| | | Geschrieben am 05-09-2007 Huber: Nicht nachlassen im Bemühen um gemeinsames Abendmahl ./. EKD-Ratsvorsitzender spricht bei der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung
 | 
 
 Hannover (ots) - Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
 Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat sich für ein
 erneuertes Bemühen im ökumenischen Dialog der Kirchen ausgesprochen.
 In einem Vortrag bei der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung in
 Hermannstadt/Sibiu (Rumänien) sagte Huber: "Unsere Aufgabe ist es,
 der Einheit nachzustreben und sie zu fördern, die in Christus schon
 Realität ist." Die Art der ökumenischen Gemeinschaft entscheide mit
 darüber, ob Menschen in Europa Vertrauen in die christliche
 Verkündigung setzen könnten. "Dafür ist es eine entscheidende
 Bewährungsprobe, ob es uns gelingt, unsere Gemeinschaft in
 Spiritualität und Gottesdienst weiterzuentwickeln", sagte Huber am
 Mittwoch, 5. September.
 
 Das Motto der 3. Europäischen ökumenischen Versammlung "Das Licht
 Christi scheint auf alle" verweise auf die Quelle der christlichen
 Spiritualität. Der EKD-Ratsvorsitzende rief die in Hermannstadt
 versammelten Delegierten christlicher Kirchen dazu auf, sich den
 Schatz gemeinsamer christlicher Spiritualität neu bewusst zu machen.
 "Wir können und sollen als Kirchen gemeinsam die Menschen in Europa
 dabei unterstützen, die Tiefe spiritueller Erfahrung wahrzunehmen,
 die in der christlichen Überlieferung unseres Kontinents enthalten
 ist." Huber regte einen gemeinsamen Kanon geistlicher Schlüsseltexte
 an: "Eine solche Sammlung würde vielen Menschen den Reichtum unserer
 spirituellen Überlieferung vergegenwärtigen. Sie würde dabei helfen,
 dass wir die Kraft überlieferter Texte neu entdecken und der
 Orientierung innewerden, die von ihnen ausgeht. Sie würde dabei
 helfen, wenn Menschen Spiritualität mit anderen teilen, ihrer Freude
 oder ihrer Trauer gemeinsam Ausdruck geben oder sich auf vertrauten
 wie auf neuen Wegen - zum Beispiel bei einer Pilgerwanderung - in die
 Sprache christlicher Spiritualität einfinden."
 
 Huber betonte, dass die Kirchen im Bemühen um
 Abendmahlsgemeinschaft nicht nachlassen dürften. "Überall dort, wo
 Menschen mit unterschiedlicher Kirchenzugehörigkeit in ökumenischen
 Familien, in ökumenisch geprägten geistlichen Gemeinschaften oder in
 anderen Lebens- und Arbeitsgemeinschaften mit Mitgliedern
 verschiedener christlicher Kirchen verbunden sind, zeigt sich, wie
 dringlich ein Fortschritt auf diesem Wege ist. Um der Menschen willen
 sollten wir Wege suchen, auf denen wir die bleibenden Unterschiede im
 Verständnis von Amt und Abendmahl nicht verwischen, wohl aber als
 unterschiedliche Wege zu dem einem Licht Christi wechselseitig
 anerkennen." Die wechselseitige Anerkennung der Taufe, die im April
 dieses Jahres von elf Kirchen in Deutschland unterzeichnet wurde, sei
 ein guter Ansatz. In diesem Dokument werde dem Auftrag Jesu zum
 Vollzug der Taufe deutlich der Vorrang eingeräumt vor der Frage nach
 dem richtigen Amtsverständnis. "Eine solche Betrachtung kann, davon
 bin ich überzeugt, auch den Zugang zu einer Antwort auf die Frage
 nach der Gemeinschaft im Abendmahl eröffnen."
 
