Evangelische Kirche trifft Papst Benedikt XVI. in Erfurt/
Zeit für eine "Ökumene der Gaben" - Ökumenischer Gottesdienst in der Augustinerkirche
Geschrieben am 23-09-2011 |   
 
 Hannover (ots) - Eine Delegation der evangelischen Kirche unter  
Leitung des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in  
Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, ist am heutigen Freitag 
zu einem Gespräch mit Papst Benedikt XVI. und seiner Delegation im  
Augustinerkloster zu Erfurt zusammengekommen. Im Anschluss an das  
Gespräch wurde ein ökumenischer Wortgottesdienst in der  
Augustinerkirche gefeiert. 
 
   Bei der Begegnung der 20-köpfigen evangelischen Delegation mit dem 
Papst im Kapitelsaal des Augustinerklosters verlieh der  
Ratsvorsitzende Schneider seiner Freude darüber Ausdruck, dass der  
Papst die Einladung in das Augustinerkloster angenommen habe, jenem  
Kloster also, in dem Martin Luther im Jahre 1505 in den  
Augustiner-Eremitenorden aufgenommen worden sei. Nach einer kurzen  
Begrüßung durch die Landesbischöfin Ilse Junkermann erinnerte der  
Ratsvorsitzende in seiner Ansprache daran, die "getrennt gewachsenen  
Traditionen" in den Konfessionen "nicht als Defizite", sondern als  
"gemeinsame Gaben" zu verstehen. In Fortentwicklung einer "Ökumene  
der Profile" sei es nun an der Zeit für eine "Ökumene der Gaben", in  
der "der große Fortschritt" gefeiert werde, dass wir als getrennte  
Kirchen "freundschaftlich verschieden" sind. 
 
   So würden die beiden Konfessionen das Sakrament der Taufe  
wechselseitig anerkennen. "Menschen in die Kirche als dem Leib  
Christi einzugliedern, trauen wir einander zu und vertrauen wir  
einander an. Darauf können wir bauen und weitere konkrete Schritte zu 
mehr Gemeinsamkeit wagen", so der Ratsvorsitzende wörtlich. 
 
   Schneider erinnerte daran, dass sich die Kirchen der Reformation  
als "Kirche der Freiheit" verstünden. Damit sei keine "unverbindliche 
Beliebigkeit" gemeint, sondern eine Freiheit, die sich im "Ja" zu  
Jesus Christus gründe und allein im Zusammenspiel von Freiheit und  
Bindung wahre Freiheit werde. Diese augustinisch gegründete Theologie 
der Reformation, so Schneider, sei "die besondere Gabe der Kirchen  
der Reformation in einer weltweiten Christenheit". 
 
   Schließlich warb der Ratsvorsitzende in seiner Ansprache dafür,  
"von 2000 Jahren gemeinsamer Kirchengeschichte zu sprechen", denn  
auch nach 1517 seien beide Konfessionen als "Westliche Kirchen" in  
besonderer Weise aufeinander bezogen gewesen - "im Guten und im  
Bösen, in heilsamem Wirken miteinander, aber auch in tödlicher  
Feindschaft gegeneinander". Deshalb sei es, so Schneider, im Blick  
auf das bevorstehende Reformationsjubiläum 2017 an der Zeit,  
Erinnerungen an die "gegenseitigen Verletzungen in der  
Reformationszeit" und der ihr folgenden Geschichte beider Kirchen "zu 
heilen und konkrete Wege der Aussöhnung" zu gehen. 
 
   Abschließend lud der Ratsvorsitzende den Papst als "Bruder in  
Christus" ein, den 31. Oktober 2017 als ein "Fest des  
Christusbekenntnisses" zu verstehen und "mit den Kirchen der  
Reformation" zu feiern, auf dass alle in ökumenischer Verbundenheit  
Christus bezeugten, "damit die Welt glaube" (Johannesevangelium  
Kapitel 17, Vers 21). 
 
   Im anschließenden ökumenischen Wortgottesdienst begrüßte die  
Präses der Synode der EKD, Katrin Göring-Eckardt, Papst Benedikt XVI. 
mit einer geistlichen Meditation. In ihren Ausführungen erinnerte sie 
dabei an Martin Luthers Satz: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr 
über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein  
dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan." Er sei auch  
für die Christinnen und Christen in der DDR ein "kämpferisches, ein  
stärkendes Wort" gewesen. Aus der Geschichte habe man lernen können:  
"Wenn man Mauern zu lange bewacht, Mauern aus Stein und Mauern aus  
Schweigen, dann brechen sie von innen auf, weil die Menschen von der  
Freiheit wissen." 
 
