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WAZ: Beim Lesen fehlen die Vorbilder - Leitartikel von Julia Emmrich

Geschrieben am 07-12-2010

Essen (ots) - Beim Lesen hakt es immer noch. Zehn Jahre nach der
ersten Pisa-Studie landen 15-jährige Schüler in Deutschland mit ihren
Lesekünsten zwar nicht mehr im Keller, sondern im Mittelfeld, doch
eine Frage bleibt: Warum haben sie es in Mathematik und
Naturwissenschaften deutlich weiter nach oben geschafft? Warum hakt
es beim Lesen? Es gibt zwei Antworten. Die eine ist kurz. Es hakt gar
nicht. Mittelfeld, so könnte man argumentieren, ist für eine große
Industrienation mit vielen Zuwanderern und starken regionalen
Unterschieden ein prima Ergebnis. Die andere Antwort ist: Es hakt,
weil Lesen anders als Mathe oder Chemie nicht nur eine Sache von
schulischem Training ist. Lesen ist Alltagstechnik und Kulturpraxis.
Ohne lustvolle, sinnstiftende Vorbilder im Elternhaus und im
Freundeskreis bleibt es eine Trockenübung. Dazu ein Detail aus der
aktuellen Pisa-Studie. Drei Fähigkeiten mussten die Fünfzehnjährigen
bei den Lesetests zeigen: Informationen heraussuchen, Fakten
kombinieren und deuten, und schließlich den Text einordnen und
bewerten. Bei den deutschen Schülern sieht man deutlich: Beim dritten
Schritt gab es Probleme. Es hakt dort, wo Zusammenhänge sichtbar
gemacht und Urteile begründet werden sollten. Ein Berliner
Bildungsforscher hat jüngst beklagt, dass sogar seine Studenten,
immerhin die nächste Lehrergeneration, lieber Aussagen und Meinungen
aus dem Internet zusammenbauen, als sich selbst in ein Thema
hineinzudenken. Und es mangelt nicht an Meinungen. Dazu muss man nur
eine Woche lang die politischen Talkshows ansehen. Haben sich also
schon Fünfzehnjährige daran gewöhnt, zu allem Urteile serviert zu
bekommen, dass sie eigene Urteilsfähigkeit nicht brauchen?
Lesetraining ist nicht nur Beibringen von Technik, sondern von
Denken. Und es ist gut, dass sich die Zahl der sehr schlechten Leser
verringert. Einige Bildungsforscher sind allerding skeptisch, ob eine
noch so engagierte Leseförderung in Kitas und Schulen denn gegen die
Einflüsse einer zunehmend lesefeindlichen Umgebung ankommt.
Deutschland wird beim Lesen im Mittelfeld bleiben. Lesende Eltern
kommen in vielen Familien nicht vor. Bei laufenden Fernsehern und
Computern lässt sich zwar Informiertheit erzeugen oder simulieren -
das Lesen (in einem mehr als technischen Sinn) lernt man so nicht.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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