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Grüne Woche 2015: Global Forum for Food and Agriculture beendet

Geschrieben am 18-01-2015

Berlin (ots) - Bioökonomie - Chance für Mensch, Natur und Umwelt
oder Gefahr für die Ernährungssicherung?

Mit drei hochkarätigen Veranstaltungen ging gestern das 7. Global
Forum for Food and Agriculture (GFFA) zu Ende. Rund 1.200 Gäste aus
der ganzen Welt verfolgten im CityCube Berlin die Diskussion auf dem
Internationalen GFFA-Podium. Im Anschluss lud die deutsche Agrar-
und Ernährungsindustrie zum Internationalen Wirtschaftspodium,
während sich Agrarministerinnen und -minister aus über 70 Ländern mit
hochrangigen Vertretern der Weltbank und der
Welternährungsorganisation FAO zum Berliner Agrarministergipfel
trafen.

Im Zentrum der diesjährigen Veranstaltung standen die Chancen und
Herausforderungen der Bioökonomie. Hinter dem Begriff steckt eine
Wirtschaftsform, die auf der nachhaltigen Nutzung von biologischen
Ressourcen wie Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen beruht.
Zahlreiche Länder haben in den vergangenen Jahren entsprechende
Strategien aufgelegt, um eine Umwandlung ihrer Wirtschaft
voranzutreiben.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt betonte auf dem
Internationalen GFFA-Podium die vielfältigen Herausforderungen, vor
denen die Landwirtschaft heute steht: Sie muss Lebensmittel
produzieren und zugleich Rohstoffe für die industrielle Verarbeitung
und Energieproduktion bereitstellen. Zudem soll sie die biologische
Vielfalt erhalten und das Klima schützen - und das alles bei knapper
werdenden Ressourcen. Es sei Aufgabe der internationalen
Staatengemeinschaft, gemeinsam die Rahmenbedingungen für die
Landwirtschaft so zu gestalten, dass die steigende Nachfrage nach
Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen befriedigt werden kann, ohne
die Ernährungssicherung zu gefährden, forderte der Minister.

Prof. Joachim von Braun, Leiter des Zentrums für
Entwicklungsforschung der Uni Bonn und Vorsitzender des deutschen
Bioökonomierats, erinnerte daran, dass die Bioökonomie an sich eine
uralte Wirtschaftsform ist; schließlich werden beim Brotbacken,
Bierbrauen oder Heizen mit Holz auch biologische Ressourcen genutzt.
Neu sei allerdings der "wissensbasierte Ansatz" - also die Tatsache,
sich biologische Prozesse zueigen zu machen und Vorgänge aus der
Natur nachzuahmen. "Zurzeit sind 15 Prozent unserer Volkswirtschaft
biobasiert, bis zum Jahr 2050 sollen es 50 Prozent sein", so von
Braun.

Die Frage, wem die Bioökonomie nützt und wo mögliche Gefahren
liegen, zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussion. Evelyn
Nguleka sieht in ihr eindeutig eine Chance. Als Beispiel nannte die
Präsidentin des Weltbauernverbands die Produktion von Mais, der in
ihrem Heimatland Sambia Grundnahrungsmittel ist und größtenteils von
Kleinbauern angebaut wird. 3,1 Millionen Tonnen sollen in diesem Jahr
geerntet werden, gebraucht werden aber nur zwei Millionen Tonnen.
"Würde es für den Rest Verwertungsmöglichkeiten geben, könnten
dadurch Einkommensmöglichkeiten für die Bauern geschaffen werden",
sagte Nguleka.

Der Generaldirektor der Welternährungsorganisation FAO, José
Graziano da Silva, griff das Beispiel auf. Trotz der Überproduktion
bei Mais sei ein Großteil der Menschen in Sambia unterernährt.
Zahlreiche Kinder litten an Mangelernährung, da sie nicht genug
Vitamine und Mineralstoffe erhalten. "Die Bauern könnten Mais für die
Produktion von Biotreibstoffen nutzen und das Geld, das sie damit
verdienen, für den Kauf nährstoffreicherer Lebensmittel verwenden",
so der FAO-Generalsekretär. Die Aufgabe seiner Organisation sei es,
die Landwirte mit den nötigen Informationen zu versorgen, damit sie
die Möglichkeit haben, an entsprechenden Wertschöpfungsketten
teilzuhaben.