   Ausgehend von der Tageslosung des 23. Septembers aus dem Buch  
Jesaja (Kapitel 26, Vers 9: "Von Herzen verlangt mich nach dir des  
Nachts, ja, mit meinem Geist suche ich dich am Morgen") erinnerte  
Göring-Eckardt an die Gottsuche vieler Menschen heute, die heimatlos  
geworden sind: "Heimatlos auf der Flucht vor Hunger, vor Krieg, vor  
Umweltzerstörung; heimatlos auch durch Gewalt an Körper und Seele,  
heimatlos in Enge und in Verzweiflung. Dagegen gelte es zu erinnern:  
"In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen' heißt es im  
Johannesevangelium (Kapitel 14, Vers 2), und dieses Haus, in dem wir  
wohnen, in das wir kommen können, egal wie wir heißen oder sind, hat  
auch immer noch Zimmer frei für die, die suchen und bei uns Heimat  
finden." Dies gelte für alle Menschen, betonte Göring-Eckardt. "Gott  
sieht uns alle mit der gleichen und nur ihm eigenen großen Liebe an." 
 
   Im Blick auf den gemeinsamen Gottesdienst sagte die Präses  
abschließend: "Wer auf uns schaut, soll spüren, dass wir in allem  
wissen von Gottes Liebe, die uns nicht drängt, sondern trägt, die  
sich manchmal verbirgt und dann wieder leuchtet mit aller Kraft." 
 
   Erfurt/Hannover, 23. September 2011 
 
   Pressestelle der EKD 
 
   Reinhard Mawick 
 
   Es folgen die 
 
   -	Ansprache des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in 
Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, am 23. September 2011  
im Kapitelsaal des Augustinerklosters zu Erfurt -	Begrüßung und  
Geistliches Wort von Frau Präses Katrin Göring-Eckardt im Rahmen der  
Ökumenischen Feier in der Augustinerkirche in Erfurt am 23.09.2011 -	 
Ansprache der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in  
Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, am 23. September 2011 im  
Kapitelsaal des Augustinerklosters zu Erfurt 
 
   Es gilt das gesprochene Wort! Achtung! Sperrfrist: Freitag, 23.  
September 2011, 11.45 Uhr 
 
   Ansprache 
 
   des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland 
(EKD), Präses Nikolaus Schneider, am 23. September 2011 im  
Kapitelsaal des Augustinerklosters zu Erfurt 
 
   Von Herzen freue ich mich darüber, dass Sie, Eure Heiligkeit,  
lieber Bruder in Christus,  unsere Einladung nach Erfurt angenommen  
haben. Sehr gerne begrüße ich Sie und Ihre Delegation sowie die  
Geschwister aus den reformatorischen Kirchen heute in dem Raum, in  
dem Martin Luther in den Orden der Augustiner-Eremiten aufgenommen  
wurde. Das Augustinerkloster in Erfurt prägt unsere Begegnung. 
 
   Christinnen und Christen unserer beiden Kirchen leben in dieser  
Stadt in der Diaspora. Ihr Zusammenleben und ihr gemeinsames Zeugnis  
werden von dem Wissen und der Erfahrung gestärkt, dass uns viel mehr  
verbindet als trennt. Zu den gemeinsamen Gaben gehört unser  
Verständnis der Heiligen Schrift als 'Wort des lebendigen Gottes'.  
Sie leitet unsere Kirchen dazu an, Gott als den Schöpfer und Herrn  
der Welt 'zu fürchten und zu lieben' und ein dem Leben zuträgliches  
Maß menschlicher Lebensentfaltung zu finden. 
 
   In der Heiligen Schrift ermutigt uns im Epheserbrief die Bitte,  
"... dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in 
der Liebe eingewurzelt und gegründet seid." Damit auch die daraus  
folgende Verheißung wahr wird: "So könnt ihr mit allen Heiligen  
begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die  
Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis  
übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle."  
(Eph. 3,17f) 
 
   Im Vertrauen auf dieses Gebet beschreiten wir unseren ökumenischen 
Weg. Daraus gewinnt das Ringen um ökumenische Gemeinschaft Zuversicht 
und unser Christuszeugnis seine überzeugende Kraft. 
 
