(Registrieren)

DER STANDARD-Kommentar: "Ein System mit Immunschwäche"

Geschrieben am 10-04-2014

Das Arbeitszeitproblem der Spitäler zeigt, wie wenig
Handlungsspielraum Stöger hat (ET 11.4.2014)

Wien (ots) - Weltbewegendes gibt es aus dem Sozialministerium zu
vermelden: Pfeilschnell hat man dort im Zuge eines Krisentreffens
erkannt, dass die heimischen Spitalsärzte zu viel arbeiten - und eine
Arbeitsgruppe eingerichtet. Drei Wochen nach einer Mahnung der
EU-Kommission, die von Österreich eine unionskonforme Lösung fordert.
Bis zu 72 Wochenstunden dürfen Ärzte hierzulande arbeiten, die EU
wünscht maximal 48. Bis Ende Mai soll nun die Arbeitsgruppe eine
Lösung finden.

Dass kein Patient von einem übermüdeten Arzt operiert werden will,
liegt auf der Hand. Darüber hinaus ist die Gemengelage kompliziert:
Kürzer arbeiten, das mag für Ärzte grundsätzlich fein klingen. Aber
es gibt Gruppen, die zu Recht um ihr Gehalt fürchten. Turnusärzte
oder junge Oberärzte zum Beispiel, deren Monatsbrutto ohne Zulagen
sich in manchen Bundesländern zwischen 2000 und 3000 Euro bewegt.

Das ist wahrlich kein üppiges Salär für jemanden, der viele Jahre
studiert hat und in dessen Beruf es potenziell um Leben und Tod geht.
Da bringen Überstunden, Nacht- und Wochenenddienste ein willkommenes
Zubrot. Ohne ein höheres Grundgehalt für Mediziner wird es keine
Arbeitszeitreform geben können. Und dass ältere Ärzte zugunsten
jüngerer auf Gehalt verzichten, darf bezweifelt werden.

Dann sind da die Spitalserhalter - in der Regel die Länder -, die
eine Explosion ihrer Lohnkosten fürchten, falls sie die fehlenden
Ärzte überhaupt finden. Sogar in Wien, wo mehrere Jahre Wartezeit auf
einen Turnusplatz bis vor kurzem noch Usus waren, sind mittlerweile
die Wartelisten praktisch leer. Ländliche Krankenhäuser kämpfen seit
Jahren mit Nachwuchsmangel. Dabei ist man gerade erst am Beginn des
Flaschenhalses, der durch die Zugangsbeschränkungen zum
Medizinstudium entstanden ist.

2011 scheiterte zuletzt ein Anlauf des Sozialministers, kürzere
Ärztedienstzeiten zu etablieren - hauptsächlich am Widerstand der
Länder. Sozialminister Rudolf Hundstorfer kann seinen Genossen,
Gesundheitsminister Alois Stöger, wohl um Rat fragen, wie man die
Länder an die Kandare bringt. Aber Stöger hat in dieser Frage kraft
des Gesetzes rein gar nichts zu sagen.

In all der Fragmentiertheit des Gesundheitssystems ist das
vielleicht das größte Dilemma: dass der, der das große Ganze im Blick
haben sollte - der Minister -, nur wenig Handlungsspielraum hat.

Ein paar Beispiele gefällig? Ob sich die Gratiszahnspange
finanziell in die Tat umsetzen lässt, hängt rein von den
Verhandlungen der Sozialversicherung mit der Zahnärztekammer ab. Ob
die Gesundheitsreform ein Erfolg wird, liegt in den Händen der
Landespolitik und der Gebietskrankenkassen. Über die Zahl der
Medizinstudienplätze entscheidet der Wissenschaftsminister. Und zu
welchen Bedingungen junge Ärzte angestellt werden - hier schließt
sich der Kreis -, der Sozialminister. Der hat am Donnerstag
sicherheitshalber schon prognostiziert, dass die Arbeitszeitreform
"Jahre brauchen" wird.