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Hilfsorganisation Brot
für die Welt, warnte vor den Gefahren der Bioökonomie vor allem für
Kleinbauern in den Ländern des Südens. Für den Anbau der
erforderlichen Biomasse würden riesige landwirtschaftliche Flächen
benötigt. "Eine solche Nachfrage für die Weltmarktproduktion hat
bisher immer dazu geführt, dass man Kleinbauern ihr Land weggenommen
hat", mahnte die Pfarrerin Sie erinnerte an die Erfahrungen mit der
Produktion von Agrartreibstoffen: Die Landflächen, die in Afrika seit
dem Jahr 2000 in die Hände internationaler Agrarkonzerne übergegangen
sind, entsprechen der gesamten Landwirtschaftsfläche West- und
Nordeuropas, so ihre Kritik.

Vasu Vasuthewan, Berater im südostasiatischen Bioökonomie-Sektor,
erinnerte daran, dass das so genannte Landgrabbing, also die
illegitime oder illegale Aneignung von Land, vor allem eine
Auswirkung schlechter Regierungspolitik sei. "Wir dürfen nicht
glauben, dass der Markt allein alles regeln kann." Joachim von Braun
bestätigte dies: Wie jede andere Ökonomie könne die Bioökonomie nur
funktionieren, wenn Rechte geschaffen und auch gewahrt werden. Um
eine faire Beteiligung auch der Länder des Südens zu garantieren,
seien Regelwerke und strategische Kooperationen nötig.

Auch die Ministerinnen und Minister, die sich auf Einladung von
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zum 7. Berliner
Agrarministergipfel versammelt hatten, forderten einen kohärenten
Politikrahmen, um die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, die
Chancen der biobasierten Wirtschaft zu nutzen und dabei
Nachhaltigkeit zu garantieren. Priorität habe dabei immer die
Ernährungssicherung, wie Minister Schmidt klarstellte. "Nur eine
starke, diversifizierte und nachhaltige Lebensmittelproduktion
liefert die Grundlage dafür, das Menschenrecht auf Nahrung dauerhaft
zu verwirklichen und die Menschen mit ausreichenden und gesunden
Nahrungsmitteln zu versorgen", so der Minister.

In ihrem Abschlusskommuniqué verwiesen die Ministerinnen und
Minister auf die zentrale Position der Landwirtschaft in der
Bioökonomie. Sie solle ihre neue Rolle im internationalen Dialog
verantwortungsbewusst übernehmen - auf Basis der nachhaltigen
Entwicklungsziele, der "Sustainable Development Goals" (SDGs). Diese
werden im September verabschiedet und lösen die
Millenniums-Entwicklungsziele ab, die von der Staatengemeinschaft im
Jahr 2000 in New York festgelegt wurden. Im Anschluss an den
Agrarministergipfel überreichte Bundesminister Schmidt seinem
türkischen Amtskollegen Mehmet Mehdi Eker und FAO-Generalsekretär
José Graziano da Silva das Abschlusskommuniqué. Eker, dessen Land im
Jahr 2015 die G20-Präsidentschaft übernommen hat, versprach, den
Prozess in dieser Rolle zu unterstützen.

Auf dem Internationalen Wirtschaftspodium stand die Frage im
Mittelpunkt, ob Bioökonomie der richtige Ansatz für die künftige
weltweite Agrarproduktion ist, für welche Länder sie sich eignet und
welche Rahmenbedingungen nötig sind, um dabei den Schutz der
natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern. Shenggen Fan,
Generaldirektor des Washingtoner International Food Policy Research
Institutes (IFPRI), führte den Teilnehmerinnen und Teilnehmer die
Dimensionen der Herausforderung vor Augen: Im Jahr 2050 werden nicht
nur geschätzte neun Milliarden Menschen die Welt bevölkern, auch der
Kalorienbedarf pro Kopf werde steigen. Standen jedem Weltbürger 1950
noch 5.100 Quadratmeter Land zur Verfügung, werden es 2050 nur noch
2.000 Quadratmeter sein. Heute werden 30 Prozent des weltweiten
Bruttoinlandsprodukts in Ländern mit Wasserknappheit produziert, im
Jahr 2050 werden es mehr als 50 Prozent sein. Gleichzeitig gehen bis
zu sieben Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts durch den so
genannten verborgenen Hunger, also durch Nährstoffmangel, verloren.
"Wir müssen mit weniger Ressourcen und geringeren
Kohlenstoffemissionen mehr produzieren - nicht nur mehr Lebensmittel,
sondern auch solche mit mehr Nährstoffen", forderte der
Wissenschaftler.