   Denn gerade in der Diaspora stärkt ökumenische Gemeinschaft uns in 
unserem Auftrag, 'Botschafter und Botschafterinnen an Christi statt  
zu sein'; weil wir gemeinsam einladen: "Lasst euch versöhnen mit  
Gott" (2. Kor. 5, 20). 
 
   Das Vertrauen auf das Wirken dieser Fürbitte hält die Hoffnung  
lebendig, unseren "Eigen-Sinn" überwinden zu können und getrennt  
gewachsene Traditionen als gemeinsame Gaben zu verstehen. Danach  
sehnen sich viele Menschen in allen Regionen Deutschlands - vor allem 
die Gläubigen, die in konfessionsverbindenden Ehen und Familien  
leben. Für uns alle wäre es ein Segen, ihnen in absehbarer Zeit eine  
von  Einschränkungen freiere eucharistische Gemeinschaft zu  
ermöglichen. 
 
   Der Geist Gottes hat uns dahin geleitet und der nüchterne Blick  
auf unsere Geschichte hat uns dahin geführt, dass wir die Feindschaft 
gegeneinander überwunden haben. Unseren Glauben leben wir in  
vielerlei Gestalt schon jetzt  gemeinsam. 
 
   Das ist ein großer Fortschritt! In getrennten Kirchen sind wir  
freundschaftlich verschieden - dafür sind wir dankbar. 
 
   Aber damit können wir nicht zufrieden sein - nicht im Blick auf  
Christi Gebet um die 'Einheit in seiner Nachfolge, damit die Welt  
glaube' (vgl. Joh. 17,21) und auch nicht im Blick auf die großen  
gemeinsamen Herausforderungen angesichts von Gott-Vergessenheit,  
Orientierungslosigkeit und Verunsicherung. 
 
   Deswegen ist es an der Zeit für eine "Ökumene der Gaben", in der  
unsere Charismen sich ergänzen und einander erhellen. 
 
   Über unsere Erkenntnisfähigkeit sagt der Apostel Paulus: "Wir  
sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild;" (1. Kor. 13,12).  
Es entspricht dem Realismus dieser Aussage, dass wir einander  
ergänzen müssen, um das Bild aufzuhellen. Sie, lieber Bruder in  
Christus, haben wesentlich Anteil daran, dass dies in der gemeinsamen 
Erklärung zur Rechtfertigungslehre gelungen ist. Auch der  
"Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen"  
trägt dazu bei, dass unsere Stimmen in versöhnter Verschiedenheit  
zusammenklingen und nun praktische Früchte tragen können. 
 
   Im Zusammenklang unserer je besonderen Gaben mag es gelingen, so  
von Gott zu reden, dass Menschen in ihm eine Adresse für ihre  
Sehnsüchte, Fragen und Ratlosigkeiten wie auch für ihre  
vermeintlichen Sicherheiten wahrnehmen. 
 
   Wir erkennen das Sakrament der Taufe wechselseitig an. Menschen in 
die Kirche als dem Leib Christi einzugliedern, trauen wir einander zu 
und vertrauen wir einander an. Darauf können wir bauen und weitere  
konkrete Schritte zu mehr Gemeinsamkeit wagen. 
 
   Die Kirchen der Reformation verstehen sich als "Kirche der  
Freiheit". Damit meinen wir eine Freiheit, die sich im "Ja" zu Jesus  
Christus gründet - nicht eine unverbindliche Beliebigkeit. Denn wir  
haben von den Reformatoren und im Grunde vom Kirchenvater Augustinus  
gelernt, dass nur die Freiheit, die im Zusammenspiel von Freiheit und 
Bindung begriffen wird, wahre Freiheit ist. 
 
   Diese augustinisch gegründete Theologie der Reformation ist unsere 
besondere Gabe in einer weltweiten Christenheit. 
 
   Wenn Ihre Diagnose zutrifft, dass von der spätmittelalterlichen  
Theologie des vereinzelten, tief über Gott und Welt verunsicherten  
Menschen Linien in die Moderne führen, dann gilt doch auch, dass das  
theologische Konzept Luthers und der Reformatoren, sich von Gott  
Gewissheit angesichts aller solcher Verunsicherung schenken zu  
lassen, so aktuell ist wie nie. Das gilt für die evangelischen  
Kirchen. Aber gilt das nicht auch für unsere römisch-katholische  
Schwesterkirche und für die ganze anders- und nichtglaubende, aber  
ebenfalls zutiefst verunsicherte Welt - gerade in dieser äußerst  
krisenhaften Zeit? 
 
