Börsen-Zeitung: Glücksfall am Arbeitsmarkt, Kommentar zur sinkenden Arbeitslosenzahl in Deutschland von Reinhard Kuls

Frankfurt (ots) - Endlich ist die Arbeitslosenzahl in Deutschland
wieder unter 4 Millionen, nämlich bei 3,995 Millionen. Nicht, dass
das qualitativ irgendwie signifikanter wäre als die 4,085 Millionen,
die sie im Oktober betrug, auch wenn man es den 90000 Menschen von
Herzen gönnt, dass sie wieder mit eigener Arbeit für den
Lebensunterhalt sorgen können. Nein, die Zahl erregt deshalb
Aufsehen, weil sie so schön rund und kurz ist. Auch Politiker können
sie sich gut merken.

Betrachtet man sich die regierungsseitigen Reaktionen gestern auf
die Nürnberger Daten, könnte man glatt zu dem Schluss kommen, die
Politiker hätten eigenhändig jeden Einzelnen dieser 90000 in den
vergangenen vier Wochen in Lohn und Arbeit gebracht. Aber das haben
sie nicht. Denn bislang ist die Reformbilanz der großen Koalition auf
dem Gebiet des Arbeitsmarkts noch recht dürftig. Wenn es hier
jemandem Erfolge ans Revers zu heften gilt, dann eher noch der
rot-grünen Vorgängerregierung. Nein, hier ist noch viel zu leisten,
ehe die strukturellen Probleme am deutschen Arbeitsmarkt einer
tragfähigen Lösung nahe gebracht sind. Man denke nur an das Problem
der Langzeiterwerbslosen. Mit einer simplen Verlängerung des
Arbeitslosengeldes ist dem nicht beizukommen. Auch der
Niedriglohnsektor ist noch lange nicht an einem Punkt, wo die
Lohnstaffelung differenziert genug ist, um Stellen entstehen zu
lassen.

Die aktuell so guten Zahlen am deutschen Arbeitsmarkt sind in
erster Linie dem zyklischen Aufschwung der deutschen Gesamtwirtschaft
zu danken, der seinen Ausgang in der florierenden Weltwirtschaft
genommen hat. Weiter angefeuert wird er inzwischen von den
Investitionen, die allerdings einen Teil ihrer Dynamik aus Änderungen
im Steuerrecht beziehen. Dies wird aber nicht auf Dauer antreiben.
Dass gerade die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beständig
zunimmt, ist allerdings unter Nachfrageaspekten wie auch im Hinblick
auf die Sozialkassen sehr erfreulich.

Ein Glücksfall für den Arbeitsmarkt ist das sehr milde Wetter.
Wenn der Winter dann aber einsetzt, und gar so hart wie beim letzten
Mal, wird auch die Arbeitslosenzahl die 4-Millionen-Marke wieder
übersteigen. Dann wird man aber wohl vergeblich auf die Politiker
warten, die auch dafür die Urheberschaft übernehmen. Warum auch? Für
das Klima können sie ja nichts.

Originaltext: Börsen-Zeitung
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