 Im Blick auf die im Juli von der vatikanischen
 Glaubenskongregation veröffentlichten Aussagen über das Wesen der
 Kirche sagte Huber, er empfinde die Aussagen zum Begriff der "Kirche
 im eigentlichen Sinn" als ökumenisch belastend. "Die Kirche im
 eigentlichen Sinn ist im Bekenntnis der Schuld vor Gott vereint und
 hofft auf seine Gnade; sie ebnet Menschen den Weg  zu Gottes
 Heiligkeit und lässt sie teilhaben an der Zusage der Versöhnung.
 Indem unsere Kirchen Gottes Wort hören, gemeinsam seine
 Barmherzigkeit bezeugen und den Nächsten barmherzig begegnen, sind
 sie "Kirchen im eigentlichen Sinn". Keine Kirche könne allein das
 Licht Christi spiegeln.
 
 Hannover/Sibiu, 4. September 2007
 Pressestelle der EKD
 Silke Römhild
 
 Vom 4. bis 9. September versammeln sich in Sibiu/Hermannstadt
 (Rumänien) mehr als 2000 Christen aus ganz Europa, um über Themen wie
 die europäische Einheit, die Rolle der Kirchen und ihr Verhältnis
 zueinander, christliche Spiritualität und den Klimawandel zu beraten.
 Unter dem Motto "Das Licht Christi scheint auf alle. Hoffnung auf
 Erneuerung und Einheit in Europa" laden die Konferenz Europäischer
 Kirchen (KEK) und der katholische Rat der Europäischen
 Bischofskonferenzen (CCEE) zur 3. Europäischen Ökumenischen
 Versammlung (EÖV3). Aus Deutschland sind rund 180 Delegierte dabei.
 http://www.oekumene3.eu
 www.eea3.org (Offizielle Seite der Veranstalter der EÖV3)
 
 Nachfolgend Text des Ratsvorsitzenden:
 
 1.
 Wer auch nur einen Blick in die Heilige Schrift wirft, dem flutet
 Licht entgegen. "Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem
 sollte ich mich fürchten?" So heißt es im Psalter (Psalm 27,19).
 Der Täufer Johannes, so sagt das Johannesevangelium, "kam zum
 Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn
 glaubten. Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem
 Licht" (Johannes 1,7f.). Und Jesus Christus, auf den der Täufer
 hinweist, sagt nach dem Zeugnis des Johannesevangeliums von sich
 selbst: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird
 nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens
 haben" (Johannes 8, 12).
 Die Feste der Christenheit sind in all unseren Kirchen durch das
 Symbol des Lichts geprägt. Auf dem Pilgerweg, der uns zu dieser
 Versammlung hier in Hermannstadt geführt hat, wurden viele Kerzen
 gestaltet und entzündet, die ein Vorzeichen der Versammlung sein
 sollten, zu der wir hier zusammengekommen sind. Das Licht der Kerzen
 ist der Vorschein des Lichtes Christi. Christus, das Licht,
 durchbricht alle Dunkelheit.
 In Gottesdiensten aller Konfessionen erklingt zum Osterfest feierlich
 der Wechselgesang zwischen Liturg und Gemeinde: "Christus, Licht der
 Welt - Gott sei ewig Dank." Während das Licht der Osterkerze die
 dunkle Kirche allmählich erhellt, vollziehen wir den Weg aus der
 Dunkelheit des Todes in das Licht des Lebens, das Christus uns
 schenkt.
 Feuerzungen führen nach dem Bericht der Apostelgeschichte am ersten
 Pfingsttag die Nachfolger Christi zusammen. Licht wird zum Symbol der
 Orientierung auch des christlichen Handelns: "Lebt als Kinder des
 Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und
 Wahrheit" (Epheser 5,8f).
 Licht ist nicht teilbar. Schon die Alte Kirche verstand das Licht
 deshalb als Symbol der göttlichen Trinität. Wie das Licht einer
 Flamme, das vom Vater zum Sohn und zum Heiligen Geist weitergereicht
 wird, je neu und doch immer dasselbe ist, so verhält es sich auch mit
 dem Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes.
 Das Licht Christi eint. Es umhüllt und durchdringt die, die Jesus
 nachfolgen. Die Einheit des dreieinigen Gottes ist das wichtigste
 Unterpfand und die wichtigste Antriebskraft unserer ökumenischen
 Gemeinsamkeit.
 