   Lieber Bruder in Christus, die Steine können es bezeugen: Martin  
Luther wurde an diesem Ort Augustiner-Eremit. Im Dom wurde er zum  
Priester geweiht, in der Klosterkirche las er seine Primiz, die erste 
Messe. 
 
   Verbindet ihn nicht Wesentliches mit der römisch-katholischen  
Kirche, das auch bleibt? Ist der Erfurter Augustinermönch Martin  
Luther nicht auch als ein Scharnier zwischen unseren Kirchen zu  
verstehen, weil er zu beiden Kirchen gehört? 
 
   Die Reformatoren haben die Reformation als Umkehr der Kirche zu  
Christus verstanden. Reformation als Umkehr zu Christus ist uns  
Christenmenschen, allen kirchlichen Amtsträgern und Amtsträgerinnen  
und doch auch den Institutionen täglich aufgetragen! 
 
   Ich werbe dafür, von 2000 Jahren gemeinsamer Kirchengeschichte zu  
sprechen, und nicht allein von 1500 Jahren. Auch nach 1517 blieben  
wir als "Westliche Kirchen" in besonderer Weise aufeinander bezogen - 
im Guten und im Bösen, in heilsamem Wirken miteinander, aber auch in  
tödlicher Feindschaft gegeneinander. 
 
   Es ist meines Erachtens an der Zeit, im Blick auf das  
bevorstehende Reformationsjubiläum 2017 die Erinnerungen an die  
gegenseitigen Verletzungen in der Reformationszeit und der ihr  
folgenden Geschichte unserer Kirchen zu heilen und konkrete Wege der  
Aussöhnung zu gehen. Dazu möchte ich Sie gerne einladen. 
 
   Der Geist triumphalistischer Großspurigkeit wird das  
Reformationsjubiläum nicht prägen. Vielmehr laden wir alle  
Christenmenschen ein, sich gemeinsam mit uns darüber zu freuen, dass  
Gott der ganzen Kirche eine starke Theologie der Gewissheit in Zeiten 
höchster Verunsicherung geschenkt und für die ganze Christenheit in  
den letzten fünfhundert Jahren lebendig gehalten hat. 
 
   Daher möchte ich Sie, lieber Bruder in Christus, bitten, den 31.  
Oktober 2017 als ein Fest des Christusbekenntnisses zu verstehen und  
mit den Kirchen der Reformation zu feiern, so dass wir alle in  
ökumenischer Verbundenheit Christus bezeugen, "damit die Welt  
glaube". 
 
   Ich freue mich auf den Gottesdienst, den wir gleich gemeinsam  
feiern werden. Gott segne Sie und unsere ökumenische Gemeinschaft. 
 
   Deutsche Originalfassung / English Translation / Traduzione  
italiana: www.ekd.de/texte-erfurt-2011 
 
   ----- 
 
   Begrüßung und Geistliches Wort 
 
   von Frau Präses Katrin Göring-Eckardt im Rahmen der Ökumenischen  
Feier in der Augustinerkirche in Erfurt am  23.09.2011 
 
   "Von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts, ja mit meinem Geist 
suche ich dich am Morgen." (Jesaja 26,9) 
 
   Mit diesem Jesajawort, das die Herrnhuter Brüdergemeine für diesen 
Tag gelost hat , grüße ich Sie, grüße ich Euch, liebe Schwestern und  
Brüder, zu unserem Gottesdienst. Ich grüße von Herzen unseren Bruder  
in Christus, Papst Benedikt XVI. Wir sind dankbar, dass Sie mit uns  
beten, singen und auf Gottes Wort hören wollen und dass Sie predigen. 
Ich grüße unseren Bruder Nikolaus Schneider, den Vorsitzenden des  
Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland; Sie beide leiten  
diesen Gottesdienst gemeinsam! 
 
