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Börsen-Zeitung: Angst vor einem neuen 2008, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn.

Geschrieben am 05-08-2011

Frankfurt (ots) - Um die Stimmung nachvollziehen zu können, die
derzeit an den Finanzmärkten herrscht, empfiehlt sich ein Blick auf
die jüngste Ausgabe des "Economist". Auf dem Titelblatt, das mit der
Überschrift "Time for a Double Dip?" geziert wird, sieht man eine
Dame mit Badekostüm in den amerikanischen Landesfarben, die von einer
kleinen Yacht ins kühle Nass steigt. Was sie nicht sieht: Unter der
Wasseroberfläche schwimmt ein weißer Hai, der nach Größe den
Vergleich mit dem Rumpf der Yacht nicht zu scheuen braucht.

Blanke Angst bestimmt derzeit das Geschehen an den Märkten, auch
wenn der US-Arbeitsmarktbericht mit seinen die Erwartungen
übertreffenden Zahlen am Freitag die Nerven der Akteure ein wenig
beruhigt hat. Es ist die Angst vor einem neuen 2008, einem Kollaps
der Börsen und der Weltwirtschaft, wie er seinerzeit vom
Zusammenbruch von Lehman Brothers ausgelöst wurde. Zum Absturz des
Dax um mehr als 1000 Zähler in nur fünf Tagen trugen gleich mehrere
als sehr bedrohlich wahrgenommene Entwicklungen bei. So hat eine
Serie enttäuschender amerikanischer Konjunkturdaten die Angst vor
einem Rückfall in die Rezession verstärkt. Gleichzeitig enttäuschte
die Berichtssaison mit im Vergleich zur Berichterstattung für das
erste Quartal deutlich zurückhaltenderen Ausblicken. Der buchstäblich
in letzter Sekunde zwischen der Obama-Administration und den
Republikanern erzielte Kompromiss im Schuldenstreit, durch den der
Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten knapp vermieden wurde,
beruhigte die Märkte vor diesem Hintergrund nur für kurze Zeit. Zudem
droht den USA nach wie vor der Verlust der Rating-Bestnote "AAA", und
die notwendigen umfangreichen Haushaltssanierungsmaßnahmen werden
ihren Wachstumstribut fordern.

Außerdem hat der Euro-Gipfel sein Ziel, die Märkte zu
stabilisieren, völlig verfehlt. Die Turbulenzen in der Peripherie der
Eurozone haben sich sogar verschärft. Italien und Spanien stehen nun
im Kreuzfeuer der Märkte. Verheerend ist dabei, dass die
Marktteilnehmer das Vertrauen in die Kompetenz und die Fähigkeit der
Regierungen und Notenbanken Europas, die Krise durch nachhaltig
tragfähige Lösungen zu bewältigen, mittlerweile vollkommen verloren
haben. Seit gut anderthalb Jahren wird erfolglos versucht, mit
Notlösungen, die die eigentlichen Probleme nicht beheben, sondern nur
aufschiebend wirken, die Krise zu bewältigen. Im Ergebnis ist nun aus
einer kleinen Griechenland-Krise eine große, potenziell den Bestand
der Währungsunion gefährdende Krise geworden.

In einer großen Katastrophe wie im Jahr 2008 mit einem Crash am
Aktienmarkt muss die Entwicklung jedoch nicht zwangsweise enden. Der
zunehmende Druck der Märkte könnte dazu führen, dass die
Verantwortlichen in absehbarer Zeit doch noch eine große und
nachhaltige Lösung beschließen und Forderungen nach einer erheblichen
Ausweitung des Rettungsfonds EFSF bzw. einer, wie es die Landesbank
Berlin formuliert, deutlich tieferen politischen Integration mit
Fiskal- oder Funding-Union nachkommen. Auch dies hätte zwar seine
bedenklichen Seiten; an den Märkten würde aber der gewünschte
Beruhigungseffekt eintreten.

Darüber hinaus wird der Rückfall in die Rezession zwar derzeit in
die Kurse am Aktienmarkt eingepreist. Eine ausgemachte Sache ist die
Rezession aber noch lange nicht. Derzeit ist nach wie vor eine
Wachstumsverlangsamung zu beobachten, die allerdings deutlicher
auszufallen scheint als zuvor angenommen. Damit würde sich auch der
Abwärtsrevisionsbedarf bei den Gewinnschätzungen auf eine
Größenordnung beschränken, die gegen weitere deutliche Verluste an
den Aktienmärkten spräche. Weitere erhebliche Kursverluste, z.B. von
der Schuldenkrise ausgelöst, würden den Markt dann definitiv auf
günstig bewertetes Terrain führen.

Käme es aber doch zu einer Rezession, dann wären die bisherigen
Kursverluste erst der Anfang des Dramas. Das hat die Equinet Bank
vorgerechnet. Sie unterstellte in einem Szenario für das Jahr 2012
eine Rezession und einen Einbruch der Gewinne, der mit der
Entwicklung des Jahres 2009 vergleichbar ist. Auf diese Weise
errechnete sie einen aggregierten Gewinn je Aktie für den Dax von
364, was weniger als die Hälfte der aktuellen Markterwartung wäre.
Ferner setzte Equinet die durchschnittliche Bandbreite des
Kurs-Gewinn-Verhältnisses des Dax der zurückliegenden fünf Jahre von
10 bis 13 an und kam zu einem Ergebnis, das so beruhigend ist wie ein
Bad mit einem 10-Meter-Hai: Der Dax würde dann wohl unter 4200 Punkte
fallen.

(Börsen-Zeitung, 6.8.2011)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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