 2.
 Das Licht Christi ist die Quelle unserer Spiritualität, es erfüllt
 Herz, Seele und Geist. Wir dürfen in ihm leben und als Kinder des
 Lichts Zeugnis geben von seiner Frucht - Güte, Gerechtigkeit,
 Wahrheit.
 Das Thema dieser Versammlung enthält eine große Motivationskraft
 dafür, dass wir uns den Schatz gemeinsamer christlicher Spiritualität
 neu bewusst machen. Diese Ermutigung kommt gerade zur rechten Zeit.
 Denn viele Menschen fragen heute neu nach Spiritualität. Manchmal
 schweift ihr Blick dabei auch in die Weite. Aber zuallererst sollten
 die spirituelle Tiefe der christlichen Tradition und deren Prägekraft
 für unseren europäischen Kontinent neu zum Leuchten und zum Klingen
 gebracht werden. Wir können und sollen als Kirchen gemeinsam die
 Menschen in Europa dabei unterstützen, die Tiefe spiritueller
 Erfahrung wahrzunehmen, die in der christlichen Überlieferung unseres
 Kontinents enthalten ist.
 Um dieser Aufgabe zu dienen, könnten wir gemeinsam einen Kanon
 geistlicher Schlüsseltexte aus der Geschichte christlichen Betens und
 Bekennens, Singens und Denkens entwickeln. Eine solche Sammlung würde
 vielen Menschen den Reichtum unserer spirituellen Überlieferung
 vergegenwärtigen. Sie würde dabei helfen, dass wir die Kraft
 überlieferter Texte neu entdecken und der Orientierung innewerden,
 die von ihnen ausgeht. Sie würde dabei helfen, wenn Menschen
 Spiritualität mit anderen teilen, ihrer Freude oder ihrer Trauer
 gemeinsam Ausdruck geben oder sich auf vertrauten wie auf neuen Wegen
 - zum Beispiel bei einer Pilgerwanderung - in die Sprache
 christlicher Spiritualität einfinden.
 Das an vielen Orten neu erwachte Interesse an Spiritualität bildet
 ein wichtiges Gegengewicht zu Hektik und Materialismus unserer Zeit.
 In dem Bedürfnis nach Spiritualität meldet sich der Widerspruch gegen
 einen umfassenden Herrschaftsanspruch der Ökonomie, der auch vor der
 Ökonomisierung der Seele nicht Halt macht - es sei denn, wir gebieten
 ihm Einhalt. Die Spiritualität ist ein Schatz unserer Kirche, den es
 zu fördern und zu festigen gilt. Wir sind dankbar für geistliche
 Gemeinschaften, in denen diese Spiritualität auf besondere Weise
 lebendig ist. Die Organe des Hörens, Einfindens, Schweigens, Betens,
 Staunens und Singens müssen geübt werden. Aus einer solchen
 geistlichen Tiefe heraus kommen wir auch in unseren Taten, in unserem
 Sagen und in unserem Trösten zu einer neuen, geistlich begründeten
 Klarheit.
 
