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Börsen-Zeitung: Schweigen wäre Gold, Kommentar von Detlef Fechtner zur Erklärung des EU-Kommissionschefs Barroso, die Regierungen sollten sich mit der Umsetzung der jüngsten Gipfelbeschlüsse beeilen

Geschrieben am 04-08-2011

Frankfurt (ots) - Spötter sagen, dass José Manuel Barroso am
liebsten Makkaroni isst, weil er durch die Löcher weiterreden kann.
Zumindest zuletzt hat der EU-Kommissionschef wenige Chancen
ausgelassen, sich zur Schuldenkrise zu Wort zu melden. Etwa vor dem
Euro-Sondergipfel, als er einen Appell an die Regierungschefs
richtete. Oder kurz darauf, als er Sprecher verkünden ließ, dass
viele seiner Forderungen aufgegriffen wurden.

Leider haben sich die Investoren trotzdem nicht beruhigt. Im
Gegenteil: Die Schuldenkrise breitet sich aus. Das scheint wiederum
Barroso ganz nervös zu machen - eine Ansteckungsgefahr, die bisher
kaum jemand im Blick hatte. Seine Erklärung am Mittwoch, sich doch
bitte schön mit der Umsetzung der Gipfel-Beschlüsse zu beeilen, war
zwar nicht sehr hilfreich, aber wenigstens unschädlich. Den
Regierungen Dampf zu machen, um damit Verständnis für die Ungeduld
der Anleger zu zeigen, mag als Versuch der verbalen Marktmassage so
eben durchgehen.

Unklar bleibt indes, was ihn gestern geritten hat, die
Gipfelergebnisse als "unvollständig" herabzustufen - ein riskantes
Downgrading. Denn zugleich fordert er eine zügige Überprüfung "aller
Elemente" der EFSF, also auch der Ausstattung.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es gibt gute Gründe, in Frage
zu stellen, ob das EFSF-Volumen reicht, um effektive Marktpflege für
Spanien und Italien zu betreiben. Aber erstens hat Barroso überhaupt
keine Karten im Spiel, denn darüber entscheiden andere. Zweitens weiß
er nur zu gut, welche politischen Schwierigkeiten Finnen,
Niederländer oder Deutsche haben, überhaupt die noch ausstehende
Aufstockung der EFSF auf effektiv 440 Mrd. Euro zu Hause zu
rechtfertigen. Ist ihm wirklich an einer noch stärkeren Ausweitung
des Schirms gelegen, bringt ihn eine Politik der öffentlichen
Bekanntmachung gewiss nicht voran. Und drittens taugt ein
mehrdeutiger Brief ganz sicher nicht zur Marktberuhigung - schon gar
nicht gestern, als die Investoren nach Frankfurt blickten, wo die
Euro-Zentralbank um eine Entschärfung der Lage bemüht war. Die
Wortmeldung aus Brüssel muss wie ein Störfeuer gewirkt haben.
Geradezu ironisch klingt, wenn Barroso dann noch "undisziplinierte
Kommunikation" anprangert.

Vielleicht steht sein Brief in Zusammenhang mit dem Hin und Her
über die Führung der Eurogruppe und den Spekulationen über eine
wichtigere Rolle für EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy - mag sein,
mag nicht sein. Aber egal, welche Motive den Portugiesen getrieben
haben: Schweigen wäre Gold gewesen.

(Börsen-Zeitung, 5.8.2011)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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