   Sehr froh bin ich, dass wir mindestens ein Ehepaar unter uns  
haben, welches die Verbundenheit der Konfessionen in der Familie  
lebt. Herr Bundespräsident, liebe Frau Wulff. Wie schön, dass Sie  
beide da sind und mit den evangelischen und römisch-katholischen  
Christinnen und Christen aus den Gemeinden diesen Gottesdienst  
feiern. Ein herzliches Willkommen den Schülerinnen und Schülern der  
katholischen Edith-Stein-Schule und des evangelischen Ratsgymnasiums  
hier aus Erfurt. Sie bringen die Zukunft unserer Kirchen in unsere  
Runde. Ich hoffe, ihr singt laut mit! Und mit uns beten und singen  
Christenmenschen hier im Augustinerkloster, draußen in der Stadt und  
zu Hause an den Fernsehgeräten. Wir alle sind Gemeinde Gottes und wir 
freuen uns, diesen Gottesdienst feiern zu dürfen. 
 
   "Von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts, ja mit meinem Geist 
suche ich dich am Morgen." 
 
   Unser ökumenischer Gottesdienst hier ist ein großes und sehr  
öffentliches Ereignis. Er ist aber trotz der Scheinwerfer keine Show. 
Er dient nämlich etwas Anderem, etwas viel Größerem. Obgleich uns  
manches trennt, das Wichtigste verbindet uns: die Sehnsucht nach  
Gott. Denn unsere Heimat ist der Himmel. Es ist Gottes Licht, das in  
der Niedrigkeit scheint, im Stall von Bethlehem, das Licht, das von  
Kreuz und Auferstehung ausgeht. 
 
   So will ich auch die Neugierigen begrüßen, die, die uns zuschauen, 
vielleicht sogar mit Skepsis; die, die wenig von Gott erhoffen, die  
ihn kaum noch kennen und gar nicht glauben können. Seien Sie  
versichert, auch christliche Hoffnung ist nicht immer groß und unsere 
Fragen sind mitunter größer, als der Glaube fest ist. Aber hören Sie  
vor allem, dass Sie willkommen sind. Fröhliche Christenmenschen  
nämlich wollen gar nicht unter sich bleiben. 
 
   "Von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts, ja mit meinem Geist 
suche ich dich am Morgen." 
 
   Nachts, wenn die Schatten länger werden, sehnen wir uns - in  
tobender Unruhe, in der Verwirrtheit, in der Ungewissheit - nach  
Gott. Und es ist Nacht in der Welt: Menschen werden heimatlos:  
heimatlos auf der Flucht vor Hunger, vor Krieg, vor Umweltzerstörung; 
heimatlos auch durch Gewalt an Körper und Seele, heimatlos in Enge  
und in Verzweiflung. Morgens, wenn der Tag noch voller Möglichkeiten  
ist, suchen wir Gott an den Kreuzwegen und Weggabelungen, wenn wir  
entscheiden müssen, was richtig ist und gut und dauerhaft. Wie wir  
leben - ohne Zerstörung; wen wir lieben - ohne Verletzung; was wir  
tun - ohne Anmaßung. Immer wieder wollen und sollen wir wählen. Und  
doch wollen wir vor allem eines: Heimat finden, angenommen sein und  
den Ort kennen, an dem wir bleiben können. 
 
   Beheimatet in Gottes Trost, geborgen in seiner Liebe, werden  
Menschen frei und unverzagt. Oder wie Sie, lieber Bruder Papst  
Benedikt, es formuliert haben: "ER will, dass zwischen ihm und uns  
das Geheimnis der Liebe entstehe, das Freiheit voraussetzt." 
 
   Der Mönch Martin Luther ist hier in diesen Mauern der  
Augustinerkirche zu Erfurt eingekehrt bei Gott und hat diese Liebe  
gesucht. Und er ist aufgebrochen, hinter sich zu lassen: Macht ohne  
Liebe, Glaube ohne Freiheit, Angst ohne Ausweg. Aufgebrochen, hin zu  
einer Freiheit, die in Gott ihre Wurzeln und in der Welt ihren Ort  
findet, immer wieder, durch die Jahrhunderte hindurch, bis in die  
jüngere Geschichte, bis heute. Luthers Satz: "Ein Christenmensch ist  
ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein  
Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann  
untertan"  war auch für Christinnen und Christen in der DDR ein  
kämpferisches, ein stärkendes Wort. Ja, wir konnten getrost wissen,  
dass Gott größer ist, größer als die kleinbürgerliche SED sowieso,  
größer als die martialische Stasi aber eben auch. Und gewiss größer  
als das ganze heuchlerische, unterdrückerische System, das die  
Menschen klein und den Glauben unsichtbar machen wollte. Und aus  
dieser Geschichte haben wir erneut gelernt: Wenn man Mauern zu lange  
bewacht, Mauern aus Stein und Mauern aus Schweigen, dann brechen sie  
von innen auf: weil die Menschen von der Freiheit wissen. 
 