 3.
 Die Erneuerung christlicher Spiritualität ist auch die entscheidende
 Grundlage für das gemeinsame Zeugnis der Kirchen in unserer Welt. Das
 Bewusstsein, dass es um ein gemeinsames Zeugnis geht, wird lebendig,
 wann immer wir Gottesdienst feiern. Denn jeder Gottesdienst
 überschreitet die Grenzen der Gemeinschaft, die sich zu ihm
 versammelt; in jedem Gottesdienst ist der eine Leib Christi präsent.
 Die Grundlage alles gemeinsamen Wirkens unserer Kirchen ist die
 ökumenische Spiritualität, das gemeinsame Hören und Beten. Dazu
 brauchen wir Grundformen für gemeinsame Wortgottesdienste ebenso wie
 Schritte im Bereich der Sakramentsfrömmigkeit.
 Die wechselseitige Anerkennung der Taufe in unseren Kirchen hat für
 diese Gemeinsamkeit eine herausragende Bedeutung. Den Anstoß dazu,
 dieser wechselseitigen Anerkennung der Taufe eine klare Gestalt zu
 geben, verdanken wir Kardinal Walter Kasper und dem päpstlichen
 Einheitsrat. Im Jahr 2002 haben sie einen entsprechenden Vorschlag
 unterbreitet. Ich bin dankbar dafür, dass die Arbeitsgemeinschaft
 Christlicher Kirchen in Deutschland diesen Impuls aufgenommen hat. Am
 29. April dieses Jahres haben die Vertreter von elf Kirchen in
 Magdeburg die Vereinbarung zur wechselseitigen Anerkennung der Taufe
 unterzeichnet. Der Schlüsselsatz dieses Dokuments lautet: Alle
 unterzeichnenden Kirchen erkennen "jede nach dem Auftrag Jesu im
 Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der
 Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit
 Wasser vollzogene Taufe an."
 Dem Auftrag Jesu zum Vollzug der Taufe wird in diesen Worten deutlich
 der Vorrang vor der Frage zuerkannt, in welcher Weise in den
 einzelnen Kirchen die Amtsträger - oder Amtsträgerinnen - legitimiert
 sind, die das Sakrament vollziehen. Eine solche Betrachtung, die dem
 Auftrag oder der Einladung Jesu den Vorrang vor den unterschiedlichen
 Amtsverständnissen einräumt, kann, davon bin ich überzeugt, auch den
 Zugang zu einer Antwort auf die Frage nach der Gemeinschaft im
 Abendmahl eröffnen. Wir sollten in dem Bemühen um eine Lösung dieser
 Frage nicht nachlassen. Überall dort, wo Menschen mit
 unterschiedlicher Kirchenzugehörigkeit in ökumenischen Familien, in
 ökumenisch geprägten geistlichen Gemeinschaften oder in anderen
 Lebens- und Arbeitsgemeinschaften mit Mitgliedern verschiedener
 christliche Kirchen verbunden sind, zeigt sich, wie dringlich ein
 Fortschritt auf diesem Wege ist. Um der Menschen willen sollten wir
 Wege suchen, auf denen wir die bleibenden Unterschiede im Verständnis
 von Amt und Abendmahl nicht verwischen, wohl aber als
 unterschiedliche Wege zu dem einem Licht Christi wechselseitig
 anerkennen.
 Denn als Kirchen tragen wir Verantwortung dafür, dass sich die
 Bindung der Menschen an Jesus Christus, der das Licht auch für ihr
 persönliches Leben ist, nicht lockert, sondern festigt. Gemeinsam
 stehen wir vor der Aufgabe, dass ihnen ihre kirchliche Heimat nicht
 fremd wird, sondern vertraut bleibt und immer vertrauter wird. Und
 den Menschen gegenüber, denen unser Glaube fremd geworden ist, ist es
 unser gemeinsamer Auftrag ,  das Licht Christi nicht zu verdunkeln,
 sondern seinem Leuchten freien Lauf zu lassen. In der religiös
 pluralen Welt Europas ist die ökumenische Gemeinschaft nicht nur ein
 vom Evangelium her gefordertes Zeugnis, sondern ein elementarer Teil
 des gemeinsamen Auftrag, "Rechenschaft zu geben über die Hoffnung,
 die in uns ist" (1. Petrus 3, 15).   Die Art unserer ökumenischen
 Gemeinschaft ist von großer Bedeutung dafür, ob unsere Verkündigung
 Vertrauen findet. Dafür ist es eine entscheidende Bewährungsprobe, ob
 es uns gelingt, unsere Gemeinschaft in Spiritualität und Gottesdienst
 weiterzuentwickeln.
 
