Westdeutsche Zeitung: Das traurige Ende eines großen Stars = von Michael Frisch

Düsseldorf (ots) - Dopingsünder oder ein zu Unrecht verfolgtes
Sportidol? Jan Ullrich bleibt auch nach seinem Rücktritt von der
aktiven Radsport-Karriere ähnlich wie Leichtathletik-Olympiasieger
Dieter Baumann ein umstrittener Fall. Dafür hat der 33-Jährige mit
seinem gestrigen selbstherrlichen Auftritt gesorgt, der in der
Verkündung seines Karriereendes gipfelte. Offenbar hilft dem einzigen
deutschen Tour-de-France-Sieger nur noch gezielte
Verschleierungstaktik, um im undurchsichtigen und unwürdigen Treiben
in der spanischen Blutbeutel-Affäre seinen eh schon ramponierten Ruf
wenigstens etwas retten zu können.
Mit seinem Rundumschlag gegen Radsport-Verbände sowie der
persönlichen Abrechnung mit BDR-Präsident Rudolf Scharping und
Doping-Fahnder Werner Franke hat Ullrich nun wohl auch die letzte
Chance verpasst, für Aufklärung zu sorgen. Denn die seit knapp einem
Jahr schwelenden Doping-Vorwürfe stehen weiter im Raum. Die
Unschuldsbeteuerungen waren ebenso karg wie die Bereitschaft, endlich
reinen Tisch zu machen.
Acht Monate hat Jan Ullrich gebraucht, um vor die Öffentlichkeit zu
treten. Acht Monate, in denen der Radstar auf der Stelle trat - und
damit seinen dopingverseuchten Sport noch mehr in Verruf brachte. Es
ist kein Wunder, dass nach Arbeitgeber T-Mobile nun auch viele
Teamgefährten Ullrich fallen ließen.
Das tut zweifellos weh. Der einst gefeierte Star ist am Boden - und
redete sich die Welt schön. Es ist jedoch eine Scheinwelt, die sich
der Rostocker aufgebaut hat. Die Millionen, die er im Rennsattel
verdienen konnte, halfen ihm durchs Leben, dessen Realität er nie zu
spüren bekam. Behütet wie ein großes Kind, das nie wirklich erwachsen
geworden ist, wurden ihm vom Bonner Rennstall und dessen Beratern
nahezu alle Entscheidungen abgenommen. Selbst die Entscheidung zum
Rücktritt wurde ihm durch die äußeren Umstände praktisch
aufgezwungen. Größeres Mitleid mit Jan Ullrich muss man allerdings
nicht haben. Der Multimillionär fällt weich. Wahrscheinlich hat er
noch nicht einmal mitbekommen, dass er sich und seine Erfolge gestern
selbst beerdigt hat. Der 26. Februar war ein trauriger Tag für den
deutschen Radsport, der seinen Toursieger, Olympiasieger und
Weltmeister verlor.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2526
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de