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BERLINER MORGENPOST: Fortschritt bedeutet Mut zum Fehler - Leitartikel von Hajo Schumacher

Geschrieben am 01-07-2012

Berlin (ots) - Achtung, dramatische Information: Deutschland liegt
nicht in allen Ranglisten auf den vorderen Plätzen. Beim Umgang mit
Fehlern schaffen wir gefühlten Superteutonen es auf den vorletzten
Platz von 61 untersuchten Ländern, nur Singapur rangiert dahinter.
Nirgendwo sonst haben die Menschen mehr Angst davor, Fehler zu
machen. Jogi Löw, so modern er daherkommt, ist ein typischer
Deutscher. Aus Angst vor Fehlern hat er alles superrichtig zu machen
versucht. Ob Koch, Psychologe, Physiologe, Analytiker - den deutschen
Kickern stand für jede Lebenslage ein Experte zur Seite. In einem
festungsähnlich abgeschotteten Hotel war der Tagesablauf
biorhythmisch durchoptimiert. Der Zufall hatte draußen zu bleiben.
Fest glaubte der Bundestrainer daran, dass sich Trophäen planen
lassen. Und wir mit ihm. Von Mario Balotelli gibt es ein lustiges
Foto. Die Mannschaftskameraden stretchen bäuchlings auf dem Rasen.
Der italienische Stürmer aber, der die deutsche Elf im Halbfinale
erledigte, liegt träge auf dem Grün und beobachtet gelangweilt die
Turnübungen ringsum. Mitmachen? Nö. Bei Löw hätte sich das kein
Spieler getraut. Der Trainingsplan musste erfüllt werden. Alles
andere wäre ein Fehler. Verboten. Natürlich ist Erfolg nicht allein
mit Exzentrikern zu erzielen. Aber mit null Fehlertoleranz eben auch
nicht. Die gibt es nicht. Zufall, dass die eher zufällig
nachnominierten Dänen 1992 den Titel holten oder 2004 die Griechen,
die keiner auf dem Zettel hatte? Wieder Zufall, dass eine zerzauste
italienische Elf überraschte? Eher nicht. Überraschungsteams sind in
der Lage, sich blitzschnell auf Situationen einzustellen, die im
Training nicht geübt worden sind. Es gehört Selbstbewusstsein dazu,
in einer unerwarteten Lage richtig zu handeln. Deutsche Spieler
gucken hilfesuchend zum Trainer. Naturwissenschaftler Tim Harford hat
die Kraft der Improvisation in seinem Buch "Adapt" untersucht. Der
Naturwissenschaftler verlacht die Planungshörigkeit von Experten,
Politikern oder Trainern. Er plädiert fürs Ausprobieren, im Wissen,
dass Scheitern dazugehört. "Erfolg beginnt mit Misserfolgen", so
Hartford. Dazu gehört allerdings eine Fehlerkultur, vor allem beim
Publikum. Im Vergleich zu anderen Teams hat sich die deutsche Elf
nicht als lernendes System präsentiert. Es gehört zu den ewigen
Gesetzen des Fußballs, dass spätere Titelträger in der Vorrunde oft
mäßig gespielt haben. Das Team musste sich finden, frühe Fehler waren
dienlich, um in der K.-o.-Runde weniger davon zu machen. Die
Lernkurve der deutschen Mannschaft verlief genau andersherum, auch
deswegen, weil wir so fehlerfeindlich sind. Jene deutsche Kultur, in
der der Chef immer recht hat, reagiert mit Hohn und Verachtung auf
jeden, der etwas falsch macht. Deswegen fällt es hierzulande so
schwer, Fehler zuzugeben. Die Lehre für die WM 2014 lautet: Pläne
sind gut, um sie auch mal zu ignorieren. Disziplin ist dem
Lockerlassen nicht automatisch überlegen. Selbstbewusstsein wächst
aus dem Gefühl, mit Unvorhergesehenem fertig geworden zu sein.
Fortschritt bedeutet Mut zum Fehler. Und ein wenig Gelassenheit.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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