   "Von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts, ja mit meinem Geist 
suche ich dich am Morgen." 
 
   Viele Menschen suchen nach Gott mit ihrem Geist, morgens und  
abends, allein oder gemeinsam; und Gott sieht alle, uns alle an, mit  
der gleichen und nur ihm eigenen großen Liebe: ob wir nun alt sind  
oder jung, Mann oder Frau, so oder anders gläubig, heiter oder  
bedrückt, egal, wen wir lieben und mit wem wir das Leben teilen. Denn 
"in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen", heißt es im  
Johannesevangelium (14, 2), und dieses Haus, in dem wir wohnen, in  
das wir kommen können, egal wie wir heißen oder sind, hat auch immer  
noch Zimmer frei für die, die suchen und bei uns Heimat finden. Wir  
haben ein Fundament, das Wort Gottes, und wir haben einen gemeinsamen 
Grund, die Heilige Taufe. Und, ja, zum richtigen Zeitpunkt werden wir 
am hellsten und besten Ort des Hauses gemeinsam und füreinander den  
Tisch decken, an den ER uns einlädt, von dem wir gemeinsam essen und  
trinken, was Jesus an seinem letzten Abend teilte. Nicht, weil wir es 
müssen, sondern weil wir es können und weil wir es wollen. 
 
   Ich bin Ihnen, lieber Bruder Papst Benedikt, dankbar, dass Sie  
Station machen hier mit uns, auf dem Weg, den Gott uns schenkt, denn  
auch die Ökumene ist zuallererst Gottes Geschenk an uns. 
 
   "Von Herzen verlangt mich nach dir des Nachts und mit meinem Geist 
suche ich dich am Morgen", heißt es bei Jesaja. 
 
   Dieser Freitagmittag in Erfurt ist kein gewöhnlicher. Wer jetzt  
auf uns schaut, soll das spüren. Nein, wir sind nicht besser, größer, 
reicher als andere, noch nicht einmal alle zusammen. Und ja, wir  
machen Fehler und denken kurzfristig und egoistisch. Dietrich  
Bonhoeffer hat aber richtig erkannt: "Ich glaube, daß auch unsere  
Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht  
schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren  
vermeintlichen Guttaten." 
 
   Wer auf uns schaut, soll spüren, dass wir in allem wissen von  
Gottes Liebe, die uns nicht drängt, sondern trägt, die sich manchmal  
verbirgt und dann wieder leuchtet mit aller Kraft. 
 
   Dass wir diese Liebe kennen, in ihr leben, bei ihr bleiben, dass  
wir in ihr Heimat finden können und leben im Hause des Vaters,  
gemeinsam als die eine Gemeinde Jesu Christi, das ist es, was die  
Suche unseres Geistes ausfüllt und das Verlangen unserer Herzen zur  
Erfüllung bringt. 
 
   Gott segne unser Hören und Reden, unser Singen und Sagen, unser  
Aufbrechen und Ankommen. 
 
   Lasst uns aufstehen, vor Gott treten und beten. 
 
   Deutsche Originalfassung / English Translation / Traduzione  
italiana: www.ekd.de/texte-erfurt-2011 
 
   ---------- 
 
   Ansprache 
 
   der Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, 
Ilse Junkermann, am 23. September 2011 im Kapitelsaal des  
Augustinerklosters zu Erfurt 
 
   Eure Heiligkeit, Papst Benedikt XVI., 
 
   lieber Bruder in Christus! Sehr geehrter Vorsitzender des Rates  
der EKD, lieber Bruder Präses! Sehr verehrte Eminenzen und  
Exzellenzen, liebe Brüder im Bischofsamt und Präsidenten, sehr  
geehrte Professorinnen und Professoren, liebe Schwestern  und Brüder! 
 
   Sehr herzlich heiße ich Sie im Namen der Evangelischen Kirche in  
Mitteldeutschland hier im Kapitelsaal des Evang. Augustinerklosters  
zu Erfurt willkommen! 
 
   Es ist für unsere Kirche eine große Ehre und eine noch größere  
Freude, Ihnen mit unserem Haus und der Klosterkirche für diese  
Begegnung und den Gottesdienst dienen zu können. 
 
