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Börsen-Zeitung: Krise wird ausgeblendet, Marktkommentar von Kai Johannsen

Geschrieben am 25-04-2014

Frankfurt (ots) - Investoren werden bekanntlich von Renditen
angelockt, und zwar von hohen bzw. attraktiven Renditen. Und diese
hohen Renditen finden die Anleger momentan unter anderem bei Anleihen
aus der Eurozonenperipherie. 2,85%, 3,10%, 3,14% und 3,66% - das ist
an den Märkten im Bereich der Peripherie derzeit die Definition von
hoch bzw. attraktiv. Denn das sind die Sätze, die zehnjährige
Staatsanleihen aus Irland, Spanien, Italien und Portugal am Freitag
der abgelaufenen Woche abwarfen. Richtig - die Krisenländer! Diese
Sätze waren vor drei Jahren, als die Staatsschuldenkrise in vollem
Gange war, das Renditeniveau des Bundes. BBB-Staaten liegen heute auf
dem Zins- bzw. Renditeniveau eines Triple-A-Landes vor drei Jahren.
Nur Griechenland muss mit gut 6% mehr bezahlen. Derartige Sätze
liegen beim Bund zugegebenermaßen noch etwas weiter in der
Vergangenheit. Wenn dieser Renditeabstieg in der Peripherie in diesem
Ausmaß weitergeht, dann wird der Bund wohl irgendwann einen Pick-up
gegenüber der Peripherie bieten und die Anleger kehren auf ihrer Jagd
nach Rendite um und streichen die hohen Sätze dann beim Bund ein.
Spaß beiseite - so irrsinnig wird es dann wohl doch nicht werden.
Hoffentlich!

Nun auf Niveau des Bundes

Ohne Frage spiegelt der Renditerückgang in der Peripherie eine
verbesserte konjunkturelle Entwicklung sowie entsprechende Hoffnungen
auf eine weitergehende wirtschaftliche Belebung, anhaltende
Haushaltskonsolidierung, eine Erholung am Arbeitsmarkt,
wettbewerbsfähigere Volkswirtschaften etc. wider. Aber das Ausmaß des
Renditerückgangs seit Mitte 2012 ist damit wahrlich nicht zu
erklären. Spanien lag zum Höhepunkt der Krise bei zehnjährigen
Bondrenditen von mehr als 7,5%. Bei Griechenland waren Renditen von
20% und mehr an der Tagesordnung. Und nun bei Spanien, Italien,
Irland und Portugal Bund-Niveau des Jahres 2011?

Der enorme Renditerückgang ist zum größten Teil auf zwei andere
Gründe zurückzuführen. Seit Mitte 2012 wirkt am Peripheriemarkt der
sogenannte Draghi-Put. Mario Draghi, Chef der Europäischen
Zentralbank, hatte den Marktteilnehmern seinerzeit in Aussicht
gestellt, den Krisenländern im Fall der Fälle mit umfangreichen
Bondkäufen zur Seite zu stehen. Seitdem greifen die Anleger in der
Peripherie zu, denn sie wissen, dass sie die Papiere bei einem
Kurssturz der EZB andienen können. Diese verstärkten Käufe führen zu
den Renditerückgängen und den enormen Spread-Einengungen gegenüber
den Bundesanleihen. Der Spread zwischen Bund - die Rendite der
zehnjährigen Bundesanleihe war am Freitag knapp unter 1,5% - und
Irland ist damit bei rund 140 Basispunkten. Das sah bekanntlich auch
schon mal anders aus. Derartig enge Spreads zwischen mit BBB-Rating
benoteten Staaten und dem Benchmark-Emittenten der Eurozone dürfen
wohl zumindest als ein wenig übertrieben eingestuft werden.
Gerechtfertigt sind diese Spread- bzw. Renditeniveaus mitnichten.

Befeuert wird der Renditeabstieg der Peripherieanleihen aber auch
noch durch einen weiteren Faktor: den festen Euro-Wechselkurs und die
Befürchtung, dass es zu einer Deflation kommen könnte. Viele
Marktteilnehmer rechnen damit, dass die europäischen Währungshüter zu
unkonventionellen Maßnahmen greifen werden, um den Euro-Kurs in den
Griff zu bekommen bzw. sich gegen die Deflation(sgefahren) zu
stellen. Damit rückt ein Renditeanstieg in Europa noch weiter in die
Ferne, d.h. die Renditen bleiben niedrig. Die Anleger zurren deshalb
jeden noch so kleinen Rendite-Pick-up in der Peripherie fest. Diese
Investments führen wiederum zu weiteren Renditerückgängen. Und wenn
Investoren davon ausgehen, dass gute 3% bei zehnjährigen
Peripheriebonds bald schon der Vergangenheit angehören werden und
dann nur noch 2,9% oder 2,7% zu bekommen sind, und deshalb kräftig
zugreifen, entsteht eine Abwärtsspirale. Der Markt entfernt sich
damit immer mehr von der fundamental gerechtfertigten
Renditerealität.

Nicht gerade beruhigend

Denn die Renditen liegen derzeit auf mehrjährigen Tiefs oder auf
den tiefsten Ständen seit Einführung der Gemeinschaftswährung. Anders
ausgedrückt: Die Jagd der Investoren nach Rendite(-Pick-ups) hat dazu
geführt, dass die Staatsschuldenkrise, die sich ohne Zweifel deutlich
entspannt hat, am Markt angesichts des Preisniveaus mittlerweile aber
vollkommen ausgeblendet wird. Das Auseinanderklaffen von
Marktbewertungen und ökonomischer Realität war in der Vergangenheit
meist kein beruhigendes Signal.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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