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Eckpunkte zur Gesundheitsreform: Spitzenverbände contra Fonds und Verstaatlichung, pro gute Versorgung der Versicherten durch Wahlfreiheit und Wettbewerb

Geschrieben am 28-06-2006

Berlin (ots) - Wenige Tage vor den entscheidenden Beratungen der
Koalitionsspitze über die Gesundheitsreform warnen die
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen vor einem
Systemwechsel. Würden die Vorschläge eines staatlichen
Gesundheitsfonds, einer Regulierungsbehörde und eines Dachverbandes
realisiert, käme dies einer Verstaatlichung der Gesetzlichen
Krankenversicherung gleich. Sie fordern die Regierungskoalition zu
einer auf Wahlfreiheit der Versicherten und Effizienzwettbewerb der
selbstverwalteten Krankenkassen gründenden Gesundheitsreform auf. Ein
Kompromiss um des Kompromisses willen sei angesichts der Versorgungs-
und Finanzierungsherausforderungen unverantwortlich.

Die Krankenkassen sollen sich nach diesen Plänen künftig nicht
mehr aus Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren, sondern erhielten
ihre finanziellen Ressourcen vom Staat aus einem Gesundheitsfonds
zugewiesen. Der Gesundheitsfonds soll sich aus steuerähnlichen
Abgaben der Versicherten und ihrer Arbeitgeber speisen. Durch dieses
Vorhaben würden die Krankenkassen ihre Finanzautonomie verlieren und
wären finanziell vom Staat abhängig.

Neben diesem staatlichen Gesundheitsfonds will das BMG eine
Regulierungsbehörde setzen, die die wesentlichen
Steuerungsfunktionen, insbesondere die Entscheidungen über die
Leistungen der GKV, übernimmt. Darüber hinaus soll ein Dachverband
den Krankenkassen weitere Vorgaben für ihre Entscheidungen und
Aktivitäten machen. In dem Dachverband sollen zwar alle
Krankenkassen Mitglied sein. Aber genau deshalb wird er kaum
entscheidungsfähig sein, so dass auch hier staatliche Ersatzvornahmen
drohen. Dem Vernehmen nach sollen die Verträge mit Krankenhäusern
und Vertragsärzten von Landes-Dachverbänden geschlossen werden. In
der Konsequenz hätten die Kassen auf mehr als 2/3 der ihnen
zugewiesenen Mittel faktisch keinen Einfluss. Die Krankenkassen
würden von selbstständigen Sozialversicherungen zu nachgeordneten
ausführenden Behörden mutieren.

Erfahrungen im Ausland zeigten, dass eine solche staatliche
Steuerung nicht zu einer besseren Krankenversorgung führe als die
heutige staatsferne Steuerung durch die Krankenkassen und ihrer
Verbände. Zu groß sei die Gefahr des Einflusses sachfremder
Interessen und insbesondere in konjunkturschwachen Zeiten das Motiv
zu sparen.

Abzulehnen ist der Fonds nach Auffassung der Spitzenverbände auch
wegen seines enormen bürokratischen Aufwandes. Heute ziehen die
Krankenkassen die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und
Arbeitslosenversicherung mit einem Gesamtumfang von 500 Mrd. Euro
kostengünstig und effektiv ein. Der Aufwand dafür beträgt nicht
einmal 0,3 Prozent des Gesamtbetrages. Die Einführung des
Gesundheitsfonds würde den Aufwand mindestens verdoppeln. Die
Beitragsautonomie und Einnahmekontrolle würde von den
selbstverwalteten Krankenkassen auf eine staatliche Zentralbehörde
verlagert.

Scharf kritisierten die Spitzenverbände die Pläne, wonach die
Krankenkassen, die mit den staatlichen Mittelzuweisungen aus dem
Gesundheitsfonds nicht auskommen, von ihren Versicherten eine
zusätzliche kleine Kopfprämie erheben sollen. Die "kleine Kopfprämie"
würde sich sehr schnell zu einer "großen Kopfprämie" auswachsen und
der Versicherte würde alle Kostensteigerungen alleine tragen müssen.
Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen würde sich dann
ausschließlich auf diese kleine Kopfprämie beschränken. Krankenkassen
mit vielen Kranken müssten eine relativ hohe Kopfprämie erheben,
Kassen mit überproportional vielen Gesunden könnten dagegen Boni
auszahlen. Allein durch die Konzentration auf die Anwerbung junger
gesunder Mitglieder hätten die Kassen eine Chance, im Wettbewerb zu
überleben. Aus Sicht der Spitzenverbände wäre dies eine absurde
Ausrichtung des Wettbewerbs, der vom Gesetzgeber unmöglich gewollt
sein könne. Notwendig seien vielmehr mehr Vertragsfreiheiten und
Wettbewerbsanreize für eine gute Ver
-sorgung Kranker.

