(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Durchhalteparolen, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 12-11-2010

Frankfurt (ots) - Sie sorgt wieder einmal für erhebliche Unruhe
bei den Marktteilnehmern:die Schuldenkrise der Peripherieländer der
europäischen Union (EU). Am Bondmarkt markierten die Risikoaufschläge
der Staatsanleihen der betroffenen Länder gegenüber den als
(weitgehend) risikolos geltenden Bundesanleihen fast an jedem Tag
neue Höchststände. Und auch die Spreads der Credit Default Swaps
(CDS) auf die Staatsrisiken erklommen immer neue Allzeithochs. Zudem
hat der Euro wieder erheblich an Wert verloren. Ausgehend von einem
Niveau jenseits der 1,42 Dollar ist er auf etwa 1,37 Dollar
zurückgefallen. Und selbst an den durch die Aussicht auf neue
Liquiditätsspritzen der Fed und die freundliche Konjunkturentwicklung
in den EU-Kernländern angetriebenen europäischen Aktienmärkten hat
die Krise dafür gesorgt, dass die Rally stockt - trotz der nach wie
vor niedrigen Bewertungen europäischer Dividendentitel.

In dieser zweiten Runde der EU-Schuldenkrise gibt es zumindest bis
einschließlich Freitag einen markanten Unterschied zum ersten Teil
der Krise im Frühjahr: Während damals öffentlich um die Bewältigung
der in Schieflage geratenen griechischen Staatsfinanzen gerungen
wurde, ist derzeit - zumindest wenn man den offiziellen Standpunkten
der Regierungen und der Europäischen Kommission folgt - eigentlich
gar nichts passiert: Die Sanierung der Staatshaushalte gehe planmäßig
ihren Weg, eine Rettung Irlands oder anderer EU-Mitglieder sei daher
nicht notwendig und ein "Haircut" der in den entsprechenden Bonds
engagierten Investoren sowieso kein Thema.

Oder etwa doch? An den Märkten will diesem Zweckoptimismus der
Politiker jedenfalls schon seit mehreren Wochen niemand mehr folgen.
Längst ist bei irischen oder portugiesischen Bonds eingepreist, dass
die Investoren im Rahmen einer Rettungsaktion in Anspruch genommen
werden. Am Freitag sah es dann so aus, dass offiziell wird, wovon die
Marktteilnehmer ausgehen: Es kursierten hartnäckig Gerüchte, dass
Irland kurzfristig die Hilfe der Europäischen
Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) beantragen könnte und dass es
längst entsprechende informelle Kontakte zwischen Dublin, Brüssel und
Berlin gibt. Rund 80 Mrd. Euro könnten abgerufen werden, hieß es.

Aber wieder einmal hat sich insbesondere die Regierung der Insel
auf ihre bekannte Position zurückgezogen: Irland sei bis Mitte
nächsten Jahres über die Märkte finanziert, sodass eine
Inanspruchnahme des Rettungsschirms durch das Land nicht notwendig
sei. Für die Bondinvestoren klingt das verdächtig nach
Durchhalteparolen, die langfristig kaum Bestand haben dürften. Für
Vertrauen an den Märkten und für eine Normalisierung der
Risikoaufschläge sorgt Dublin auf diese Weise jedenfalls nicht.

Premierminister Brian Lenihan sollte auf seinen Notenbankchef
Patrick Honohan hören: Dieser hat nämlich angemerkt, dass die bisher
von der irischen Regierung unternommenen Bemühungen zur Reduzierung
des Defizits und zur Rekapitalisierung der Banken die Investoren
nicht überzeugten. Honohan verweist dabei auf die nach wie vor sehr
angespannten irischen Staatsfinanzen.

Die Marktreaktion auf die Gerüchte einer Inanspruchnahme der
EU-Hilfe ist bezeichnend: Die Risikoaufschläge reduzierten sich am
Freitag merklich, und der Euro holte einen Teil seiner Verluste auf.
Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass mit einem Ende der Krise
erst dann zu rechnen ist, wenn von Seiten der Politik überzeugende
Lösungen präsentiert werden. Die meisten Ökonomen sind davon
überzeugt, dass sich Länder wie Irland und Portugal kaum mehr am
eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen können. Daher wird sich die
Inanspruchnahme des EU-Rettungsschirms letztlich kaum vermeiden
lassen. Ein Spiel auf Zeit, wie es die europäische Politik derzeit
noch praktiziert, wird auch auf Sicht mehrerer Monate nicht zu einer
Beruhigung der Nerven der Marktteilnehmer führen, sondern die Lager
eher noch verschlimmern.

