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Börsen-Zeitung: Eine Kulturrevolution, Kommentar zum Einstieg der Deutschen Bank bei Sal. Oppenheim von Bernd Wittkowski

Geschrieben am 05-08-2009

Frankfurt (ots) - Der Kunde mit 1250 Euro monatlichem Geldeingang
auf dem kostenlosen Girokonto und der trotz Weltfinanzkrise noch
nicht völlig verarmte Geldadel mit zehnstelligem Vermögen: Unter dem
kolossalen Dach der Deutschen Bank finden sie alle einen Platz, vom
Banken-Aldi Postbank mit seinen 14 Millionen Kunden bis hin zur edlen
Geldboutique Sal. Oppenheim, die eine Hautevolee von gerade einmal
7000 Krösussen betreut.

Ob das passt? Aus Sicht der Deutschen Bank: gewiss - auch wenn
manch früherer Ausflug ins Metier der Privatbankiers (wie im Fall
Grunelius in den 1990-er Jahren) kein gutes Ende nahm. Der
Branchenprimus, dessen Einstieg ins Mengengeschäft 50 Jahre
zurückliegt, hat seinen Platz - von kurzen Irritationen abgesehen -
stets "in der Mitte der Gesellschaft" gesucht und definiert dabei
"Mitte" so breit, dass auch die Ränder abgedeckt werden. Das war auf
der einen Seite der legendäre "Mob", der 1959 die Schalter stürmte,
um den neuen Kleinkredit zu ergattern. An diesem Ende des Marktes
agiert die Deutsche heute unter anderem mit ihrem Billigheimer
Norisbank.

Noch willkommener ist natürlich die margenträchtige Randgruppe der
Superreichen am anderen Ende, an dem sich das Haus Ackermann immer
etwas schwertat. Hier ermöglicht Oppenheim geradezu einen
Quantensprung. Europas führendes Privatbankhaus betreute Ende 2008
Kundenvermögen von 132 Mrd. Euro - das ist keine gänzlich andere
Dimension als die 164 Mrd. Euro der Deutschen Bank im Private Wealth
Management.

Was das Investment Banking als zweites Kerngeschäftsfeld von
Oppenheim angeht, ist der Global Player Deutsche Bank gewiss nicht
auf Zukäufe angewiesen. Doch macht hier die eine oder andere
Arrondierung angesichts der anerkannten Expertise und teilweise
vorderer Marktpositionen von Sal. Oppenheim auch nichts kaputt.

Zeitlose Werte?

Ob die strategische Partnerschaft auch für Oppenheim passt? Das
Bankhaus hat ja in den bisher 220 Jahren seines Bestehens neben
etlichen Kriegen und Währungsreformen auch vier Revolutionen er- und
überlebt - hausinterne Umstürze wie die Verlegung des Hauptsitzes von
Köln nach Luxemburg nicht mitgezählt. Die jüngste Kulturrevolution
aber wird man Kunden, Beschäftigten und dem Publikum erst noch
verklickern müssen. Die Wahrung der Unabhängigkeit war jenseits allen
notwendigen Wandels seit jeher erklärtermaßen das alles überragende
Ziel der seit Gründung im Familienbesitz befindlichen Bank. Die auf
solchen "zeitlosen Werten" gründende Tradition beschreiben die
Gesellschafter selbst gar als das Fundament der Bank. Auch wenn
andere einst klassische Privatbankhäuser längst eine neue Heimat in
Bank- oder Versicherungskonzernen gefunden und dort ihre
Existenzberechtigung nachgewiesen haben: Wer dieses Fundament
verlässt, indem er sich unter den Einfluss der Großbank schlechthin
begibt, läuft Gefahr, sich gleichsam selbst den Boden unter den Füßen
wegzuziehen.

Der Hybris verfallen

Niemand käme freiwillig auf die Idee, seine jahrhundertelang
verinnerlichte Unternehmensphilosophie derart radikal, bis hart an
die Grenze zur Selbstverleugnung, umzuschreiben. Also muss die Not
einigermaßen groß sein. Zwar ist die Bank, die noch im April eine
durchaus respektable Eigenkapitalquote von 12% ("fast ausschließlich
Kernkapital") auswies, weit davon entfernt, einer mit anderen
Rettungsaktionen der jüngeren Finanzgeschichte vergleichbaren
Auffanglösung zu bedürfen. Klar ist aber auch, dass die vom "Kölner
Mittelständler" selbst fast zu einer Art Großbank mutierten
Oppenheimer immer öfter auf dem falschen Gleis fuhren. Letztlich ist
Sal. Oppenheim mit der bisherigen Ausrichtung am eigenen Erfolg
gescheitert - einem Erfolg, der im dritten Säkulum der
Firmengeschichte offenbar manchen zu Kopf gestiegen ist.

Die Bank hat einen großen, weithin geachteten Namen (den sie
sicher behalten darf), und sie hatte ein grandioses Geschäftsmodell.
Doch irgendwann müssen einige Akteure der Hybris verfallen sein. Da
wurde aus mutigem Unternehmertum unternehmerischer Übermut: Das
Riesenrad, das an den Finanzmärkten gedreht wurde, das Abenteuer mit
den Industriebeteiligungen, mitunter vielleicht etwas halbseidene
Fondskonstruktionen - all das gehört in diese Kategorie, all das ging
mit zunehmendem Rating- und Eigenkapitaldruck sowie mit spürbaren
Reputationsverlusten einher, und all das wirft Fragen nach der
persönlichen Verantwortlichkeit auf. Hinzu kam das monatelange
Verwirrspiel um den Wiederverkauf der erst 2005 übernommenen, auf
ihre lange Privatbanktradition "seit 1854" nicht minder stolzen
BHF-Bank. Apropos: Deren Vorstand und Beschäftigte hatten sich einst
mit Zähnen und Klauen erfolgreich gegen die Übernahme durch eine
andere - die gelbe - Großbank gewehrt. Gegen die blaue dürfte
Widerstand diesmal zwecklos sein.

Sollten Sal. Oppenheim, die Kunden und die Beschäftigten die
Kulturrevolution ohne bleibende psychische Schäden verkraften, sind
sie beim kapitalstarken Partner Deutsche Bank unter allen denkbaren
Konstellationen sicher am besten aufgehoben. Bis dahin steht freilich
allen Beteiligten noch ein Langer Marsch bevor.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de
Telefon: 069--2732-0


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