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Berliner Morgenpost: Die Angst des Tormanns vor dem eigenen Leben - Leitartikel

Geschrieben am 11-11-2009

Berlin (ots) - Deutschland ist erschüttert. Der Freitod des
Fußballtorwarts Robert Enke wühlt die Nation auf. Gleich nach den
Freudentränen der Mauerfalls trauert das Land gemeinsam über die
Tragödie einer tiefen Einsamkeit. DFB-Chef Theo Zwanziger und Manager
Oliver Bierhoff weinten stellvertretend für Millionen aufrichtig
Bestürzter. Hilflosigkeit herrscht, die bohrende Frage nach dem
Warum.
Scheinbar hatte der Fußball-Profi Enke alles, was ein glückliches
Leben braucht: Familie, Wohlstand, Ruhm. Der tragische Tod der
kleinen Tochter Lara 2006 schien langsam zu verblassen; ein
adoptiertes Mädchen hatte den Platz eingenommen. Doch die äußeren
Umstände verschleierten das innere Leid.
Ergreifend offen gewährte Enkes Witwe Teresa einen Einblick in das
engste Gefängnis, in dem ein Mensch stecken kann: der Depression. Wer
dieses Leiden je aus unmittelbarer Nähe erlebt hat, kann zumindest in
Ansätzen ermessen, welch unkontrollierter innerer Fraß da unentwegt
tobt. Millionen Depressiver aller Schichten, aller Generationen
quälen sich jeden Tag durchs Leben, voller Angst um Job, Ansehen,
Zukunft.
Depression, das ist keine Verstimmung, sondern brutale
Angstkrankheit, die den Alltag trotz Therapie und Mitgefühl oft zur
Hölle macht. Die Ursachen sind so vielfältig wie die Ausprägungen.
Aber immer herrscht die Angst. Robert Enke fürchtete nach einigen
sportlichen Rückschlägen um seinen Platz im Tor der Nationalelf, er
fürchtete, das Sorgerecht für die Adoptivtochter zu verlieren, er
fürchtete eine grausame Öffentlichkeit, die ihren angemessenen Umgang
mit der Volkskrankheit Depression noch nicht gefunden hat. Sebastian
Deisler, eines der größten Talente des deutschen Fußballs, macht in
seiner Biografie derzeit öffentlich, worüber vielfach verzweifelt
geschwiegen wird.
Früher war der Krebs die stigmatisierte Krankheit, die gleichsam als
Strafe verstanden wurde. Lance Armstrong, Elke Heidenreich, Christoph
Schlingensief und viele andere haben den Kampf gegen den Krebs
enttabuisiert. Die Depression dagegen eignet sich in einer Druck- und
Leistungsgesellschaft nicht zur Heroisierung. Ein offener Bruch wird
akzeptiert, nicht aber ein tückisches seelisches Handicap, so
unsichtbar wie unberechenbar. Profisport und Depression, nichts passt
weniger zusammen. Sieger kennen weder Angst noch Zweifel, so will es
der Mythos vom stählernen Helden.
Enke folgte dieser Verdrängungslogik - er verschwieg seine Probleme.
Denn er wollte sich und seine Nächsten schützen. Eine Depression wäre
als Schwäche ausgelegt worden und hätte ihm genommen, was lange Halt
gab: das Training, die Mannschaft, das Spiel und am Ende sogar die
Familie.
Wenn der Freitod Robert Enkes einen Sinn hat, dann ist es ein Appell:
Die Massenkrankheit Depression, die rapide um sich greift, muss
herausgerissen werden aus der Schweigespirale, sie braucht
Verständnis, einen neuen, sensiblen Umgang. Depressive haben Recht
auf ein menschenwürdiges Leben. Die Krankheit ist grausam genug.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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