(Registrieren)

Turbo-Abi entschleunigen! - Eltern kritisieren das deutsche Schulsystem / 2. JAKO-O Bildungsstudie veröffentlicht

Geschrieben am 05-09-2012

Berlin (ots) - Die Eltern schulpflichtiger Kinder kritisieren das
deutsche Schulsystem massiv: Wie die 2. JAKO-O Bildungsstudie zeigt,
fordern sie mehrheitlich den weiteren Ausbau von Ganztagsschulen und
eine sechsjährige Grundschulzeit. Die Schulzeitverkürzung an
Gymnasien lehnen die Eltern ab. "Dieses klare Bekenntnis zum
neunjährigen Gymnasium muss man als Ohrfeige für die
Bildungspolitiker aller Parteien und die Kultusministerkonferenz
werten", sagte der Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann
von der Universität Bielefeld bei der Präsentation der
Studienergebnisse in Berlin. Für die repräsentative Untersuchung
wurden im Januar 2012 bundesweit 3.000 Eltern mit schulpflichtigen
Kindern im Alter bis zu 16 Jahren vom Sozialforschungsinstitut TNS
Emnid befragt.

G8 oder G9? - Eindeutige Ablehnung der gymnasialen
Schulzeitverkürzung

Klare Stellung beziehen die Eltern bei der Frage, ob Kinder das
Abitur nach 12 oder 13 Schuljahren machen sollen: Hätten sie die
Wahl, würden acht von zehn Eltern (79 %) eine neun Jahre dauernde
Gymnasialzeit (G9) für ihr Kind wählen. Nur 17 % sind Anhänger der
achtjährigen Variante (G8). Ebenfalls 79 % der Eltern sind der
Meinung, man sollte generell zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren.
Wenn es beim achtjährigen Gymnasium bleibt, dann müssten aus
Elternsicht zumindest die Lehrpläne an die kürzere Lernzeit angepasst
werden. Das sagen 59 % der Befragten. "Eine Reform, die auf Anpassung
der Lehrpläne und Reduzierung des Leistungsdrucks zielt, ist aus
Sicht der Eltern unumgänglich", sagte Tillmann.

Weiter gestiegen: massiver Wunsch nach Ganztagsschulen

Die Forderung nach mehr Ganztagsschulen ist seit der 1. JAKO-O
Bildungsstudie von 2010 noch einmal deutlich gestiegen: Damals
wünschten sich 59 % der Eltern für ihr Kind eine Schule mit
Ganztagsangebot. 2012 sind es 70 %. Nur noch knapp ein Drittel (28 %)
der Eltern bevorzugt eine Halbtagsschule. Die Dramatik dieses
Ergebnisses: Der Ausbau der Ganztagsschulen hält mit dem Anstieg der
Elternwünsche nicht Schritt. Tillmann: "In allen Bundesländern
besteht eine große Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Knapp
die Hälfte der Eltern können den gewünschten Ganztagsplatz für ihr
Kind nicht erhalten."

Dauer der Grundschule: Mehrheit für sechs Jahre

Auch bei der Frage nach der Dauer der Grundschule beziehen die
Eltern eindeutig Stellung: Die gegenwärtig vorherrschende Praxis der
vierjährigen Grundschule lehnen drei von vier Eltern ab. Eine
deutliche Mehrheit möchte den Kindern mehr Zeit für das gemeinsame
Lernen einräumen: 60 % der Eltern sprechen sich für eine sechsjährige
Grundschule aus, weitere 15 % wollen den Übergang in die
Sekundarstufe erst nach der 9. Klasse. Diese Zahlen bestätigen die
Ergebnisse der 1. JAKO-O Bildungsstudie von 2010. Damit wird erneut
deutlich: Elterninitiativen, die eine sechsjährige Grundschule
verhindern (wollen), vertreten eine Minderheitenposition.

Zustimmung und Skepsis: gemeinsamer Unterricht mit behinderten
Kindern

Der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen
(Inklusion) stimmen Eltern nicht vorbehaltlos zu. Wenn es um
körperlich beeinträchtigte Kinder und Kinder mit Lernschwierigkeiten
geht, findet der gemeinsame Unterricht große Unterstützung: 89 % bzw.
72 % der Eltern sprechen sich dafür aus. Die unterrichtliche
Integration von Kindern mit geistigen Behinderungen und solchen mit
Verhaltensauffälligkeiten wird dagegen nur von knapp der Hälfte
(jeweils 46 %) unterstützt. "Diese Ergebnisse machen deutlich: Der
Weg zur inklusiven Schule wird kein Selbstläufer sein", sagte
Tillmann. Notwendig seien Maßnahmen, die den beidseitigen Vorteil der
gemeinsamen Beschulung für die Eltern konkret fassbar machen.

