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Hitzige Debatte um Steuerreform

Geschrieben am 28-03-2006

Frankfurt (ots) - Unter dem Motto "Gerecht, effizient,
wettbewerbsfähig: Ein Steuerkonzept für Deutschland" diskutierten am
Montag in Hamburg auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Instituts
für Weltwirtschaft und PricewaterhouseCoopers

PROF. DR. NORBERT HERZIG, Leiter der Arbeitsgruppe
Unternehmensbesteuerung in der Kommission "Steuergesetzbuch" der
Stiftung Marktwirtschaft,

PROF. DR. JÜRGEN LÜDICKE, Partner bei PricewaterhouseCoopers
(Hamburg), FINANZMINISTER RAINER WIEGARD, Finanzministerium
Schleswig-Holstein,

PROF. DR. WOLFGANG WIEGARD, Mitglied des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung,

PROF. DENNIS J. SNOWER, Präsident des Instituts für
Weltwirtschaft, und

DR. ALFRED BOSS, Koordinator Makroökonomische Aktivitäten und
Finanzmärkte am Institut für Weltwirtschaft

mit über 250 Gästen aus Wirtschaft, Verbänden und Ministerien über
die künftige Ausgestaltung des Steuersystems in Deutschland.
Im Mittelpunkt des Diskussionsforums standen die alternativen
Steuerkonzepte des Sachverständigenrates und der Stiftung
Marktwirtschaft, die von Prof. Wolfgang Wiegard und Prof. Norbert
Herzig skizziert wurden. Beide Reformkonzepte streben das Ziel an,
einen international wettbewerbsfähigen Steuersatz für Unternehmen von
etwa 25 vH (einschl. Gewerbesteuer) zu realisieren. Neben diesem
niedrigen Pauschalsteuersatz für Unternehmenseinkünfte bzw.
Kapitalerträge halten beide Konzepte an einer progressiven
Besteuerung von anderen Einkünften, insbesondere von
Arbeitseinkommen, fest.

Die Unterschiede beider Konzepte liegen in den steuertechnischen
Instrumenten, mit denen die angestrebte niedrige Pauschalbelastung
von Unternehmen erzielt werden soll. Der Sachverständigenrat zielt
auf den Produktionsfaktor Kapital ab und will Investitionen im Inland
begünstigen. Kapitaleinkommen sollen, soweit sie eine
Normalverzinsung nicht überschreiten, mit einem niedrigen
proportionalen Steuersatz von 25 vH belastet, alle anderen Einkommen
der progressiven Einkommenssteuer unterworfen werden. Steuertechnisch
bedeutet dies, dass Gewinnanteile, die einer kalkulatorischen
Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals entsprechen, mit einem
niedrigen proportionalen Steuersatz von 25 vH, alle anderen
Gewinnanteile mit dem progressiven Satz der Einkommenssteuer belastet
werden. Durch die Aufspaltung des Einkommens in Kapital- und
Arbeitseinkommen entsteht eine duale Einkommenssteuer. Das Ziel der
Finanzierungsneutralität durch eine einheitliche Besteuerung der
Kapitalerträge steht im Zentrum des Konzepts.

Der besondere Vorteil dieses Konzepts sei es, so Wiegard, dass es
die Abwanderung von Kapital ins Ausland begrenzt und die
Attraktivität des Standorts Deutschland für ausländisches Kapital
erhöht. Denn der Faktor Kapital sei international weitaus mobiler als
der Faktor Arbeit und könne daher der nationalen Besteuerung leichter
ausweichen. Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Partner bei
PricewaterhouseCoopers, betonte, dass - unabhängig von der konkreten
Ausgestaltung der Konzepte - Politik und Fachleute seit langem einig
seien, dass das komplizierte deutsche Steuersystem den Erfordernissen
der Globalisierung und des internationalen Steuerwettbewerbs nicht
mehr entspreche. "International denkende Investoren sind an
kleinlichem Hickhack ebenso wenig interessiert wie an typisch
deutschen Gerechtigkeitsdebatten", so Lüdicke.

Die Stiftung Marktwirtschaft will dagegen die einbehaltenen
Gewinne aller Unternehmen unabhängig von der Rechtsform mit einem
einheitlichen Steuersatz von 25-30 vH belasten. Eine Unterscheidung
zwischen Kapital- und Arbeitseinkommen in Kapitalgesellschaften gibt
es nicht. Ausschüttungen und Entnahmen werden einkommenssteuerlich
nachbelastet, so dass hier die Belastung maximal dem
Einkommenssteuerspitzensatz entspricht. Personengesellschaften sollen
wie Kapitalgesellschaften mit dem Pauschalsteuersatz belastet werden
und daher zukünftig grundsätzlich nicht mehr der progressiven
Einkommensbesteuerung unterliegen. Allerdings können Entnahmen bis zu
120.000 Euro pro Jahr und Person vom Gewinn abgezogen und der
Einkommenssteuer unterworfen werden. Auf diese Weise sollen
steuerliche Nachteile für kleinere Unternehmen vermieden werden. Das
Ziel der Rechtsformneutralität durch eine einheitliche
Unternehmenssteuer steht im Zentrum des Konzepts. Die Stiftung
Marktwirtschaft schlägt darüber hinaus eine Neuordnung der
Kommunalfinanzen vor, die u.a. einen kommunalen Zuschlag zur
Unternehmenssteuer und eine kommunale Einkommenssteuer mit
Steuersatzautonomie beinhaltet.