 4.
 Gemeinsam bekennen wir mit den Konzilien von Nicäa und
 Konstantinopel: "Wir glauben ... an den einen Herrn Jesus Christus,
 Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott
 von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott ..." Das
 Bekenntnis richtet sich auf eine Einheit, die uns vorgegeben ist; wir
 können über sie nicht verfügen. Und weil die Einheit der Kirche in
 Christus als ihrem Herrn gründet, kann es nur eine Einheit in der
 Wahrheit geben. In dieser Gewissheit ruht unsere ökumenische
 Spiritualität. Das Ringen um eine Einheit in der Wahrheit bestimmt
 die Geschichte unserer Kirchen von Anfang an. Dieses Ringen ist das
 Grundthema der Geschichte der Christenheit. Es bleibt auch dort
 bestimmend, wo der Streit um die Wahrheit Spaltungen nach sich
 gezogen hat. Doch weil es sich so verhält, sind wir verpflichtet,
 beides ernst zu nehmen: den Auftrag zur Einheit wie das Ringen um
 Wahrheit. Weil es sich so verhält, müssen wir bei unseren
 ökumenischen Bemühungen beidem gerecht werden: der Einheit, die in
 Christus gründet, und den unterschiedlichen Zugängen zu der einen
 Wahrheit, die Christus selbst ist. Daraus erklären sich die
 unterschiedlichen Wege unserer Kirchen; daraus erklärt sich zugleich,
 dass wir auch in unseren Unterschieden aneinander gebunden bleiben.
 Unsere Aufgabe ist es, der Einheit nachzustreben und sie zu fördern,
 die in Christus schon Realität ist. Darin, wie wir jeweils im Ringen
 um die eine Wahrheit Christus als dem Herrn der Kirche, ihrem Grund
 und Ziel, treu zu sein versuchen, haben wir uns wechselseitig zu
 achten. Das geschieht in dem Bewusstsein, dass keine kirchliche
 Gemeinschaft über ihr Kirchesein verfügt. Jede Kirche ist durch
 beides geprägt: durch Licht und Schatten, Gerechtigkeit und Sünde,
 Treue und Verrat, Glauben und Unglauben. "Herr, ich glaube, hilf
 meinem Unglauben" (Markus 9, 24); dieser Ruf um Hilfe kann, ja muss
 auch immer wieder der gemeinsame Ruf der Kirchen sein.
 Nur in solcher Demut können wir die Frage nach der "Kirche im
 eigentlichen Sinn" stellen. Die Kirche im eigentlichen Sinn ist im
 Bekenntnis der Schuld vor Gott vereint und hofft auf seine Gnade; sie
 ebnet Menschen den Weg  zu Gottes Heiligkeit und lässt sie teilhaben
 an der Zusage der Versöhnung. Indem unsere Kirchen Gottes Wort hören,
 gemeinsam seine Barmherzigkeit bezeugen und den Nächsten barmherzig
 begegnen, sind sie "Kirchen im eigentlichen Sinn".
 Aus diesem Grund empfinde ich es nach wie vor als ökumenisch
 belastend, wenn der Begriff der "Kirche im eigentlichen Sinn" zum
 Zankapfel zwischen den Kirchen wird. Die entsprechenden
 Formulierungen römisch-katholischer Autoritäten kann man seit dem
 Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation vom 11. Juli dieses
 Jahres nicht mehr als einen "zugegebenermaßen verkürzt geratenen
 Halbsatz" bezeichnen, wie Kardinal Kasper noch am 9. Juli dieses
 Jahres im Blick auf die Erklärung "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000
 formuliert hat. Vielmehr brauchen wir jetzt einen neuen gemeinsamen
 Ansatz. Denn es versteht sich nicht mehr von selbst, dass die
 ökumenische Karawane weiterzieht. Wir müssen diese Bewegung vielmehr
 gemeinsam wollen; und wir müssen uns über ihre Richtung verständigen.
 Sollten wir dabei nicht in aller Demut bekennen, dass keine unserer
 Kirchen allein das ganze Spektrum der Farben innerhalb des Lichtes
 Christi darstellen kann? Auch dadurch wird unser ökumenisches Bemühen
 angetrieben, dass keine Kirche allein das Licht Christi zu fassen
 oder zu spiegeln vermag. Erhöbe eine Kirche den Anspruch, in ihr
 allein aktualisiere sich die Realität Jesu Christi und damit der
 Grund der Kirche, erschwerte, ja verhinderte sie das gemeinsame
 Leuchten im Licht Jesu Christi selbst.
 Für die evangelischen Kirchen ist deshalb die Achtung des Kircheseins
 derer, die um die Einheit und die Wahrheit Christi ringen, eine
 wichtige ökumenische Grundregel. Für uns ist nicht zu erkennen, dass
 der Weg zur Einheit in Vielfalt oder zu versöhnter Verschiedenheit
 auf andere Weise gefunden werden kann. Dabei verkennen wir die
 Schwierigkeiten nicht. Wir müssen Ökumene heute unter der
 Voraussetzung gestalten, dass die beteiligten Kirchen nicht nur
 unterschiedliche Kirchenverständnisse sowie unterschiedliche
 Vorstellungen von Amt und Ordination, vom Verhältnis zwischen Schrift
 und Tradition oder von Frauen im geistlichen Amt haben, sondern dass
 sie unterschiedliche Vorstellungen von dem haben, was "sichtbare
 Einheit" bedeutet. Es wäre ja auch zu verwunderlich, wenn die
 verschiedenen theologischen Ansätze und die verschiedenen
 geschichtlichen Erfahrungen sich nicht auch in unterschiedlichen
 Auffassungen von der Einheit der Kirche spiegelten.
 Wechselseitige Wahrnehmung und wechselseitiger Respekt sind wichtige
 Voraussetzungen für ökumenische Fortschritte. Wir sollten einander
 die Spaltungen unserer Geschichte nicht länger zum Vorwurf machen.
 Wenn die evangelischen Kirchen sich in diesen Jahren auf das
 fünfhundertjährige Jubiläum der Reformation vorbereiten, ist es
 nötig, daran zu erinnern, dass die Reformation sich nicht von den
 gemeinsamen Wurzeln der Christenheit losgesagt hat. Im Gegenteil: Die
 Absicht der Reformatoren war es nicht, eine neue Kirche zu gründen,
 sondern die Verdunkelung des Glaubens zu überwinden, damit das Licht
 Christi hell für alle strahle. Auch die evangelische Kirche hat ihre
 Wurzeln in der Bibel und in der alten Kirche. Die Reformatoren waren
 bestimmt von der Treue zur biblischen Botschaft und zum gemeinsamen
 Bekenntnis der Christenheit. Und die daraus hervorgehende Kirche ist
 die katholische Kirche, die durch die Reformation gegangen ist. Wir
 haben nicht nur eine 500jährige gemeinsame Geschichte, sondern eine
 2000jährige Geschichte, wir haben auch in diesem Sinne viel mehr
 gemeinsam, als manchmal behauptet wird.
 