Faire und einheitliche Bildung - gewünscht, aber nicht erreicht

Mit jeweils 84 % hält es die große Mehrheit der Eltern für "sehr
wichtig", dass alle Kinder in Deutschland die gleichen
Bildungschancen haben und dass Wert auf soziales Verhalten gelegt
wird. 80 % der Eltern möchten zudem, dass ihre Kinder in der Schule
eine umfassende Allgemeinbildung erhalten. 79 % wünschen sich, dass
lernschwache Schüler besser gefördert werden. Dass Schüler in allen
Bundesländern die gleichen Bedingungen vorfinden, ist für 74 % der
Eltern ein "sehr wichtiges" Ziel der deutschen Bildungspolitik.
Bessere Begabtenförderung (52 %), eine stärker berufsbezogene
Schulausbildung (44 %) und vor allem die Betonung des
Leistungsprinzips (28 %) sind hingegen bildungspolitische Ziele, die
auf vergleichweise wenig Zustimmung der Eltern stoßen. Die Wünsche
der Eltern decken sich jedoch nicht mit der Realität: Am ehesten
sehen Eltern im heutigen Bildungssystem verwirklicht, dass Leistung
im Vordergrund steht (74 %) - das Ziel, dem am wenigsten Bedeutung
beigemessen wird. Heftige Kritik äußern Eltern an der Umsetzung der
Ziele, die von ihnen als am wichtigsten erachtet werden: Dass
Chancengleichheit für alle Kinder herrscht meinen lediglich 28 %, die
Förderung lernschwacher Schüler halten 29 % für umgesetzt. Von
einheitlichen Bedingungen in ganz Deutschland ist die fragmentierte
Schullandschaft in den Bundesländern weit entfernt - das meinen auch
83 % der Eltern. Immerhin: Im Vergleich zur 1. JAKO-O Bildungsstudie
2010 sind bei allen aus Elternsicht wichtigen Zielen der
Bildungspolitik leichte Verbesserungen im jeweiligen Grad der
Verwirklichung zu verzeichnen.

Kompetent und motiviert - aber: Lehrer sind Einzelkämpfer

Den Lehrern stellen Eltern insgesamt ein gutes und im Vergleich
zur 1. JAKO-O Bildungsstudie 2010 sogar besseres Zeugnis aus. Fast
alle Eltern sind von der Fachkompetenz der Lehrer überzeugt (90 %).
84 % halten die Lehrer für gerecht, 80 % für insgesamt sehr
engagiert. Das pädagogisch-methodische Wissen und Können der
Lehrkräfte wird unterschiedlich eingeschätzt. Eltern bescheinigen den
Lehrern zwar mit hoher Zustimmung, dass sie Interesse bei ihren
Schülern wecken und gut erklären können (81 % bzw. 78 %), den Einsatz
neuer Unterrichtsmethoden erkennen mit 63 % hingegen deutlich
weniger. Beim Thema Zusammenarbeit zeichnet sich ein differenziertes
Bild ab: Eltern attestieren Lehrkräften, dass sie sich für gute
Beziehungen zu ihren Schülern einsetzen (88 %) und an einer
Zusammenarbeit mit den Eltern interessiert sind (84 %). Weniger gut
schätzen Eltern die kollegiale Zusammenarbeit der Lehrer ein: Nur 68
% meinen, dass die Lehrer sich untereinander absprechen. "Das kann
sich in der Praxis an gegensätzlichen Aussagen über das Kind, an
inhaltlichen Überschneidungen, an Ballungen bei den Hausaufgaben oder
Projektarbeiten zeigen", sagte die Bildungsforscherin Prof. Dr.
Dagmar Killus von der Universität Hamburg auf der Pressekonferenz in
Berlin.

Eltern als Hilfslehrer

91 % der Eltern fühlen sich verpflichtet, sich eingehend um die
schulischen Leistungen ihrer Kinder zu kümmern. Knapp drei Viertel
der Eltern (74 %) geben an, sich intensiv mit der Schule zu
beschäftigen. Eltern werden dabei auf unterschiedliche Art und Weise
aktiv: 94 % stellen sicher, dass das Kind seine Hausaufgaben in Ruhe
erledigen kann, 69 % kontrollieren die Aufgaben anschließend. 77 %
der Eltern helfen ihren Kindern Klassenarbeiten und Referate
vorzubereiten, 63 % erarbeiten grundsätzlich gemeinsam mit ihrem
Nachwuchs den Lernstoff. Die Kritik der Eltern: Sie haben dabei
häufig das Gefühl, Dinge zu leisten, die sie eigentlich als Aufgabe
der Schule sehen. 60 % beklagen, dass die Schule ihren Aufgaben nur
unzureichend nachkommt. Killus: "Hier stellt sich die Frage, wie
Eltern aktiv beteiligt werden können, ohne in die Rolle des
'Hilfslehrers' zu geraten. Notwendig sind adäquate Konzepte zur
Einbeziehung von Eltern in das schulische Lernen ihrer Kinder, aber
auch neue Unterrichtskonzepte und systematische Hausaufgabenhilfen in
den Schulen."

