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TK-Pflegestudie: Pflegende Angehörige treiben Pflichtgefühl und Familienzusammenhalt an, doch der soziale Kitt bröckelt

Geschrieben am 10-09-2014

Hamburg (ots) - Mehr als 2,5 Millionen Menschen sind
pflegebedürftig. Modellrechnungen gehen davon aus, dass es bis 2030
in Deutschland sogar rund 3,4 Millionen sein werden. Sieben von zehn
Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Die große Mehrheit von
ihnen, zwei Drittel, werden ausschließlich durch Angehörige betreut.
Kurzum: Pflegende Angehörige sind unverzichtbar für die Versorgung.
Die Datenlage zur gesundheitlichen Situation der Pflegenden ist
bisher jedoch dünn. Das Wissenschaftliche Institut der Techniker
Krankenkasse (TK) hat daher in einer Studie mehr als 1.000 pflegende
Angehörige zu Gesundheit und Befinden, Belastungen und
Unterstützungsmöglichkeiten befragen lassen.

Die Ergebnisse zeigen: Die Pflege eines Angehörigen ist
kräftezehrend und belastet die Gesundheit der Pflegenden. Sechs von
zehn Befragten geben an, dass die Pflege sie viel von ihrer eigenen
Kraft kostet - je höher die Pflegestufe, desto größer die Belastung.
In Pflegestufe drei ist sie fast doppelt so groß wie in Stufe null.
Ständig in Bereitschaft zu sein, strengt 55 Prozent der Befragten
sehr an. Die Hälfte der Pflegenden fühlt sich oft körperlich
erschöpft, gut ein Drittel hin- und hergerissen zwischen den
Anforderungen der Pflege und denen der Umgebung, zum Beispiel Job
oder Familie. Drei von zehn Befragten geben sogar an, die
Pflegesituation greife die eigene Gesundheit an.

Kein Wunder, dass nur wenige Pflegende ihren Gesundheitszustand
positiv einschätzen: Während bei einem Bevölkerungsquerschnitt sechs
von zehn Befragten ihre Gesundheit als gut oder sehr gut beurteilen,
ist dies bei den pflegenden Angehörigen nicht einmal die Hälfte (45
Prozent). Unter den Angehörigen, die den Pflegebedürftigen ganz
allein betreuen, geben sogar nur etwas mehr als ein Drittel (36
Prozent) an, ihr Gesundheitszustand sei gut oder sehr gut. Immerhin:
Jeder Vierte pflegt allein. Auch das ist ein Ergebnis der
TK-Pflegestudie.

Über Umfang und Art der Pflege durch Angehörige liegen kaum
konkrete Daten vor. Das hat auch der Sachverständigenrat zur
Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem aktuellen
Gutachten festgestellt. "Genau das ist jedoch erst einmal die
Grundlage für jedes weitere Handeln, nämlich die handelnden Personen
konkret zu Ihrer Situation zu befragen. Hier wollen wir ansetzen",
erklärt Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK. "Wir haben
eine Studie in Auftrag gegeben, die nicht nur besonders aktuell ist,
sondern auch eine große Fallzahl umfasst." Das
Meinungsforschungsinstitut Forsa hat insgesamt 1.007 Pflegende
persönlich interviewt.

Die Studie hat auch nach den ausschlaggebenden Gründen, eine
Pflegeaufgabe zu übernehmen, gefragt. Fast die Hälfte der Pflegenden
antwortet mit Pflichtgefühl und Familienzusammenhalt. Die Studie
zeigt jedoch auch, dass dieser soziale Kitt zunehmend bröckelt.
Familiärer Zusammenhalt spielt umso weniger eine Rolle, desto jünger
die Befragten sind. Während bei den Über-65-Jährigen insgesamt 61
Prozent familiäres Pflichtgefühl als Hauptgrund angeben, sind es bei
den 50- bis 65-Jährigen nur noch 45, bei den 18- bis 49-Jährigen
sogar nur noch 38 Prozent. "Das Pflegepotenzial von Familien wird
kleiner", so Baas. "Erwerbstätigkeit hat einen anderen Stellenwert
als in der Babyboomer-Generation. Pflege in Vollzeit wird künftig
kaum mehr möglich sein." Die moderne Arbeitswelt fordert Mobilität.
Eltern und Kinder wohnen deutlich seltener am gleichen Ort.
Einstellungen zum Thema Familie sind im Wandel, Single-Haushalte
nehmen zu. Speziell in ländlichen Regionen erzeugt die Abwanderung
Handlungsbedarf.