 5.
 Die Rolle der Kirchen hat sich in Europa während der vergangenen
 zweihundert Jahre tiefgreifend gewandelt. Mit dem Zusammenwachsen
 Europas wird uns das in verstärktem Maß bewusst. Die europäischen
 Staaten folgen heute weithin dem Verständnis eines religionsneutralen
 Staates, der die Religionsfreiheit achtet und fördert. Die Zeit der
 Staatskirchen ist somit vorbei. Doch die Wirkungsgeschichte des
 Evangeliums dauert an: Die Botschaft von Gottes Gnade wird verkündet,
 Menschen gründen ihr Leben im Glauben und lassen sich zu Taten der
 Liebe anstiften, der Gedanke der christlichen Freiheit wirkt auch
 dort fort, wo ein Hinweis auf seine Wurzeln fehlt. Der Gedanke der
 Menschenrechte und der Religionsfreiheit, die Ausgestaltung des
 demokratischen Staates, die Orientierung gesellschaftlichen Handelns
 an Gerechtigkeit, die Solidarität mit Menschen in Not oder auf der
 Flucht, die Idee eines Europas der Versöhnung und des Friedens
 verdanken sich entscheidenden Impulse des christlichen Glaubens und
 mit ihm der jüdischen Tradition. Wir spüren das immer deutlicher.
 Deshalb geht die Vorstellung, dass sich der Glaube in die
 Privatsphäre abschieben lasse und dass gesellschaftliches
 Zusammenleben ohne die öffentliche Erkennbarkeit von Religion und
 Glaube möglich sei, an der Wirklichkeit vorbei.
 Die moderne Entwicklung Europas hat sich freilich auch mit Schüben
 der Entkirchlichung verbunden. Mitten in Europa sind viele Menschen
 aufgewachsen, ohne von Christus zu erfahren. Doch das bedeutet nicht,
 dass in der modernen europäischen Gesellschaft für den Glauben kein
 Raum mehr sei. Die These, moderne europäische Gesellschaften seien
 durchgängig säkularisiert, treffen die Wirklichkeit nicht. Vielmehr
 können Menschen frei von staatlicher Bevormundung und staatlichem
 Zwang  von ihrer Freiheit zum Glauben und von ihrer Freiheit aus
 Glauben Gebrauch machen. In der Vielfalt der Überzeugungen und
 Religionen hat der christliche Glaube in der europäischen
 Gesellschaft einen unverwechselbaren Ort. Es liegt an uns, diesen Ort
 zu nutzen und das Evangelium zum Leuchten zu bringen.
 Dafür ist es nötig, in eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem
 Selbstverständnis der europäischen Moderne einzutreten. Der
 evangelische Glaube schätzt und würdigt die nicht zuletzt in der
 Reformation freigesetzten Impulse der Aufklärung und der
 individuellen Freiheit, der klaren Unterscheidung zwischen Konfession
 und Bürgerrecht bzw. zwischen Staat und Kirche, die Impulse der
 kritischen Wissenschaft und der verantworteten Freiheit menschlicher
 Lebensführung. Gerade auf dieser Grundlage wendet er sich kritisch
 gegen eine Verkehrung der Freiheit in Beliebigkeit, der
 wissenschaftlichen Erkenntnis in einen Allmachtsanspruch oder des
 wirtschaftlichen Fortschritts in einen Herrschaftsanspruch der
 Ökonomie.
 Die Kirchen der Reformation und ihre Theologie haben immer für einen
 engen und notwendigen Zusammenhang zwischen Glauben und Vernunft
 plädiert. Aber der Glaube hat  überall und zu allen Zeiten die
 Aufgabe, jedem Vernunftverständnis die Grenzen seiner Reichweite
 aufzuzeigen. Glaube und Vernunft haben je ihren eigenen Bereich; aber
 sie bleiben auf einander bezogen. Das haben wir heute gemeinsam denen
 gegenüber zu bezeugen, die Glauben und Vernunft trennen wollen - sei
 es, um den Glauben vernunftfrei und damit irrational zu machen, sei
 es, um die Vernunft glaubensfrei zu halten und damit absolut zu
 setzen.
 
