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Südwest Presse: Leitartikel: Tarifpolitik

Geschrieben am 04-05-2007

Ulm (ots) - Ein Streik in der deutschen Metall- und
Elektroindustrie ist abgewendet. Das hätte auch gerade noch gefehlt!
Man hört förmlich das erleichterte Aufatmen von Politik und
Wirtschaft in einem Land, das sich gerade erst wieder an das lange
vermisste Gefühl wirtschaftlichen Wachstums und sinkender
Arbeitslosigkeit zu gewöhnen beginnt. Ein Streik in Deutschlands
Schlüsselindustrie hätte wie ein Tiefschlag gewirkt.
Wie aber ist der Preis für den Arbeitsfrieden zu bewerten? Um in der
Boxersprache zu bleiben, etwa so: sicher kein K.o.-Schlag, aber doch
ein Punktesieg der Gewerkschaft. Mit 4,1 Prozent für ein Jahr, auf
das weitere 1,7 Prozent für ein halbes Jahr draufgesattelt werden,
hat die IG Metall doch ihren Mitgliedern den versprochenen Schluck
aus der Pulle verschafft. Und er ist durchweg tabellenwirksam, bildet
also die Basis für die nächsten Abschlüsse.
Natürlich bemühten sich Baden-Württembergs Verhandlungsführer Jan
Stefan Roell und Metallarbeitgeberchef Martin Kannegiesser, den
Abschluss als ausbalancierten Kompromiss zu verkaufen. Aber das
Unbehagen dabei war spürbar. Zumal sich Kannegiesser mit seiner
Festlegung, die neue Erhöhung dürfe nicht über die 2006 beschlossenen
3,0 Prozent hinausgehen, doch weit aus dem Fenster gelehnt hatte.
Davon ist nicht viel zu sehen.
Südwestmetall-Chef Jan Stefan Roell steigt ebenfalls mit deutlichen
Blessuren aus dem Ring. Ihm, der die neue Generation der
Metall-Manager verkörpert, ging es vor allem um eine
Weiterentwicklung der Tarifpolitik hin zu mehr betrieblicher und
konjunktureller Flexibilität. Auch davon ist jetzt
längst nicht so viel umgesetzt, als dass man von einer neuen Linie
sprechen könnte.
Die Arbeitgeber selber sind in den letzten Monaten von den sich fast
überschlagenden positiven Nachrichten zum Wachstum allgemein und
besonders in ihrer Branche überrascht worden. In einer solchen
Situation sind Maßhalte-Appelle selbst in der Metallbranche, die auch
in den vergangenen Jahren nicht schlecht bezahlte, kaum vermittelbar.
Daraus zog die IG Metall ihre Stärke.
Sie zeigt sich vor allem darin, dass sie die geforderten flexiblen
Elemente (Konjunktur-Bonus und variable Teile des Weihnachtsgeldes)
bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hat. Lediglich in der zweiten
Stufe des Tarifvertrages und damit nur für fünf Monate ist ein
zusätzlicher Konjunkturbonus von 0,7 Prozent sowie eine
Öffnungsklausel vereinbart, wonach Betriebe die zweite Erhöhung um
vier Monate verschieben können. Das war für die IG Metall die Kröte,
die sie schlucken musste. Und deshalb ist auch richtig, dass der neue
Tarifvertrag aus Arbeitgebersicht in seinem zweiten Teil und in der
längeren Laufzeit einen gewissen Charme ausstrahlt.
Die Wirtschaft brummt, viele Unternehmen verdienen prächtig. Dass die
Mitarbeiter daran angemessen profitieren sollen, wurde auch von den
Arbeitgebern nie bestritten. Deshalb ist es weniger das Volumen der
Erhöhung um fast sechs Prozent in den nächsten eineinhalb Jahren, das
bedenklich stimmt, sondern ihre fast volle Tabellenwirkung.
Die Branche hat in den vergangenen zwölf Monaten rund 54 000 neue
Jobs geschaffen. Der konjunkturelle Schub dürfte noch einige Zeit
anhalten. Die Unternehmen werden so die höheren Personalkosten
auffangen können. Insofern schadet der neue Abschluss nicht. Aber er
taugt auch nicht dazu, weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Und deshalb
ist gestern eine Chance vertan worden.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=59110
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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