"Für die Zukunft müssen wir andere Antworten finden. Wir müssen
Pflege anders als heute organisieren", erklärt Baas. "Die informelle
Pflege von Angehörigen ist künftig in diesem Umfang nicht mehr
leistbar. Die Schwiegertochter als Pflegezentrum ist ein
Auslaufmodell."

Der Vorschlag der TK: ein träger- und sektorenübergreifendes
Hilfs- und Betreuungsnetzwerk, das einen deutlichen Fokus auf die
Zuhause-Versorgung legt. "Wir müssen die informellen Leistungen der
Angehörigen in professionelle Netzwerke überführen und Angebote
integrieren, die es auch jetzt schon gibt. Unsere Studie zeigt, dass
gerade Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung zwar bekannt
sind, aber trotzdem wenig genutzt werden", so Baas.

Am stärksten nutzen die Pflegenden noch den ambulanten
Pflegedienst: Fast 60 Prozent geben dies in der Forsa-Befragung an.
Hingegen ist die Nachtpflege zwar bei drei Viertel der Pflegenden
bekannt, wird aber trotzdem nur von sieben Prozent der Befragten
genutzt. Mit Beratungsangeboten sind Pflegende insgesamt weniger
vertraut. Nur die Hälfte kennt die Möglichkeit der individuellen
Pflegeschulung zu Hause, nicht einmal 60 Prozent die Pflegekurse in
der Gruppe. Dr. Jens Baas: "Hier sehe ich ganz klar einen Auftrag an
uns als Kasse. Pflegende müssen gut informiert sein, insbesondere
wenn sie ganz plötzlich in eine Pflegesituation kommen. Unsere
Studie zeigt, dann sind sie deutlich belasteter als wenn sie mit der
Zeit in die Pflegesituation hineinwachsen können. Als Kasse können
wir unsere Versicherten hier durch einen Dschungel an Angeboten
navigieren."

Hintergrund:

Zahlreiche Verbesserungen im Bereich der häuslichen Pflege sollen
pflegende Angehörige ab dem kommenden Jahr entlasten. Hintergrund ist
das erste Pflegestärkungsgesetz. Im Zuge dessen soll auch der
Pflegevorsorgefonds eingerichtet werden - mit dem Ziel, die Beiträge
zur Pflegeversicherung auch dann stabil zu halten, wenn in 20 Jahren
die Generation der Babyboomer ins typische Pflegealter kommt. Mehr
als eine Milliarde Euro pro Jahr soll in den Fonds fließen. Um das
Reformvorhaben finanzieren zu können, wird der Beitragssatz ab dem 1.
Januar um 0,3 Prozentpunkte steigen - und um weitere 0,2 ab 2017 im
Rahmen des zweiten Pflegestärkungsgesetzes, das einen neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren
einführen will. Die bisherige Unterscheidung zwischen
Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken
soll wegfallen.

Hinweis für die Redaktion:

Infografiken zur TK-Pflegestudie sowie honorarfreie Pressefotos
(Suchbegriff für die Bildersuche: Senioren) stehen unter
www.presse.tk.de im Bereich Illustrationen zur Verfügung.



Pressekontakt:
Teresa Urban (TK-Pressestelle)
Tel.: 040 - 6909-1783,
E-Mail: pressestelle@tk.de,
Social Media Newsroom: www.newsroom.tk.de,
Twitter: www.twitter.com/tk_presse


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