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Börsen-Zeitung: Wendesignale, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 14-01-2011

Frankfurt (ots) - Es gehört zum Wesen der Finanzmärkte, dass sich
eine festgefügt wirkende Meinungslage in kürzester Zeit verändern
kann. Eine solche Entwicklung bahnt sich derzeit wieder an, und das
kann dazu führen, dass die Investmentstrategen ihre Drehbücher für
das noch junge Jahr bald modifizieren müssen. Noch vor kurzem war der
Markt überzeugt, dass die Wende beim Euro-Leitzins frühestens im
Schlussquartal des laufenden Jahres, wenn nicht sogar erst im
kommenden Turnus einsetzen wird. Zwei Ereignisse haben jedoch ein
Umdenken in Gang gesetzt. Die Jahresteuerung des Euroraums ist auf
2,2% gestiegen und hat mit dem höchsten Stand seit Oktober 2008 die
für die Europäische Zentralbank (EZB) kritische Schwelle von 2%
überschritten, und ihr Präsident, Jean-Claude Trichet, hat auf der
Pressekonferenz nach der jüngsten Ratssitzung seine Wortwahl
bezüglich der Inflationsrisiken verschärft.

Die Reaktion der Volkswirte folgte prompt. So erklärte die
Deutsche Postbank, eine Leitzinserhöhung noch vor dem vierten Quartal
2011 sei nun nicht mehr auszuschließen. Die ING schrieb, die
Wahrscheinlichkeit, dass der Leitzins früher als bislang gedacht
erhöht wird, sei mit der Ratstagung der Notenbank gestiegen. Barclays
äußerte sich zwar unverändert überzeugt, dass es keinen Grund für
eine Zinsanhebung der EZB in diesem Jahr gebe. Aufgrund der
Kommentare Trichets und des sich verschlechternden kurzfristigen
Inflationsausblicks müsse die Möglichkeit einer Erhöhung jedoch in
Betracht gezogen werden. Die Citigroup revidierte ihre
Leitzinsprognose und erwartet die erste Anhebung nicht mehr im ersten
Quartal 2012, sondern im Verlauf des zweiten Halbjahres 2011,
wahrscheinlich vor dem Ablauf der Amtszeit Trichets am 31. Oktober.

Das alles ist Gift vor allem für Staatsanleihen, deren Aussichten
sich zusehends eintrüben. Bei 3,09% erreichte die Rendite
zehnjähriger Bundesanleihen nach den Bemerkungen Trichets denn auch
den höchsten Stand seit April 2010. Allerdings sollten die Äußerungen
auch nicht überinterpretiert werden. Vermutlich ist den Experten
zuzustimmen, die darauf verweisen, dass eine sehr frühzeitige
Leitzinserhöhung die Staatsschuldenkrise verschärfen würde. Eine
Leitzinswende im ersten Halbjahr kann vor diesem Hintergrund wohl
nach wie vor weitgehend ausgeschlossen werden. Trichet war
wahrscheinlich daran gelegen, dem Verdacht entgegenzutreten, dass die
Priorität der Preisstabilität durch die Staatsschuldenkrise
abgeschwächt worden ist.

Für Unruhe an den Märkten wird das Thema in den kommenden Wochen
dennoch sorgen. Die Zeiten, in denen der Termin für die Leitzinswende
in den Prognosen der Volkswirte immer weiter hinausgeschoben wurde,
sind vorbei. Die Wende rückt näher. Für Anleihen steigen damit die
Risiken. Letztlich werden aber auch die Aktienmärkte in absehbarer
Zeit Gegenwind verspüren, wenn die Leitzinswende naht. Bei steigenden
Zinsen bzw. Renditen nimmt die relative Attraktivität von
Dividendentiteln ab und schwindet die Hoffnung auf umfangreiche
Umschichtungen der gering investierten Institutionellen.

In der neuen Woche könnte China für zusätzliche Verunsicherung an
den Märkten sorgen. Das Reich der Mitte, das durch seine
Billigprodukte in den zurückliegenden Jahren dazu beigetragen hat,
dass der Inflationsdruck in den Industrieländern gering blieb,
veröffentlicht am Donnerstag die Verbraucherpreise vom Dezember. Die
November-Jahresteuerung hat mit einem Anstieg auf 5,1% die
Marktteilnehmer geschockt. Derzeit rechnen sie für den Dezember mit
einem Rückgang der Inflationsrate auf 4,6%. Am Freitag reagierte der
Markt neben der erneuten Anhebung der Mindestreservesätze sehr nervös
auf Gerüchte, dass die Rate im Dezember nicht gesunken, sondern sogar
gestiegen sein soll.

Wenn sich das bewahrheitet, wäre das der nächste Schock für die
Märkte. Die Anleihen würden unter Druck geraten, und an den
Aktienmärkten würden die Befürchtungen, dass die Gegenmaßnahmen der
chinesischen Behörden das Wachstum deutlich reduzieren könnten,
zusätzlich geschürt.

(Börsen-Zeitung, 15.1.2011)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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