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Börsen-Zeitung: Der Staatsanleihen-Boom, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 02-01-2009

Frankfurt (ots) - Der gerade zu Ende gegangene Turnus wird als
eines der schlimmsten Jahre der Finanzmärkte in die Geschichte
eingehen. Aber es gibt nicht nur Verlierer der Marktverwerfungen, die
von der Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten ausgelöst worden
sind. Anleger, die ganz oder weitestgehend auf Staatsschuldtitel
gesetzt haben, werden das Jahr in guter Erinnerung behalten. Denn sie
haben Erträge eingefahren, bei denen selbst Aktienliebhaber von einem
guten Jahrgang sprechen würden. Wer beispielsweise auf zehnjährige
Bundesanleihen setzte, erzielte einen Gesamtertrag (Kuponverzinsung
und Kursgewinn) von etwas mehr als 16%. Am ganz langen, d.h.
30-jährige Ende des US-Staatsanleihemarktes, war sogar ein Ertrag von
über 40% erzielbar. Spektakulär ist dieses Ergebnis auch im Vergleich
zum Aktienmarkt. Bei einer Einbuße des Dax von mehr als 40% ergibt
sich für die zehnjährigen Bundesanleihen eine sehr hohe
Outperformance von nahezu 57 Prozentpunkten.

Dieser extreme Wert spiegelt zum einen die völlige Verunsicherung
der Investoren wider, die sich nach dem Kollaps der US-Investmentbank
Lehman Brothers eingestellt hat. Zum anderen ist er auch Ausdruck der
zunehmenden negativen Auswirkungen der Vertrauenskrise auf die
Realwirtschaft. Zum Jahreswechsel ist die Weltwirtschaft in den
freien Fall übergegangen. Die Industrienationen befinden sich in
einer synchronen Rezession. Aber auch die Schwellenländer, die sich
eine Zeit lang resistent gezeigt haben, sind nun voll von der Krise
erfasst worden und fallen als Kompensation für die Schwäche der
Industrieländer aus. Die Folge des Abschwungs sind steil nach unten
zeigende Preisindikationen, wobei insbesondere der Absturz des
Ölpreises auf die Teuerungsraten drückt. Das wiederum schafft
Spielraum, die Leitzinsen zu senken bzw. im Falle Japans und der USA
über einen längeren Zeitraum bei nahe Null zu belassen.

Das desolate Bild, das im Moment insbesondere die US-Wirtschaft
abgibt, ist am Freitag leider einmal mehr bestätigt worden. Der viel
beachtete Konjunkturindex des Institute for Supply Management hat
sich nicht wie vom Markt erwartet bei 35,5 Zählern stabilisiert,
sondern ist von November auf Dezember von 36,2 auf 32,4 Punkte weiter
abgesackt und hat damit das niedrigste Niveau seit 1980 erreicht.
Auch die Beschäftigungskomponente ist stark abgesackt. Damit ist für
die neue Woche eine weitere Schreckensmeldung programmiert. Denn es
zeichnet sich nun deutlich ab, dass auch der am Freitag anstehende
US-Arbeitsmarktbericht vom Dezember grausam ausfallen wird. Nachdem
der Bericht vom November mit einem Rückgang der Stellen in der
US-Volkswirtschaft von über 500000 geschockt hat, befürchten die
Volkswirte, dass für den Dezember ein weiterer heftiger Schwund von
rund 500000 Stellen ausgewiesen wird.

Trotz des für Renten günstigen Umfelds können Anleger jedoch nicht
so ohne weiteres davon ausgehen, dass sich der Boom der
Staatsanleihen noch lange fortsetzt und somit erneut ein sehr
prächtiger Jahrgang ansteht. Zwar werden sich die
Konjunkturindikationen nicht so schnell verbessern. Märkte nehmen
jedoch Wenden in der Realwirtschaft vorweg. Für Staatsanleihen
besteht daher das Risiko, dass die Marktteilnehmer relativ frühzeitig
beginnen werden, auf die Erholung zu setzen, und wieder in riskantere
Anlagen umschichten. Auf den mittlerweile erreichten sehr hohen
Kursniveaus, durch die die Kupon-Verzinsung zudem mit 3% bei
zehnjährigen Bundesanleihen nicht gerade attraktiv wirkt, baut sich
somit ein erhebliches Rückschlagpotenzial auf.

In diese Richtung deuten auch die umfangreichen Hilfsmaßnahmen,
die Regierungen und Notenbanken eingeleitet haben, um den an den
Märkten teilweise bereits eingepreisten Deflationsrisiken
entgegenzutreten. Längerfristig besteht darüber hinaus Gefahr, dass
gerade die Flutung des Systems mit Liquidität und die zur Ankurbelung
der Konjunktur hochgefahrenen Staatsausgaben sogar wieder erhebliche
Inflationsrisiken aufbauen. Das würde für Staatsanleihen sogar ein
sehr abträgliches Umfeld bedeuten.

(Börsen-Zeitung, 3.1.2009)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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