Ein Jahrhundertprojekt wäre es wohl, das Gesundheitsministerium -
das vor wenigen Monaten noch von der Abschaffung bedroht war - mit
echten Kompetenzen auszustatten. Dann wäre Schluss mit den vielen
Reibungsverlusten, die zu einer chronischen Immunschwäche des
Gesundheitssystems führen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

522163

weitere Artikel:
  • Die EDHEC Business School wurde von der AACSB erneut für 5 Jahre akkreditiert: eine Anerkennung des Modells "EDHEC for Business" Paris (ots/PRNewswire) - Die AACSB hat die Akkreditierung der EDHEC Business School um weitere fünf Jahre verlängert. Damit bestätigt sie erneut den Platz der Schule unter den 5 % der weltweiten Institutionen, die mit diesem Exzellenzlabel ausgezeichnet sind (Quelle: AACSB). Die multimediale Pressemitteilung finden Sie unter folgendem Link: http://www.multivu.com/mnr/71400515-edhec-business-re-accredited-b y-aacsb Dies ist das dritte Mal seit 2004, dass die Schule diese Akkreditierung, die jedes Mal für die Höchstdauer mehr...

  • TÜV Rheinland: Von Ostern bis Oktober ist Zeit für Sommerreifen / Weniger Verschleiß und kürzerer Bremsweg / Nach spätestens acht Jahren Pneus entsorgen / DOT-Nummer auf der Flanke gibt das Alter an Köln (ots) - Es ist jetzt wieder Zeit, um auf Sommerreifen zu wechseln. Von "O bis O, lautet die Faustregel", also von Ostern bis Oktober "Bei steigenden Temperaturen sind Sommerreifen die bessere Wahl, da sie wegen ihrer Gummimischung auf warmem Asphalt weniger verschleißen, das spezielle Profil die Fahreigenschaften verbessert und den Bremsweg deutlich verkürzt", sagt Hans-Ulrich Sander, Kraftfahrtexperte von TÜV Rheinland. Beim Wechsel auf die Profiltiefe achten. Der Gesetzgeber schreibt zwar 1,6 Millimeter vor, doch sicherer mehr...

  • TLC am 10. April um 20:15 Uhr im deutschen Free-TV gestartet München (ots) - - Senderchefin Susanne Aigner-Drews gab zusammen mit BLM-Präsident Siegfried Schneider, US-Star Buddy Valastro und Moderatorin Jana Ina Zarrella den Startschuss - "Wir sind sehr stolz, dass TLC in Deutschland gestartet ist." - 400 Gäste aus Medien, Wirtschaft und Showbiz feierten in München Der Startschuss für TLC ist gefallen. Der Sender aus dem Hause Discovery Networks Deutschland ging am 10. April um 20:15 Uhr auf Sendung. Auf den roten Knopf drückten Susanne Aigner-Drews, Geschäftsführerin mehr...

  • Nikotinersatz bleibt Privatsache / Arzneimittel zur Nikotinentwöhnung werden weiterhin nicht von den Kassen erstattet Baierbrunn (ots) - Schlechte Neuigkeiten für Raucher, die den Zigaretten entsagen wollen: Arzneimittel zur Nikotinentwöhnung werden auch in Zukunft nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung stehen, berichtet die "Apotheken Umschau". Das stellte die Bundesregierung als Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei klar. Mittel zur Raucherentwöhnung seien "Lifestyle-Präparate", deren Einsatz durch die private Lebensführung bedingt ist. Für die Finanzierung solcher Mittel sei daher jeder selbst verantwortlich. mehr...

  • Rätselhaftes Bröckeln / Ein bisher nicht erklärbares Phänomen zerstört Backenzähne Jugendlicher Baierbrunn (ots) - Ein neues Phänomen bereitet Zahnärzten Kopfzerbrechen: bröckelnde Backenzähne bei Jugendlichen, deren Ursache sie noch nicht kennen. Sie nennen es MIH (Molar-Incisor-Hypomineralisation), was "verminderte Mineralisation von Zahnschmelz" bedeutet. Das Problem scheint international zuzunehmen, berichtet das Apothekenmagazin "Baby und Familie". Bis zu einem Viertel der Kinder und Jugendlichen sind betroffen. In einfacher Ausprägung zeigen die Zähne weiße oder gelbliche Wölkchen, die im Laufe des Wachstums verschwinden. mehr...

Mehr zu dem Thema Sonstiges

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

Sat1.de mit neuem Online-Spiele-Portal Sat1Spiele.de / SevenOne Intermedia baut Bereich Games weiter aus

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht