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"Die Leute müssen die Tiger sehen" (BILD)

Geschrieben am 28-07-2012

Berlin (ots) -

Am 29. Juli ist der Internationale "Tiger Day". Weltweit gibt es
nach WWF-Schätzungen nur noch rund 3.200 Tiger - viele davon in
Indien. Der Subkontinent gehört zu den artenreichsten Ländern der
Welt. Sejal Worah, Leiterin des WWF-Naturschutzprogrammes in Indien
im Gespräch über Mensch-Tier-Konflikte, die große Tigerzählung, den
kontrovers diskutierten Tourismus und was Deutschland von Indien
lernen kann.

Gibt es einen speziellen indischen Ansatz bei den Themen
Umweltschutz und Biodiversität?

Natürlich haben wir in einem so dicht besiedelten Land wie Indien
starke Mensch-Tiere-Konflikte. Was man lernen kann, ist wie Inder
damit umgehen. Im Gegensatz zu anderen Ländern in Asien haben wir
noch wirklich viele wilde Tiere - das hat auch mit unserer Kultur zu
tun. Es kommt recht oft vor, dass ein Tiger eine Kuh reißt oder dass
ein Elefant einem Bauer das Feld verwüstet - und das ist meistens
existenzieller, als wenn in Europa ein Wolf aus einer Herde von 500
Tieren zwei Schafe frisst. In den Gebieten, die an Tigergebiete
grenzen, gehen die Verluste von Vieh teilweise in den vierstelligen
Bereich - pro Jahr. Die Betroffenen zeigen aber gerade in Indien
meist eine unglaubliche Toleranz gegenüber den Tieren. Sie sind nicht
böse auf das Tier, die natürliche Koexistenz zwischen Mensch und Tier
wird nicht in Frage gestellt. Elefanten und Tiger müssen ja
schließlich auch fressen, sagen die Bauern dann. Von diesem Respekt
gegenüber der Natur kann man viel lernen - wobei man sagen muss, dass
diese Einstellung sich auch ändert.

Inwiefern?

Vor kurzem war ich in einem Dorf, dort ist ein Elefant
durchgegangen. Sechs Menschen sind dabei ums Leben gekommen, und zum
ersten Mal war ich dabei, als jemand den Abschuss eines Tieres
gefordert hat. Das war mir neu. Die Haltung hat sich schon verändert:
Ganz generell wächst in Indien die Bedeutung des Geldes. Wir können
diese Entwicklung nicht umdrehen, wir müssen uns ihr stellen. Und das
heißt, dass bei Umweltprojekten auch der finanzielle Vorteil
betrachtet werden muss, dass es sich für die Menschen lohnt, die
Natur zu schützen.

Man schätzt, dass 40 Prozent aller Inder traditionell Vegetarier
sind. Gibt es da einen Zusammenhang zwischen dem Respekt gegenüber
der Natur und der Ernährung?

Zunächst einmal ist Indien ist so groß und unterschiedlich, da ist
es ist wirklich schwer, Generelles zu sagen. Aber ja, die
respektvolle Haltung teilen in der Tat viele Inder. Im Nordosten
Indiens, wo es weniger Vegetarier gibt, sind die Wälder auch
deutlich leerer als im Rest des Landes. Die Tiere werden gejagt und
gegessen, also kann man das schon einen Zusammenhang herstellen.

Worin besteht die Arbeit des WWF Indien vorrangig?

Wir haben in Indien 60 Stationen. Dort arbeiten wir überwiegend im
Feld, also direkt vor Ort in den Projektgebieten. Wir haben aber auch
in fast allen Hauptstädten der indischen Bundesstaaten Regionalbüros,
wo wir Aufklärungs- und Bildungsarbeit machen. Wir beraten die
Politik und arbeiten mit Unternehmen zusammen - es gibt keine andere
NGO, die wie wir in all diesen Feldern engagiert ist. Und dabei haben
wir nur 325 Mitarbeiter in Indien - das ist nicht so viel für unser
riesiges Land mit 1,1 Milliarden Menschen.

Lange gab es in Indien Diskussionen, wie viele Tiger noch in
Indien leben. Es waren verschiedenste Zahlen im Umlauf...

Wir haben vor fünf Jahren damit begonnen, die aufwendigste und
zuverlässigste Tigerzählung durchzuführen, die man sich vorstellen
kann. Wir haben dabei genau 1711 Tiger gezählt. Diese Zahl wird von
allen Tigerfachleuten als Grundlage akzeptiert. Insgesamt betreut der
WWF in Indien mehr als 20 Tigerbeobachtungsstationen.

Der WWF musste in Deutschland in einem Film Kritik wegen
Tigertourismus einstecken...

Ja, ich habe davon gehört. Ich kenne diesen Film, da werden eine
ganze Menge Behauptungen aufgestellt, die einfach nicht stimmen. Ganz
allgemein muss man sagen, dass das Thema Tigertourismus in Indien
kontrovers diskutiert wird. Ich persönlich finde es in Ordnung, wenn
reiche Menschen viel Geld ausgeben, um Tiger zu sehen und ein Teil
des Geldes wieder in Tigerprojekte fließt. Die Leute müssen die Tiger
sehen, damit sie über Tiger etwas lernen und bereit sind, sich für
deren Schutz einzusetzen. Problematisch wird es, wenn der Tourismus
die Tiger stört. Tourismus darf nicht außer Kontrolle geraten. Und
das tut er nicht, wo der WWF beteiligt ist. In Nagahole
beispielsweise arbeiten wir gar nicht, anders als im Film behauptet
wird.

In der Amur-Region ist die Tigerpopulation in den letzten Jahren
konstant. Vor allem die gute Ausbildung von Rangern macht sich im
Tigerschutz bezahlt. Wie ist das in Indien?

Das ist ein großes Thema. Wir nennen sie immer unser Frontkämpfer
- und sie sind hier die am wenigsten geschätzten Naturschützer. Sie
sind oft überarbeitet, unterbezahlt, schlecht ausgerüstet und wir
müssen sie stärken. Wir versuchen stetig Training, Ausrüstung und
Motivation anzubieten - und fordern von der Regierung mehr Geld. Aber
diese Probleme gibt es ja wirklich nicht nur in Indien.

In Indien wächst die Wirtschaft rasant, auch die Bevölkerung nimmt
nach wie vor zu. Welche Konsequenzen hat dies für den Umweltschutz?

Wachstum und Entwicklung sind natürlich ein riesiges Problem für
die Umwelt, wenn man sich das große Bild betrachtet. In der Politik
streitet gerade jedes Ministerium in Indien gegen das
Umweltministerium, weil sie irgendein Projekt durchsetzen wollen.
Umweltschutz wird in den nächsten Jahren eines der größten Probleme
Indiens. Derzeit haben in Indien 400 Millionen Menschen keinen Zugang
zu Elektrizität und leben in absoluter Armut. Um diese Armut zu
bekämpfen, benötigt Indien in den nächsten zwei bis drei Dekaden ein
stetiges Wirtschaftswachstum von ungefähr zehn Prozent. Wir können
also gar nicht gegen Wachstum sein. Aber es ist eine große
Herausforderung, dieses Wachstum nachhaltig zu gestalten. Es heißt
immer, Erneuerbare Energien würden nicht ausreichen,
Energiesicherheit zu gewährleisten. Aber: Indien besitzt, bis auf
Kohle, gar keine fossilen Brennstoffe. Es bleibt sehr spannend, was
hier in Indien passieren wird.



Pressekontakt:
WWF World Wide Fund For Nature
Roland Gramling
Telefon: 030-311 777 425
E-Mail: Roland.Gramling@wwf.de


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