Der große Vorteil des Konzepts der Stiftung Marktwirtschaft sei
es, so Herzig, dass alle Unternehmenseinkommen, egal aus welchen
Quellen sie kommen, einheitlich besteuert werden und die
internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts D durch den
geringen Pauschalsteuersatz, der eine Kommunalsteuer bereits
einschließt, erhöht wird.

In der anschließenden Diskussion wurden die Stärken und Schwächen
der Konzepte teils kontrovers diskutiert. Beiden Konzepten wurde
vorgehalten, dass sie kaum Aussagen über die Finanzierung der
resultierenden Steuerausfälle in Höhe von etwa 16-22 Milliarden Euro
machen. Dr. Alfred Boss, Steuer- und Haushaltsexperte des Instituts
für Weltwirtschaft, plädierte für eine Finanzierung durch einen Abbau
staatlicher Subventionen. "Selbst kurzfristig lässt sich ein
entsprechendes Einsparvolumen durch eine Kürzung der
Steuervergünstigungen und Finanzhilfen nach der Rasenmähermethode
erzielen", betonte Boss.

Am Konzept des Sachverständigenrates wurde kritisiert, dass es
ausschließlich die Kapitaleinkommen begünstige und somit dem Gedanken
einer synthetischen Steuer, die alle Einkommen unabhängig von ihrer
Quelle gleichbehandelt, zuwiderlaufe. Auch sei eine Neubewertung von
Kapitalanlagen bei der Umsetzung des Konzepts notwendig, was aber
praktisch kaum durchführbar sei. Prof. Snower, Präsident des
Instituts für Weltwirtschaft, wies auf die Gefahr hin, dass das
Konzept des Sachverständigenrates einer Abwanderung von hoch
profitablen Unternehmensteilen ins Ausland Vorschub leisten könnte.
"Im schlechtesten Fall bleiben nur die Unternehmensteile in
Deutschland, die lediglich Gewinne in Höhe der Normalverzinsung
abwerfen", so Snower. Aus kommunaler Sicht wurde darüber hinaus der
Wegfall der Gewerbesteuer als wichtigstes Finanzierungsinstrument der
Städte und Gemeinden kritisiert. Das Konzept des
Sachverständigenrates müsse daher um einen kommunalen Steuerzuschlag,
wie er im Modell der Stiftung Marktwirtschaft vorgesehen ist,
erweitert werden.

Dem Konzept der Stiftung Marktwirtschaft wurde entgegengehalten,
dass es durch die Nachbelastung ausgeschütteter Gewinne Anreize gibt,
Arbeitseinkommen oder andere Einkunftsquellen in Gewinne einer
Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft auszulagern, um so in
den Genuss des niedrigeren Unternehmenssteuersatzes zu kommen.
Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass durch die Gleichstellung von
Kapital- und Personengesellschaften künftig auch bei
Personengesellschaften zwischen der "Unternehmenssphäre" und der
"Gesellschaftersphäre" unterschieden werden müsse. Dies führe zu
erheblichen technischen Problemen bei der Besteuerung von
Personengesellschaften und Einzelunternehmen, die nur schwer lösbar
erscheinen. Kritisiert wurde auch die mangelnde
Finanzierungsneutralität des Stiftungskonzepts, das einbehaltene
Gewinne mit dem niedrigen Unternehmenssteuersatz und ausgeschüttete
Gewinne mit dem meist höheren Einkommenssteuersatz belege. Angesichts
gut funktionierender Kapitalmärkte sei eine Förderung der
Selbstfinanzierung überflüssig.

Insgesamt bildete sich der Tenor heraus, dass die Zielrichtung der
Konzepte des Sachverständigenrates und der Stiftung Marktwirtschaft,
die Attraktivität des Standorts Deutschland zu erhöhen, gute
Ansatzpunkte für eine Reform der Unternehmensbesteuerung in
Deutschland bietet, aber die Lösung diverser steuertechnischer
Detailprobleme in beiden Konzepten noch aussteht. "Es ist zu hoffen,
dass der über die vorliegenden Konzepte bereits jetzt ausgebrochene
politische Streit die notwendigen Reformen am Ende nicht verhindert",
lautete das Fazit von Prof. Lüdicke, das auf breite Zustimmung stieß.

Originaltext: PriceWaterhouseCoopers
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=8664
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_8664.rss2


Pressekontakt:
Karim Schäfer
PricewaterhouseCoopers
karim.schaefer@de.pwc.com
Tel. 069/9585-5435

Dr. Jürgen Stehn
Institut für Weltwirtschaft
juergen.stehn@ifw-kiel.de
Tel. 0431/8814-331


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