Aber auch eine Inanspruchnahme des Rettungsschirms ist nicht ohne
Risiken. Wenn Irland diese Entscheidung treffen sollte, werden sich
die Marktteilnehmer auf Portugal als das nächstschwächere Land
stürzen. Spätestens wenn danach Spanien an der Reihe ist, wird die
Lage brenzlig.

(Börsen-Zeitung, 13.11.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

300696

weitere Artikel:
  • Entrepreneure des Jahres 2010: Ernst & Young ehrt sechs mittelständische Unternehmer / Preisträger zeichnen sich durch Wirtschaftskraft und Verantwortungsbewusstsein aus Stuttgart / Frankfurt am Main (ots) - In der Alten Oper in Frankfurt am Main würdigte Ernst & Young am Freitagabend mit einer festlichen Gala sechs herausragende mittelständische Unternehmer als "Entrepreneure des Jahres 2010". "Die Preisträger überzeugten die Juroren nicht nur durch ihre Erfolge und Wachstumsraten, sondern auch durch ihre Risikobereitschaft und ihr gesellschaftliches Engagement", erklärt Wolfgang Glauner, Organisator und Projektleiter des Wettbewerbs. Zu solchen Leistungen passte das kulturelle Highlight der Preisverleihung. mehr...

  • Auszeichnung "Entrepeneur des Jahres": Dirk Roßmann ist Unternehmer des Jahres 2010 (mit Bild) Burgwedel (ots) - - Querverweis: Bildmaterial wird über obs versandt und ist abrufbar unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs - Dirk Roßmann ist "Entrepeneur des Jahres 2010". Der Inhaber der ROSSMANN-Drogeriemärkte erhielt den weltweit angesehenen Titel am 12. November im Rahmen einer Galaveranstaltung in der "Alten Oper" Frankfurt vor 800 Gästen aus den Händen von Dr. Arno Balzer, dem Chefredakteur des "manager magazins". Der von Ernst & Young, einer weltweit führenden Gruppe von Wirtschaftsprüfern mehr...

  • Rheinische Post: WestLB-Betriebsratschefin fordert "faire Chance für Mitarbeiter" Düsseldorf (ots) - Die Mitarbeiter der angeschlagenen WestLB fühlen sich in der öffentlichen Diskussion um die Zukunft der Bank ungerecht behandelt. "Wir sind nicht verantwortlich für all das, was in der Vergangenheit passiert ist. Wir arbeiten seriös, und wir fordern eine faire Chance für die Mitarbeiter", sagte die Betriebsratsvorsitzende Doris Ludwig der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (8amstagausgabe). Vor dem Gipfeltreffen am Montag in Brüssel sprach sich Ludwig, die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende mehr...

  • Wirtschaft zufrieden mit der Leistung von Migranten / Unternehmen beklagen Versäumnisse bei Integration Berlin (ots) - Die deutsche Wirtschaft bemängelt Versäumnisse bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Das ergab eine repräsentative Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und der WirtschaftsWoche. Befragt wurden 746 Unternehmen der Industrie und industrienaher Dienstleistungen. Zwei Drittel der Unternehmen sind der Ansicht, die Politik habe eine bessere Integration von Migranten bisher versäumt. Welche Maßnahmen mehr...

  • Der Tagesspiegel: Ryanair-Chef: Berliner Flughafen BBI "eine Schwachsinnsidee" Berlin (ots) - Berlin - Michael O'Leary, Chef der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair, hat das Konzept des neuen Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) kritisiert: "Der neue Berliner Flughafen ist eine Schwachsinnsidee. Das wird ein sehr teurer, sehr komplizierter Flughafen. So ein Konzept ist noch nie irgendwo auf der Welt aufgegangen", sagte O'Leary dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagausgabe). Berlin habe mit Tegel, Schönefeld, Tempelhof drei funktionierende Flughäfen gehabt, die sich alle hätten entwickeln mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht