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Börsen-Zeitung: Kapitulation, Börsenkommentar "Marktplatz von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 23-04-2010

Frankfurt (ots) - Auf einmal ist alles ganz schnell gegangen: Nur
einen Tag nachdem die europäische Statistikbehörde Eurostat neue und
erschreckende Zahlen zum Haushaltsdefizit Griechenlands
veröffentlicht und diese mit einem Vorbehalt hinsichtlich der
Zuverlässigkeit der Daten versehen hat, musste Griechenland
kapitulieren und offiziell Hilfe bei der Europäischen Union (EU) und
dem Internationalen Währungsfonds (IWF) beantragen. Die Tatsache,
dass die Unterdeckung der Staatsausgaben durch die Einnahmen nicht
12,7% des Bruttoinlandsprodukts, sondern 13,6% beträgt, hat an den
Märkten zu einer derart starken Verunsicherung geführt, dass die
Renditen griechischer Staatsanleihen sprunghaft angestiegen und die
Spreads der Credit Default Swaps (CDS), also die Kosten für eine
Absicherung gegen einen Kreditausfall des Landes, stark
herausgelaufen sind. Damit war klar, dass das Land nicht mehr in der
Lage sein würde, sich aus eigener Kraft über den Markt zu
refinanzieren.

Die Kapitulation Griechenlands hat an den Märkten zunächst einmal
zu Reaktionen der Erleichterung und Beruhigung geführt. Der Euro
kletterte zum Wochenende wieder über die Marke von 1,32 Dollar, die
er am Donnerstag preisgegeben hatte. Dax und StoxxEurope50 legten zu
und die Credit Spreads der von der Schuldenkrise besonders
betroffenen EU-Peripherieländer reduzierten sich nach der Bekanntgabe
des Hilfeersuchens zunächst einmal.

Mit dem Hilferuf ist die Griechenlandkrise aber noch längst nicht
ausgestanden. Kurzfristig kommt es aus Sicht der Marktteilnehmer nun
darauf an, wie rasch die Mittel tatsächlich abgerufen werden können.
Finanzminister Giorgos Papakonstantinou rechnet zwar mit der
Auszahlung erster Gelder noch vor dem 19. Mai, wenn der hellenische
Staat Schulden von 8,5 Mrd. Euro zurückzahlen muss. Noch aber sind
die Verhandlungen zwischen Athen und dem IWF über die Ausgestaltung
des bis 2012 laufenden Sparpakets Griechenlands längst nicht
abgeschlossen. Ein fertiges Konzept als Voraussetzung für die
Zahlungen gibt es also noch nicht. Zudem hat Berlin in der EU einen
mehrstufigen Prozess durchgesetzt, in dem nun die Europäische
Zentralbank, der IWF und die EU-Kommission und dann die Regierungen
der EU-Mitglieder entscheiden müssen. Ferner müssen in vielen
EU-Ländern die Parlamente per Gesetz zustimmen.

Die Krise ist aber auch deshalb noch lange nicht ausgestanden,
weil die bis jetzt avisierte Summe von 30 Mrd. Euro, die Griechenland
erhalten soll, nicht sehr weit reicht. Bekanntermaßen werden 2011
Anleihen über 28 Mrd. Euro fällig, 2012 Bonds über 31 Mrd. Euro und
2013, wenn die höchstwahrscheinlich dreijährigen Notkredite von EU
und IWF mitgezählt werden, sogar 68 Mrd. Euro, wobei die
Geldmarktpapiere in die Rechnung noch gar nicht einbezogen sind.
Damit hat das Paket, das derzeit geschnürt wird, im Grunde wenig mehr
als Überbrückungscharakter. Auf etwas längere Sicht, so vermuten
viele Marktteilnehmer, wird Griechenland für die Emission neuer Bonds
auf Garantien anderer EU-Staaten angewiesen sein. Dazu werden aber
Deutschland und noch andere EU-Mitglieder zunächst nicht bereit sein,
was unweigerlich zu neuer Verunsicherung an den Credit- und
Devisenmärkten führen wird.

Es ist also praktisch noch fast alles offen, weshalb das Gefühl
der Erleichterung zumindest am Credit-Markt bereits am Nachmittag
wieder komplett verflogen war. Die CDS-Spreads auf hellenische
Staatsanleihen kletterten auf ein Niveau noch über dem vom Vortag.
Und die Rendite zehnjähriger griechischer Staatstitel ist mit aktuell
8,9% nach wie vor weit von einem Niveau entfernt, das das Land als
Zinslast noch bewältigen könnte. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik
muss in der zehnjährigen Laufzeit gerade einmal rund 3% bezahlen.

In den kommenden Wochen und Monaten ist nicht damit zu rechnen,
dass sich die Situation Griechenlands an den Märkten nennenswert
verbessern wird, solange keine Lösung mit einem dauerhafteren
Charakter gefunden ist. Die Kapitulation Griechenlands ist nur der
erste Schritt auf dem langen Weg der Bewältigung der Schuldenkrise.

(Börsen-Zeitung, 24.4.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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