt am Main
Tel: 069-67803 - 500
Fax: 069-67803 - 599
E-Mail: joerg.hahn@sporthilfe.de
Internet: www.sporthilfe.de und www.hall-of-fame-sport.de
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