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Frankfurter Neue Presse: zum Bahn-Unglück in Sachsen-Anhalt: "Deutschland braucht eine neue Bahn-Politik" Ein Kommentar von Panagiotis Koutoumanos

Geschrieben am 31-01-2011

Frankfurt am Main (ots) - Der Vorwurf, dass sich die Deutsche Bahn
AG zu Tode spare, ist in den vergangenen Jahren häufig lautstark
geäußert worden - von oppositionellen Verkehrspolitikern,
Verbraucherverbänden und den Verbrauchern selbst. Nach dem
verheerenden Zugunglück in Sachsen-Anhalt wird sich so mancher die
Frage stellen, ob das Staatsunternehmen damit auch seine Kunden zu
Tode spart. Zwar könnte der Zusammenstoß der beiden Züge tatsächlich
auf menschliches Versagen zurückzuführen sein. Gerade weil
menschliches Versagen aber stets möglich ist, gibt es technische
Hilfsmittel, die die Folgen solcher Fehler begrenzen: wie eben das
System der "Punktförmigen Zugbeeinflussung" (PZB), das eine
Notbremsung auslöst, wenn ein Zug ein rotes Haltesignal überfährt.

Dass diese PZB 70 Jahre nach ihrer Erfindung auf der
Unglücksstrecke noch nicht installiert ist, kommt einer groben
Fahrlässigkeit gleich. Daran ändert auch nichts, dass dieser
Sicherheitsmangel laut Bundesverkehrsministerium und Bahn AG im
Einklang mit der Eisenbahn-Betriebsordnung steht. Das belegt nur,
dass die entsprechende Richtlinie nichts taugt: Man muss kein
Technik-Experte sein, um die Katastrophe voraussehen zu können, die
ein Zusammenstoß eines Personenzuges mit einem in der Regel mehrere
Hundert Tonnen schweren Güterzug zu Folge hat - selbst wenn dieser
"nur" mit einer Geschwindigkeit von 99 km/h unterwegs ist.

Die Frage ist, warum hat diese technische Absicherung auf der
Strecke zwischen Magdeburg und Halberstadt gefehlt? Warum vergammeln
überhaupt viele Trassen in ganz Deutschland? Von diesen Fragen, so
scheint es, wollen die Bahn und das Verkehrsministerium ablenken. Und
das aus gutem Grund: Sowohl das Management des Staatsunternehmens als
auch dessen Eigentümer tragen Schuld an der Vernachlässigung des
Schienennetzes in der Fläche.

Rund vier Milliarden Euro Steuergelder erhält die Bahn AG jedes
Jahr für Investitionen in das Schienennetz. Was sie damit macht, ist
immer noch mehr oder weniger ihr selbst überlassen. Und natürlich
lenkt der Konzern das Geld vor allem dort hin, wo er am stärksten
davon profitiert: Auf Schnellstrecken, wo die Ticketpreise hoch sind
und auf Regionalstrecken, die vor allem von ihren eigenen Zügen
befahren werden - anders als auf der Unglücksstrecke, wo das
Staatsunternehmen selbst nur eine sehr geringe Zahl von Güterzügen
fährt, der Großteils der Verkehre in privater Hand liegt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bahn AG nach wie vor einen
unverhältnismäßig großen Teil der ohnehin viel zu geringen
Subventionen in Prestige-Bauten steckt. Auch, weil sie damit
Regionalfürsten entgegenkommen will, die irgendwann mit darüber
entscheiden, ob neu ausgeschrieben Nahverkehrsstrecken an das
Staatsunternehmen gehen oder private Konkurrenz. Und statt die
inzwischen sprudelnden Gewinne aus der Netzsparte komplett in das
Netz zu reinvestieren, subventioniert das Bahn-Management damit auch
noch andere Konzernbereiche - auch für Übernahmen im Ausland.

Öffentlich mag der Bund die Bahn dafür rügen - schließlich will er
nach eigener Darstellung möglichst viel Verkehr auf der Schiene. Aber
tatsächlich unterstützt der Eigentümer die Strategie der Bahn. Warum?
Weil der Staatskoloss möglichst viel Gewinn abwerfen und damit den
Haushalt entlasten soll. Deshalb sollte die Bahn auch an die Börse,
und so verlangt der Bund neuerdings auch eine
500-Millionen-Euro-Dividende vom Konzern.

Mit diesem Dilemma zwischen öffentlicher Daseinsvorsorge und
Gewinnmaximierung muss endlich Schluss sein. Deutschland braucht eine
neue Bahn-Politik. Wenn das System Bahn für alle da sein soll, muss
der Bund das Netz aus dem Bahnkonzern herauslösen, in eine neutrale
staatliche Gesellschaft ohne Renditedruck überführen - und
entsprechend dafür zahlen.



Pressekontakt:
Frankfurter Neue Presse
Chef vom Dienst
Peter Schmitt
Telefon: 069-7501 4407


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