Alle Ergebnisse der 2. JAKO-O Bildungsstudie sowie ausführliches
Hintergrundmaterial steht zum Download im Internet bereit:
ftp://jako-o-presse:ja9-Press7@ftp.mastermedia.de

Videos/Footage-Material finden Sie (ab 5.9.2012, ca. 15.00 Uhr)
hier: http://footage.presseportal.de/tag/JAKO-O+Bildungsstudie

Zum Nachlesen: Fachbuch und Magazin zur 2. JAKO-O Bildungsstudie

Dagmar Killus, Klaus-Jürgen Tillmann (Hrsg.), "Eltern ziehen
Bilanz - Ein Trendbericht zu Schule und Bildungspolitik in
Deutschland", 240 Seiten, Waxmann Verlag, Münster, ISBN:
978-3-8309-2755-6, Preis: 24,90 EUR (erhältlich über www.jako-o.de
(Art.-Nr. 641-617), www.waxmann.com und im Buchhandel)

JAKO-O (Hrsg.), "2. JAKO-O Bildungsstudie - Eltern beurteilen
Schule in Deutschland. Das Magazin zur Studie", 72 Seiten, Bad
Rodach, ISBN: 978-3-939776-14-7, Preis: 2,00 EUR (erhältlich über
www.jako-o.de (Art.-Nr. 641-618))



Pressekontakt:
Volker Clément
MasterMedia GmbH
Tel.: 040 507113-40
Fax: 040 591845
E-Mail: volker.clement@mastermedia.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

415604

weitere Artikel:
  • Menschen mit Diabetes müssen keine Couch-Potatoes sein: Diabetes läuft mit - Schritt für Schritt (BILD) Leverkusen (ots) - Regelmäßige Bewegung hat positiven Effekt - auf Körper und Blutzuckerspiegel / Messgenauigkeit mit CONTOUR® XT als Basis für ein erfolgreiches Diabetes-Management vom Start bis zum Ziel Auch dieses Jahr wurden bei den Olympischen Spielen sportliche Höchstleistungen vollbracht. Für viele Menschen ist die Freude über die Erfolge der Athleten ein Ansporn, sich selbst in Bewegung zu setzen und den gemütlichen Fernsehsessel gegen ein Paar Trainingsschuhe zu tauschen. Chronische Erkrankungen wie Diabetes sind mehr...

  • Shell to Construct World's First Oil Sands Carbon Capture and Storage (CCS) Project Calgary, Alberta (ots/PRNewswire) - Shell today announced that it will go ahead with the first carbon capture and storage (CCS) project for an oil sands operation in Canada. The Quest project will be built on behalf of the Athabasca Oil Sands Project joint venture owners (Shell, Chevron and Marathon Oil[1]) and with support from the Governments of Canada and Alberta. To view the Multimedia News Release, please click: http://multivu.prnewswire.com/mnr/prne/shell-first-oil-sands-css- project/56586 CCS is critical to mehr...

  • Aktuelle Umfrage der Familienzeitschrift familie&co: Eltern wünschen sich Respekt von ihren Kindern Freiburg (ots) - Respekt ist das wichtigste Erziehungsziel von Eltern minderjähriger Kinder: 93 Prozent der deutschen Eltern halten Respekt vor Autoritäten generell für wünschenswert. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage der Zeitschrift familie&co (Ausgabe vom 05.09.), die vom Marktforschungsportal FamilyVote.de und dem Institut YouGov durchgeführt wurde. Befragt wurden 512 Mütter und Väter von Kindern im Alter bis 18 Jahre in Deutschland. Wie die Ergebnisse zeigen, hat sich in den vergangenen 16 Jahren einiges mehr...

  • "Die Reformation ist noch nicht vollendet"/ EKD-Vizepräsident Thies Gundlach zur Initiative "Ökumene jetzt!" Hannover (ots) - Der theologische Vizepräsident im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. Thies Gundlach, äußerte sich zum Manifest der Initiative "Ökumene jetzt" am heutigen Mittwoch in Hannover: "Es ist gut und wichtig, dass Christenmenschen die Initiative ergreifen und Kirche gestalten wollen, das entspricht der reformatorischen Tradition. Die beiden großen Erinnerungsdaten 500 Jahre Reformation und 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil sind glänzende Gelegenheiten, die Ökumene mit neuem Schwung zu mehr...

  • Aerocool Mechatron - variantenreicher Midi-Tower für Gamer und PC-Enthusiasten München (ots) - Aerocool Advanced Technologies präsentiert das brandneue Gehäuse Aerocool Mechatron. Das Chassis ist in zwei Varianten verfügbar: als Black Edition und als White Edition. Für die beiden Editionen stehen jeweils zwei Side Panels zur Wahl: Nutzer können zwischen einer Seitenwand aus vergittertem Metall oder aus transparentem Acryl wählen. Das Aerocool Mechatron hat vier 3,5"-HDDs und kann zudem bis zu sieben 2,5"-Festplatten aufnehmen. Es verfügt über zwei USB 3.0-Ports oder zwei USB 2.0-Ports sowie Anschlussmöglichkeiten mehr...

Mehr zu dem Thema Sonstiges

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

Sat1.de mit neuem Online-Spiele-Portal Sat1Spiele.de / SevenOne Intermedia baut Bereich Games weiter aus

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht