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Frankfurter Neue Presse: zur Euroschuldenkrise "Kleinmut und ethnozentrischer Dogmatismus sind Europas Tod" Ein Kommentar von Panagiotis Koutoumanos

Geschrieben am 20-07-2011

Frankfurt am Main (ots) - Im dreizehnten Jahr ihres Bestehens
steht die Europäische Währungsunion vor dem Zusammenbruch. Werden
sich Europas Politiker entschließen, die Union zu Grabe zu tragen?
Oder sind sie bereit, ihr neues Leben einzuhauchen, indem sie die
Gemeinschaft intensivieren? Das wird sich in den kommenden Wochen
entscheiden.

Die Situation ähnelt der, in der sich 1790 die jungen Vereinigten
Staaten von Amerika befanden. Auch die USA standen damals wegen
ökonomischer Probleme vor der Auflösung. Einzelne Bundesstaaten wie
Massachusetts und North Carolina hatten sich hoch verschuldet. Die
Unsicherheit war so groß, dass selbst Veteranen des
Unabhängigkeitskrieges Staatsanleihen verschleuderten, indem sie sich
mit 15 Cent pro Dollar zufriedengaben. Letztlich ist es nur dem
ersten US-Finanzminister Alexander Hamilton zu verdanken, dass die
USA diese Krise überlebten. Er schlug vor, die ramponierten
regionalen Anleihen durch eine neue, nationale Anleihe zu ersetzen,
um die privaten Gläubiger zu bezahlen. Zugleich sollten die
wirtschaftlich gesunden Bundesstaaten den kranken direkt helfen. Um
seinen Plan durchzusetzen, verzichtete Hamilton schließlich auf den
Anspruch seiner Heimatstadt New York, die Hauptstadt der USA zu
werden. Der Rest ist Geschichte. Die USA erlebten eine lange Phase
des Wohlstands, der Dollar wurde zur Welt-Reservewährung.

Die Eurozone könnte daraus ihre Lehren ziehen. Aber ihrem
politischen Personal fehlt immer noch die Einsicht, dass die
Staatsschulden-Krise inzwischen nicht nur das Problem einiger Länder
der Eurozonen-Peripherie ist, sondern es sich um eine systemische
Krise handelt: Die systemische Krise einer Währungsunion, die sich
immer noch weigert, eine Fiskal-Union zu sein - so wie es die
Architekten der Euro-Zone es seinerzeit avisiert hatten.

Aber in ihrem Kleinmut verweigern sich Merkel und Kollegen noch
großen Reformen. Stattdessen schleppen sie sich von einer
kurzfristigen Last-Minute-Reparatur zur anderen, um eine unmittelbare
Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedsstaates abzuwenden. Damit nicht
genug, untergraben sie auch noch ständig jedes neu aufkeimende
Vertrauen der Finanzmärkte in Griechenland und andere
Schuldnerländer, indem sie öffentlich über das Ende von Hilfen und
einen Ausschluss aus der Euro-Zone spekulieren. So weitet sich die
Krise in einem Tempo aus, das ihr politisches Tempolimit weit
übersteigt - mit der fatalen Folge, dass sich die Regierungen der
europäischen Geberländer verängstigt auf die Verteidigung nationaler
Interessen zurückziehen.

Damit muss endlich Schluss sein. Es ist höchste Zeit, den
europäischen Integrationsprozess wieder voranzutreiben, an dessen
Ende eine gemeinsame Anleihe (Euro-Bond) und eine gemeinsame
Fiskalpolitik unter einem gemeinsamen Finanzministerium steht - eine
Perspektive, die auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet aufgezeigt
hat.

Natürlich ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Aber beginnen kann
die Euro-Politik, indem sie den jüngsten Vorschlag der fünf
Wirtschaftsweisen umsetzt. Heißt: Der Rettungsschirm EFSF tauscht die
ausstehenden griechischen Anleihen zum heutigen Marktpreis gegen vom
Fonds selbst begebene Anleihen ein. Das käme für die privaten
Gläubiger einem Verzicht von rund der Hälfte des Werts gleich.
Allerdings würde Griechenland diesen Schuldenverzicht erst nach und
nach gutgeschrieben bekommen - wenn das Land die vorgegebenen
Reformen erfolgreich vollzieht. Die Bedenken prominenter Volkswirte
und Politiker, die Griechen würden im Falle einer solchen
Unterstützung jegliche Reformbemühungen einstellen, wären damit
zerstreut. Weitere Sicherheit würden die Geberländer erhalten, wenn
die griechische Regierung ihre Hoheit über die Staatsfinanzen
zeitweise auch an das zu gründende EU-Finanzministerium abgeben
müsste, wenn die vereinbarten Sparvorgaben nicht erfüllt werden. Das
ist auch in den USA üblich, wenn ein Bundesstaat vor der Pleite
steht.

Die fünf Wirtschaftsweisen zeigen, dass eine gemeinsame Lösung
sehr wohl möglich ist, wenn man sich offen dafür zeigt. Leider
verschließen sich auch in Deutschland immer noch viele einer großen
Lösung, weil sie sich nicht vom einem ethnozentrischen Dogmatismus
lösen können, der die eigene Wertgemeinschaft in den Mittelpunkt
allen Handelns stellt und alle anderen Gemeinschaften nur daran
misst, wie nahe sie den eigenen Regeln kommen - weil letztlich die
eigenen Regeln als die einzig richtigen angesehen werden. Aber so
kann auf Dauer weder die Euro-Zone noch die Europäische Union
funktionieren.

Natürlich müssten Geberländer wie Deutschland zunächst für die
griechischen Staatsschulden haften. Und natürlich ist nicht von der
Hand zu weisen, dass der Euro-Bond einer Transfergemeinschaft
gleichkommt. Aber zum einen haben wir die heute schon - mit einer
gemeinsamen Anleihe wäre sie nur institutionalisiert. Zum anderen
sollten die politischen und ökonomischen Vorteile, die die Union auch
Deutschland bietet, einiges Geld wert sein.

Wie viel Geld, das hängt auch davon ab, wie schnell Merkel und Co
endlich auf den europäischen Weg zurückfinden. Je länger die
Regierungen zögern, desto weiter laufen die Anleihespreads der
verschiedenen Länder auseinander, desto teurer wird die Rettung der
Gemeinschaft.

Merkel hat am Montag von der SPD politischen Flankenschutz
erhalten für eine deutliche Ausweitung der europäischen
Finanzpolitik. Diesen Schutz sollte die Tochter eines lutheranischen
Pfarrers jetzt nutzen. Wie einst Martin Luther mit den Worten "Hier
stehe ich und kann nicht anders" sich einer grundlegenden Reform zu
widersetzen, hieße, Europa fallen zu lassen.



Pressekontakt:
Frankfurter Neue Presse
Chef vom Dienst
Peter Schmitt
Telefon: 069-7501 4407


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