   "Historisch" nennen viele diese Begegnung. In dieser Bezeichnung  
kommt die hohe politische und gesellschaftliche Bedeutung zum  
Ausdruck, die von der Öffentlichkeit dieser Begegnung beigelegt wird. 
 
   Ich möchte diese Begegnung als eine geschichtlich bedeutsame  
verstehen. Und zwar in dem Sinn, wie wir es von unseren jüdischen  
Glaubensgeschwistern wissen und von unseren Gottesdiensten her  
verstehen: Geschichte liegt vor uns. Auch wenn es um Geschehen und  
Ereignisse in der Vergangenheit  geht, so sind wir eingeladen und  
aufgefordert, die Geschichte in unsere Gegenwart aufzunehmen und uns  
so in diese Geschichte hineinzubegeben. 
 
   Dies gilt für die jährliche Feier des Passamahles wie für die  
Feier der Eucharistie und des Abendmahls. In Jesu Einsetzungsworten  
"...solches tut zu meinem Gedächtnis" ruft er uns: Nehmt diese  
Geschichte in Eure Gegenwart auf. In diesem Mahl bin ich mitten unter 
Euch. 
 
   Bei allem, was uns an einer gemeinsamen Feier dieses Mahls  
hindert, dies eine verbindet uns gewiss: wir feiern dieses Mahl im  
Gedenken an unseren Herrn Jesus Christus und seinen großen  
Versöhnungsdienst an uns so, dass wir uns von ihm einladen lassen und 
stärken als solche, die zu seiner Geschichte gehören. Wir sollen und  
dürfen ein Teil dieser Geschichte werden. Wir sollen und dürfen  
Anteil an dieser Geschichte bekommen - dass wir mit ihr unsere  
Gegenwart und Zukunft gestalten. 
 
   Und das hat eine Wirkung auf unsere Geschichte, die wir gemeinsam  
haben und auf die Geschichte unserer Verschiedenheit und Trennung.  
Auch diese Geschichte ist nicht abgeschlossen und vorbei, schon gar  
nicht so, dass wir auf sie festgelegt werden. Auch diese z. T.  
überaus schmerzhafte Geschichte liegt so vor uns, dass wir in der  
Gegenwart, heute, in sie hineingehen und Gemeinschaft suchen im  
Gespräch miteinander und im Hören auf Gottes Wort. 
 
   In diesem Sinn ist die Begegnung heute geschichtlich bedeutsam.  
Welche Führung und Entscheidung, dass wir an diesem Ort  
zusammengekommen sind, an diesem Ort, der uns anspricht, der mit  
seiner Geschichte zu uns heute spricht. 
 
   Gottes Heiliger Geist lasse uns segensreiche Schritte in diese  
Geschichte hineingehen. 
 
   Deutsche Originalfassung / English Translation / Traduzione  
italiana: www.ekd.de/texte-erfurt-2011 
 
 
 
Pressekontakt: 
Evangelische Kirche in Deutschland 
Reinhard Mawick 
Herrenhäuser Strasse 12 
D-30419 Hannover 
Telefon: 0511 - 2796 - 269 
E-Mail: reinhard.mawick@ekd.de
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baden-württembergischen Wiernsheim wurde im großen Live-Finale zur  
"Besten Stimme 2011" gewählt. Die glücklichen Bandmitglieder Marie  
(14), Hannes (15) und Michael (14) setzten sich mit toller  
Songperformance und einem grandiosen Live-Auftritt gegen die  
Schülerband "Kabelsalat" aus Stuhr durch. Nahezu 36.000 "KI.KA  
LIVE"-Zuschauer ließen die Telefondrähte am Finalabend glühen oder  
stimmten mehr...
 
  
- SevenOne International: "Schlag den Raab" startet in Serbien und Bulgarien München (ots) - Die internationale Erfolgsshow "Schlag den Raab"  
(produziert von Raab TV/BRAINPOOL) geht in den nächsten Tagen gleich  
in zwei neuen Ländern on Air: Kommenden Sonntag (25.9.) startet sie  
auf dem serbischen Sender Prva unter dem Titel "Izadi Na Crtu" und  
wird von dem Schauspieler und Moderator Milan Kalinic präsentiert. Er 
zählt zu den populärsten serbischen TV- Stars und hat unter anderem  
die lokalen Adaptionen von "Pop Idol" und "Big Brother" moderiert. 
 
   Am Montagabend (26.9.) feiert das Format unter dem Titel "Razbii mehr...
 
  
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