Die Spitzenverbände sehen die Möglichkeit bei Beibehaltung des
heutigen Beitragseinzugs und dem Verzicht auf die "kleine Prämie" die
dem Fonds von der Politik zugedachten Funktionen (Modifizierung der
Verteilungsströme) durch eine Erweiterung der bestehenden
Finanzausgleichssyteme (RSA) zu gewährleisten. Dies wäre eine Lösung,
die schnell machbar ist und ohne zentralistische Bürokratie auskommt.

Größte Skepsis äußern die Spitzenverbände auch mit Blick auf
weitere Vorschläge zur Reform der Organisationsstrukturen der GKV.
Wer Wettbewerb intensivieren will, gleichzeitig aber Mindestgrößen
von Kassen festlegen will, offenbart ein völlig verrücktes
Wettbewerbsverständnis. Weniger Kassen führen zu weniger
Wahlmöglichkeit der Versicherten und sind damit das Gegenteil von
Wettbewerb. Auch die Absicht zur Einrichtung eines Dachverbandes oder
einer Regulierungsbehörde weist den Weg in die Verstaatlichung. Wo
bleibt hier das Credo der Kanzlerin "Mehr Freiheit wagen"?

Grundsätzlich wollen die Spitzenverbände an der
Beitragsfinanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung festhalten.
Gleichwohl halten sie die Pläne zu einem Steuerzuschuss für die GKV
für akzeptabel. Er sollte die von ihnen finanzierten
versicherungsfremden Leistungen (z.B. Mutterschaftsgeld,
Verhütungsmittel), die von ihnen wahrgenommenen
gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (z.B. Versorgung arbeitsloser
Mitglieder zu abgesenkten Beiträgen) und die Belastungen der GKV
durch arbeitsmarktpolitische (z.B. Mini- und Midi-Jobs) und andere
gesetzliche Maßnahmen (z.B. Absenkung des Rentenniveaus, Nullrunden
für Rentner) kompensieren und damit der Politik der
Verschiebebahnhöfe ein Ende machen.

Die Spitzenverbände befürchten aber, dass es einer politischen
Entscheidung für einen Steuerzuschuss an Verlässlichkeit fehlen
könnte und er je nach Haushaltslage zur Disposition gestellt werden
könnte. Hat doch die Bundesregierung selbst mit der im
Koaltionsvertrag beschlossenen Streichung des Bundeszuschusses für
versicherungsfremde Leistungen den Glauben der Bevölkerung an die
Zuverlässigkeit pauschaler Steuerzuweisungen an die Krankenkassen
zutiefst erschüttert. Ohne Antwort auf die Frage, wie
Steuermittelversprechen robust gegen fiskalische Willkür abgesichert
werden sollen, garantieren solche Versprechungen - selbst wenn sie
Gesetzeskraft erlangen sollten - keine nachhaltige Hilfe bei der
Lösung anstehender Probleme.

Unterstützung erhielten die Spitzenverbände auf ihrer
Veranstaltung "Gesundheit nachhaltig gestalten" von verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen. Gegen den Fonds sprachen sich DGB, BDA,
Verbraucherzentrale, Sozialverband VdK, KBV und DKG aus.
Insbesondere Bürokratie und Staatsnähe waren die kritisierten Punkte
- dies unbeschadet von unterschiedlichen Akzenten und Zielen im
Generellen.

- Diese Pressemitteilung finden Sie auch im Internet unter
www.gkv.info -


Originaltext: BKK Bundesverband
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=53946
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_53946.rss2

Pressekontakt:

Gemeinsame Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft der
Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenakssen
Federführend für die Veröffentlichung:
IKK-Bundesverband
Ansprechpartner: Joachim Odenbach,
Tel.: 02204/ 44 -111
E-mail: joachim.odenbach@bv.ikk.de
Internet:www.gkv.info


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