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Börsen-Zeitung: Übertriebene Erholung, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 27-03-2009

Frankfurt (ots) - Eigentlich war es eine erfreuliche Börsenwoche.
Trotz der Gewinnmitnahmen am Freitag haben die meisten Aktienmärkte
ihre Erholung im Wochenvergleich fortgesetzt. Der Dax hatte in den
vier Tagen per Donnerstag 4,7% zugelegt. Am Freitagabend blieb davon
immerhin noch ein Wochenplus von mehr als 3% übrig.

Die Anleger müssten demnach mit Genugtuung auf die gerade beendete
Handelswoche schauen und sich entspannt zurücklehnen. Das Schlimmste
scheint vorüber, es kann ja eigentlich nur besser werden, sollte man
meinen.

Auffällig ist aber, dass die meisten Marktteilnehmer die Sache
anders sehen: Mit einem Minus von zeitweise über 2% fielen die
Gewinnmitnahmen am Freitag stattlich aus. Viele Akteure hatten wohl
Skrupel, mit allzu großen Positionen in das Wochenende zu gehen. Die
Anleger trauen dem Braten einer erstaunlich dynamischen Erholung, die
in einem ausgesprochen desolaten konjunkturellen Umfeld stattfindet,
offensichtlich nicht.

Wie es scheint, sind die Bedenken angemessen. Der Dax hat sich
seit dem Tief vom 9. März in nur drei Wochen um 14% befestigt. Auch
die anderen Aktienmärkte sind stark gestiegen, so hat der wichtigste
US-Benchmarkindex S&P500 den stärksten monatlichen Anstieg seit 1974
hingelegt. Es ist zu bezweifeln, ob dies fundamental zu rechtfertigen
ist. Dies wird auch von vielen Analysten so gesehen. Die
Aktienstrategen der WestLB beispielsweise qualifizieren die
Erholungsrally als "zu früh, zu schnell, zu hoch".

Angetrieben wurde die Erholung vor allem durch die wiederholten
Vorstellungen von Rettungspaketen und neuen Plänen, die Märkte und
die Volkswirtschaften mit noch mehr Liquidität zu fluten, was bei
Dividendentiteln zweifellos einen positiven Ankündigungseffekt
ausgelöst hat. Derartige Maßnahmen sind zwar grundsätzlich
angemessen. Die Pläne werfen jedoch eine Menge Fragen auf. So weisen
die Analysten der WestLB zurecht darauf hin, dass in den USA vieles
nach der Devise "viel hilft viel" praktiziert werde, ohne dass man
wisse, wie denn die verabreichte Dosis auf die Patienten
US-Volkswirtschaft und US-Bankensektor wirkt.

Zudem sind zahlreiche Details noch völlig ungeklärt. So sieht etwa
das neue Paket des US-Finanzministeriums vor, dass gemeinsam mit
privaten Investoren den Banken Problemkredite im Volumen von bis zu 1
Bill. Dollar abgenommen werden sollen. Dabei ist es allerdings noch
völlig ungewiss, wie die Preisfindung erfolgen soll und ob die
Anreize groß genug sind, dass die Banken auf den Deal eingehen. Viele
Institute könnten, wenn die gebotenen Preise aus ihrer Sicht nicht
attraktiv sind, dazu neigen, lieber auszuharren und die toxischen
Assets in der Hoffnung auf bessere Zeiten in der Bilanz zu behalten.
Damit könnte sich die Bankenkrise noch sehr lange hinziehen.

Auch in Deutschland ist das Problem der faulen Aktiva bei den
Banken noch lange nicht gelöst, die Institute werden im Wesentlichen
bislang nur durch Kapitalspritzen über Wasser gehalten. Vor diesem
Hintergrund erscheint es als äußerst bedenklich, dass die Hausse
bislang vor allem von den Bankentiteln getragen worden ist. Der
entsprechende Stoxx-Subindex hat sich gegenüber dem Tief von vor drei
Wochen um sage und schreibe 40% erholt. Selbst wenn man den
vorhergehenden Kursrutsch des (ohne die Staatshilfen längst
bankrotten) Finanzsektors für übertrieben hält, lässt sich eine
derartige Verteuerung der Titel fundamental kaum begründen.
Demgegenüber hat die Rally diejenigen zyklischen Branchen, die
klassischerweise von einem Aufschwung profitieren, bislang nicht
erfasst - zu nennen sind in diesem Zusammenhang Sektoren wie
Industrie, Chemie oder Automobilbau.

Aus fundamentaler Sicht ist also damit zu rechnen, dass der Markt
nach dem steilen Anstieg der vergangenen drei Wochen nun in eine
Seitwärtsphase übergeht. Sollte er jedoch die Hausse zunächst noch
fortsetzen, steigt das Rückschlagpotenzial stark an. Für eine
nachhaltige Erholung über das bereits erreichte Kursniveau hinaus
bedarf es überzeugender Daten von Seiten der konjunkturellen
Frühindikatoren, die es bislang noch nicht gibt.

(Börsen-Zeitung, 28.3.2009)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de


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