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Börsen-Zeitung: Flucht aus der Türkei, Marktkommentar von Grit Beecken

Geschrieben am 27-12-2013

Frankfurt (ots) - Recep Tayyip Erdogan ist zum Jahresende hin in
der Gunst der internationalen Anleger noch einmal deutlich gesunken.
Der Korruptionsskandal rund um den türkischen Ministerpräsidenten hat
einen Ausverkauf türkischer Vermögenswerte ausgelöst. Damit dürften
die Bemühungen Erdogans, sich als Architekt der Wirtschaftswende und
des Aufschwungs des Schwellenlandes zu etablieren, endgültig
gescheitert sein.

Doch der Reihe nach: Im Sommer demonstrierten Hunderttausende in
Istanbul und Ankara gegen Erdogans Politik, die anfänglichen
Demonstrationen weiteten sich schnell auf viele größere Städte der
Türkei aus. Der Premier schlug den Aufstand nieder. Investoren
reagierten verschreckt, ihre Verkäufe schickten Lira, Anleihen und
Aktienkurse in den Keller. Zwar konnten sich die Finanzmärkte in den
folgenden Monaten wieder etwas berappeln, die politischen Unruhen
aber hielten an.

Teurer Korruptionsskandal

Über die Weihnachtstage sorgte nun ein Korruptionsskandal dafür,
dass Erdogan sein Kabinett in einer Hauruck-Aktion umbauen musste, er
wechselte insgesamt 10 seiner 26 Minister aus. Die Rufe nach seinem
eigenen Rücktritt werden immer lauter, schließlich habe er die
Käuflichkeit seiner Mitstreiter jahrelang geduldet, heißt es. Die
Aussicht auf die bislang schwerste Krise in der Ära Erdogan gibt den
Finanzmärkten des Landes nun anscheinend den Rest - für ein Land, das
massiv von ausländischem Kapital abhängt, ist das ein existenzielles
Risiko. Wie die türkische Notenbank berichtet, haben internationale
Investoren ihre Bestände an türkischen Staatspapieren in der Woche
zum 20. Dezember um 532 Mill. Dollar auf ein Dreimonatstief von 53,8
Mrd. Dollar reduziert. Bereits in der Vorwoche hatten sie per saldo
für 1,38 Mrd. Dollar verkauft. Zum Vergleich: Vor Beginn der Proteste
- nämlich im Mai - summierten sich die Positionen noch auf 72 Mrd.
Dollar.

Wachstum auf Pump

Dieses Kapital hat der von Erdogan geführten Regierung geholfen,
das Wachstum der vergangenen Jahre zu finanzieren. Und das war
durchaus opulent: Seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren hat sich
das nominelle Bruttoinlandsprodukt des Landes mehr als verdreifacht.
Die Dollar-Anleihen der Türkei kommen im Schnitt auf ein Jahresplus
von 9,7%.

Tempi passati. Die Korruptionsuntersuchungen und die Aussicht auf
anhaltende politische Unruhen haben die Finanzmärkte weiter in den
Keller geschickt und kosten Erdogan Investorenvertrauen. Am Freitag
gab der Leitindex ISE100 an der Börse in Istanbul um 1% nach.

Lira im Keller

Und das war nur die Fortsetzung der Talfahrt an den beiden
Weihnachtsfeiertagen. Auf Wochensicht hat der türkische Leitindex
rund 8% verloren. Größte Verlierer waren Finanztitel - schließlich
dreht sich ein Gutteil der Affäre um die staatliche Halkbank. Die
soll versuchen, illegale Goldgeschäfte mit dem Iran zu vertuschen.
Infolge des Massenexodus der Anleger gab auch die Lira weiter nach -
im Tief fiel sie am Freitag auf 2,1764 Lira je Dollar - und erreichte
damit ein Rekordtief. Für manch einen Marktteilnehmer war das der
letzte Beleg dafür, dass die "Fassade von wirtschaftlicher Kompetenz,
die die Regierung in den vergangenen Jahren so sorgsam aufgebaut
hat", nun daniederliegt. So formulierte es zumindest Michael Shaoul,
Chief Executive Officer bei Marketfield Asset Management, gegenüber
Reuters.

Am Staatsanleihenmarkt kletterten die Renditen der zweijährigen
türkischen Benchmark-Bonds um 41 Basispunkte auf 9,82%. Wie Bloomberg
errechnet, erhöht sich das Renditeplus in diesem Jahr damit auf
stolze 384 Basispunkte. Bei der richtungsweisenden zehnjährigen
Staatsanleihe stieg die Rendite um 0,46 Prozentpunkte auf 10,27%.
Zuvor hatte die Rendite bei 10,33% den höchsten Stand seit 2010
erreicht. Zum Vergleich: Vor Beginn der aktuellen Regierungskrise in
Ankara Mitte Dezember lag der Zinssatz für zehnjährige Papiere noch
bei rund 9,3%. Gleichzeitig steigen die Preise von
Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS). Die CDS mit
einer Laufzeit von fünf Jahren stiegen um über 30 Basispunkte auf 253
Basispunkte und erreichten damit das Niveau, auf dem sie zuletzt vor
18 Monaten notierten.

Die kommenden Wochen dürften für die türkischen Finanzmärkte
stressig werden. Schließlich ist mittlerweile bei allen Investoren
das Signal angekommen, dass es sich bei den Unruhen nicht um ein
vorübergehendes Phänomen handelt, sondern dass die Türkei vermutlich
vor größeren Umwälzungen steht.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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