 6.
 Die Kirchen der Reformation vertrete ich in dem heutigen ersten
 Plenum unserer Versammlung. Die Stimme von Wittenberg bringe ich nach
 Hermannstadt. Deshalb schließe ich mit einer Bitte, die die
 vorbereitende Versammlung von Wittenberg im Februar dieses Jahres
 formuliert hat: "In Demut und Gebet ermutigen wir unsere Mitchristen,
 ihre Herzen für das wahre Licht Jesu Christi zu öffnen und sich
 gemeinsam mit uns dafür einzusetzen, dass wir unserem Kontinent
 Gerechtigkeit und Hoffnung bringen. Das Licht Christi inspiriert uns
 dazu, die Gaben des Friedens, der Versöhnung und der Einheit in
 unserer zerrissenen Welt zu bezeugen und für sie einzutreten."
 
 Für die Richtigkeit
 Hannover/Sibiu, 4. September 2007
 Pressestelle der EKD
 Christof Vetter / Silke Römhild
 
 Originaltext:         EKD Evangelische Kirche in Deutschland
 Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55310
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 Pressekontakt:
 Evangelische Kirche in Deutschland
 Hans-Christof Vetter
 Herrenhäuser Strasse 12
 D-30419 Hannover
 Telefon: 0511 - 2796 - 269
 E-Mail: christof.vetter@ekd.de
 
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