J. B. Penn, Chefvolkswirt von John Deere & Company, rechnet in
Zukunft mit enormen Produktivitätssteigerungen in der
Landwirtschaft. Hierfür sei es nötig, Innovationen
voranzutreiben und dafür zu sorgen, dass das Wissen auch bei
den Landwirten ankommt. Vor allem aber müssten diejenigen
Länder, die eine Entwicklung ihrer Agrarproduktion benötigen,
das Investitionsklima verbessern. Michael Windfuhr,
stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für
Menschenrechte, mahnte an, dabei nicht nur Regionen mit hohem
Produktionspotenzial im Blick zu haben. Viele Landwirte leben
an marginalen Standorten, auch diese müssten weiterentwickelt
werden. Zudem müsse sichergestellt werden, dass künftige
Investitionen keine negativen Auswirkungen auf die Bedingungen
der Menschen vor Ort haben. Hier seien vor allem die
Regierungen in der Pflicht, die Menschen durch den Aufbau
sozialer Sicherungsnetze zu schützen. Verantwortung tragen aber
auch die Investoren - nicht nur große Unternehmen, sondern
auch Landwirte, die investieren, indem sie beispielsweise auf
Kinderarbeit verzichten.

Der Präsident des indischen Bauernverbands Ajay Vir Jakhar
erinnerte daran, dass Produktivitätssteigerungen allein nicht die
Lösung des Problems darstellen. Viele indische Bauern blieben nur in
der Landwirtschaft, weil sie keine anderen Verdienstmöglichkeiten
haben - was den Druck auf die anderen Betriebe erhöhe. Er berichtete,
dass 80 Prozent der indischen Bauern weniger als fünf Hektar
bewirtschaften. Die indische Regierung sollte deshalb einzelne
Betriebe nicht mehr beim Kauf von Landtechnik unterstützen, sondern
Anreize für den Aufbau von Kooperativen und die Nutzung von
Dienstleistungen schaffen, um die Rentabilität der Betriebe nicht zu
gefährden. "Wenn Sie mich fragen, was die wichtigsten drei Faktoren
sind, um die indische Landwirtschaft zu stärken: Beratung, Beratung,
Beratung!", so Jakhar.

Jürgen Leiße, Vorstandsvorsitzender von Mondélez International
(ehemals Kraft Foods) Deutschland, unterstützte diese Forderung. Als
Beispiel nannte er das Kakaoprogramm "Cocoa Life" seines
Unternehmens, das in den kommenden zehn Jahren insgesamt 200.000
Kleinbauern erreichen soll. In Ghana sei es zwischen 2008 und 2011
gelungen, die Erträge der Kakaobauern um zwanzig Prozent und ihre
Einkommen um 200 Prozent zu steigern. "Früher haben wir stark auf die
Kooperation mit Zertifizierungsunternehmen gesetzt, doch ist deren
Einfluss auf die Ergebnisse nur relativ. Jetzt setzen wir auf den
direkten Kontakt zu den Bauern, um sicher zu sein, dass das Geld, das
wir einsetzen, direkt für Beratung und Technologietransfer genutzt
wird", so Leiße.

Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) wird seit 2009 im
Rahmen der Internationalen Grünen Woche veranstaltet. Expertinnen und
Experten aus der ganzen Welt treffen sich in Berlin, um über zentrale
Zukunftsfragen der globalen Landwirtschaft und Welternährung zu
diskutieren. In diesem Jahr stand das GFFA unter dem Motto
"Wachsende Nachfrage nach Nahrung, Rohstoffen und Energie: Chancen
für die Landwirtschaft, Herausforderungen für die
Ernährungssicherung?"

Diese Presse-Information finden Sie auch im Internet:
www.gruenewoche.de



Pressekontakt:
Messe Berlin GmbH
Stellv. Pressespreche
Pressereferent
Wolfgang Rogall
+49 30 3038-2218
rogall@messe-berlin.de


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