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Berliner Morgenpost: Mit Steuermilliarden in die Sackgasse - Kommentar

Geschrieben am 16-11-2008

Berlin (ots) - Der Deutsche an sich pflegte stets ein erotisches
Verhältnis zum Auto: schnell fahren, bequem reisen, Macht über die
Maschine spüren, den Neid der Nachbarn genießen - das Fahrzeug als
Spaß- und Status-Lieferant. Gegen dieses schöne Bauchgefühl stellt
sich die ökonomische Vernunft: Lohnt sich ein Neuwagen? Kaum hat man
den Parkplatz des Autohändlers verlassen, ist der Wert um ein paar
Tausend Euro gefallen. Benzin ist teuer, der nächste Stau kommt
bestimmt, Parkplätze sind Glücksache, und das Klima wird auch
nicht besser.
Das herkömmliche Auto bedient die Wünsche der Menschen immer weniger.
Der moderne Konsument will sicher, schnell, zuverlässig, preiswert
und ökologisch vernünftig von A nach B gelangen. Eine kluge
Kombination aus U-Bahn, Taxi, Fahrrad, Mietwagen oder Zug ist allemal
effektiver. Mehr noch als ein schickes Auto will der moderne Bürger
reibungslose Mobilität.
Die Autoindustrie hat diese Bedürfnisse konsequent ignoriert. Seit
über 100 Jahren wird ein und dieselbe Verbrennungsmaschine
technologisch immer weiter aufgerüstet, um sie auf vielfach
rumpeligen Straßen viel zu langsam zu bewegen. Ist es modern, einen
einzelnen Menschen in zwei Tonnen schweren Panzerwagen mit einem
Durchschnittstempo von 20 km/h fortzubewegen, wie es jeden Tag
millionenfach geschieht? Wir fahren unendlich viel Hochtechnologie
spazieren, aber effektiv bewegen wir uns nicht.
Anstatt sich grundsätzlich Gedanken über moderne Verkehrsorganisation
zu machen, hat ausgerechnet das Mutterland von Eisenbahn, Flugzeug
und Automobil seine innovative Kraft verloren. Die Automobilindustrie
hat sich dabei oftmals eher als Fortschrittsbremse denn als -motor
profiliert. Beim Chrysler-Abenteuer von Daimler oder dem
Eitelkeitskrieg zwischen VW und Porsche wurden Zeit, Energie und
Milliarden vergeudet. Ingenieurskraft wurde fehlgeleitet, um Saurier
zu perfektionieren. Dass zwei deutsche Großunternehmen in Berlin im
nächsten Jahr mit 100 Fahrzeugen erstmals ein größeres Elektrokonzept
probieren, ist schön, kommt aber Jahrzehnte zu spät. Vor 20 Jahren,
als die Mauer fiel, wurde schon einmal die historische Chance
verspielt, ein ganz neues, effektives, sauberes Verkehrssystem zu
probieren, etwa im Dreistädteeck Leipzig/Halle/Dresden.
Deutschlands Autoindustrie hat die dramatische Veränderung der
Konsumentenbedürfnisse verpennt - als würde man im Zeitalter von iPod
und Downloads weiter tapfer auf die Vinylschallplatte setzen.
Zukunftsweisend wäre, wenn die Spitzen aus Industrie und Politik sich
zum Ziel nähmen, das Verkehrssystem von morgen zu entwickeln - ein
weltweiter Exportschlager. Stattdessen werden gleich drei Autogipfel
in dieser Woche zum Vorwahlkampf missbraucht. Es wäre fatal, wenn die
Bundesregierung den Weg in die Sackgasse mit Steuermilliarden
zementiert. Aber es steht zu befürchten.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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