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Börsen-Zeitung: Am Rande einer Systemkrise, Kommentar zur Bankenkrise von Bernd Wittkowski

Geschrieben am 20-08-2007

Frankfurt (ots) - Im September 2002 sah die US-Investmentbank
Merrill Lynch Anlass, von "japanischen Verhältnissen" bei deutschen
Banken zu menetekeln. Angespielt wurde damit auf die schwere
Bankenkrise, von der die Söhne Nippons in den neunziger Jahren
heimgesucht worden waren. Kam die Analogie womöglich nur fünf Jahre
zu früh, und droht das japanische Schicksal nun vielleicht nicht
allein dem deutschen Kreditgewerbe, sondern Banken rund um den
Globus? Nicht zuletzt wieder einmal in den USA, die ja ihre
"japanischen Verhältnisse" mit dem Massensterben der Savings &
Loans-Institute lange vor den Japanern selbst hatten?

New Century, Bear Stearns, IKB, American Home Mortgage,
Countrywide, Sachsen LB... Wer kommt als Nächster ins Schleudern?
Oder handelt es sich beim Leipziger Fall wieder mal um "Probleme
institutsspezifischer Natur", wie Bundesbankpräsident Axel Weber
Anfang August anlässlich der IKB-Schieflage kundtat? Die aufgerufenen
Summen werden von Mal zu Mal erschreckender. Beim Düsseldorfer
"Mittelstandsfinanzierer" und seiner neben der Bilanz geführten
"Rhineland Funding" musste außer der Abschirmung möglicher Verluste
von 3,5 Mrd. Euro eine Kreditlinie von 8,1 Mrd. Euro zur
Liquiditätssicherung bereitgestellt werden. Bei der Sachsen LB sind
es schon 17,3 Mrd. Euro. Wer sich die Listen der Conduits deutscher
und internationaler Banken und ihrer Liquiditätsspender anschaut, dem
kann schwindlig werden angesichts der zu Buche stehenden Risiken. Es
ist mitnichten so, dass der deutsche Sparkassenverbund - wiewohl die
größte Finanzgruppe der Welt - in einem möglichen nächstgrößeren Fall
erneut nach Belieben mit Geldspritzen helfen könnte.

Risikosubkultur

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ein
Liquiditätsbedarf ist noch kein Verlust. Aber erstens läuft das
Eingeständnis einer Bank, ihren Liquiditätszusagen nicht nachkommen
zu können, auf irgendetwas in der Spanne zwischen Kapitulation und
Todesurteil hinaus. Und zweitens kann niemand allen Ernstes
behaupten, dass sich Investoren, Gläubiger und Sponsoren ohne teils
spürbare Verluste von all den Assets werden verabschieden können, die
in den vergangenen Jahren im Geiste einer globalen Risikosubkultur
eingesammelt wurden, mag das Etikett "Triple-A" auch dreifach
draufkleben. Begründete Zweifel an der Werthaltigkeit von Assets
gehen längst weit über den Subprime-Markt hinaus, ganz allgemein
scheuen Anleger Asset Backed Securities (ABS) zurzeit wie der Teufel
das Weihwasser. Wer unter Verkaufsdruck gerät, hat Verluste zu
realisieren, doch der Versuch, die aktuellen Marktverwerfungen
einfach auszusitzen, muss nicht unbedingt ein besseres Ende nehmen.
Und welche Größenordnungen ein etwaiger Abschreibungsbedarf erreichen
kann, zeigt schon der für die IKB aufgespannte Risikoschirm.

Wie viele "IKBs" noch?

Man kommt vor diesem Hintergrund nicht um die Frage herum, wie
viele "IKBs" und "Sachsen LBs" sich das deutsche Bankgewerbe ohne
staatliche Hilfe würde "leisten" können. Das Gesamtvolumen der
Sicherungsfonds von Sparkassen und Landesbanken wurde mit der Reform
des Haftungsverbundes 2003 auf 4,2 Mrd. Euro erhöht. Privatbanken und
Kreditgenossen haben ihre entsprechenden Zahlen nie publiziert, sie
dürften in vergleichbaren Dimensionen liegen. Da muss, etwa als Folge
einer weiteren Verschlechterung der Lage an den Verbriefungsmärkten
oder von Ratingherabstufungen für verdächtige Emissionen, nur ein
großer Akteur umfallen - schon stünde man nicht mehr bloß am Rande
einer Systemkrise, sondern mittendrin.

Aber bisher ist die Branche weitgehend fein raus. Im Düsseldorfer
Fall haftet über die mit 38% an der IKB beteiligte, mit
Staatsgarantie arbeitende KfW der Steuerzahler. Und im Fall Sachsen
LB wird ebenfalls die Allgemeinheit von der Vergangenheit eingeholt:
Die Gewährträgerhaftung ist zwar seit 2005 abgeschafft, aber da es
sich um ältere Verbindlichkeiten handelt, wirkt das frühere
Haftungssystem noch nach. Das würde entsprechend für andere
Landesbanken gelten, die ein (zu) großes Rad gedreht haben. Doch soll
man sich auch insoweit nichts vormachen: Für die Schieflage einer
privaten Bank ähnlichen Kalibers würden gleichermaßen wir alle zur
Kasse gebeten, da braucht es keine Gewährträgerhaftung und kein
"Grandfathering". Schon ein Mittelgewicht wie die private IKB ist ja
aus Sicht der Finanzaufsicht offenbar "too big to fail".

Es darf nicht mehr allzu viel passieren in dieser Krise, in der
jetzt sogar schon die erste Großsparkasse (KölnBonn) ein beachtliches
Subprime-Engagement beichten muss. Sonst sind - freilich nicht nur
hierzulande - japanische Verhältnisse inklusive öffentlicher
Auffanggesellschaften für marode Banken und faule Kredite nicht mehr
weit.

Apropos Japan: Dort haben sich die Verantwortlichen für das von
ihnen durch Fehlspekulationen angerichtete, für Anleger wie
Steuerzahler teure Desaster immerhin mit einer tiefen Verbeugung
entschuldigt. In Deutschland sind die meisten Verantwortungsträger
jener Banken, von denen man sich in dieser kritischen Phase
Informationen und Erklärungen wünschte, abgetaucht. Insoweit
zumindest haben wir noch keine japanischen Verhältnisse.

Originaltext: Börsen-Zeitung
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